Als beinahe unvermeidliche Konsequenz grenzüberschreitender Dividendeninvestitionen hat die Quellensteuer Anleger und Vermögensverwalter stets vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Die Komplexität des Themas ergibt sich nicht nur aus der Natur der Steuer selbst, sondern auch aus den unterschiedlichen Regelungen und Verfahren zur Rückerstattung, die zwischen den jeweiligen Staaten bestehen. Dank der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen diesen Ländern ist eine rechtliche Grundlage für die Rückerstattung überzahlter Quellensteuern zwar gegeben, doch der administrative Aufwand und die bürokratischen Hürden waren bislang ein grosses Hindernis. Digitale Lösungen zur Rückerstattung, wie sie beispielsweise in der Schweiz und in Deutschland umgesetzt werden, zeigen dabei, welche Verbesserungen durch effiziente Prozesse erreicht werden können.

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Die Schweiz als Vorreiter

Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist bereits 2020 mit der Einführung der M2M-API (Machine-to-Machine Application Interface) einen entscheidenden Schritt in Richtung Digitalisierung und Vereinfachung des Rückerstattungsprozesses gegangen und ist damit zugleich einer der Vorreiter in diesem Metier. Die elektronische Schnittstelle ermöglicht eine direkte, digitale Kommunikation zwischen Anlegern und der Steuerverwaltung, wodurch der Prozess insbesondere für in Deutschland ansässige Investoren erheblich erleichtert wird. Die M2M-API dient dabei als Sinnbild für einen Paradigmenwechsel in der Handhabung von Quellensteuerrückerstattungen, indem sie den Prozess nicht nur beschleunigt, sondern auch die Fehleranfälligkeit signifikant reduziert. Somit profitieren nicht nur die Anleger selbst davon, sondern ebenso die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen, welche die Rückerstattungsanträge prüfen.

Der Gastautor

Thomas Rappold ist CEO von Divizend. Divizend ist ein im Jahr 2020 in München gegründetes Technologieunternehmen, das Lösungen für Investments in Dividendenaktien und die damit verbundenen Steuer- und Regulatorikthemen entwickelt.

Deutschland zieht nach

Parallel dazu hat Deutschland mit der Einführung der KaFE-Prozedur, Teil des Abzugsteuerentlastungs-Modernisierungs-Gesetz (kurz AbzStEntModG), jüngst einen ähnlichen Weg eingeschlagen und hat ebenfalls auf die bürokratischen Herausforderungen sowie die Forderung nach effizienten Lösungen reagiert. Seit Mitte 2023 wurde das bisherige Formular zur Rückerstattung der deutschen Quellensteuer, was vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zum Download als PDF bereitgestellt wurde, ersetzt durch eine rein elektronische, webbasierte Einreichung über das BZSt Online Portal (BOP). Dieser Systemwechsel erfordert für ausländische Antragsteller jedoch deutlich höhere Setup-Aufwendungen. Notwendig ist beispielsweise vor Antragstellung die Beantragung eines digitalen ELSTER-Zertifikats beim BZSt. Nach Erhalt des Zugangs erfordert das Formular im BOP intensive fachliche Einarbeitung. Und auch die wichtige Möglichkeit für Finanzdienstleister und Banken, Massenverarbeitung von einer grossen Menge an Anträgen durchzuführen, wurde bisher nicht berücksichtigt. Allerdings hat das BZSt angekündigt, bis zum 3. Juni 2024 eine digitale XML-basierte Schnittstelle (genannt «KaFE») bereitzustellen.

Ausblick zum Systemwechsel

Die Fälle Deutschland und Schweiz zeigen, dass sich die Übermittlung von Anträgen zur Rückerstattung ausländischer Quellensteuer immer weiter wandelt, weg von papier- oder PDF-basiertem Formularwesen, hin zu elektronischen Plattformen, die idealerweise via digitalen Schnittstellen (APIs) ansprechbar sind.

Im Zuge der Vorreiterrolle von Deutschland und der Schweiz und weiterer Initiativen innerhalb der EU für die Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion ist davon auszugehen, dass weitere europäische Länder ähnliche Digitalisierungsbestreben umsetzen werden. Die Vorteile für die ausländischen Steuerämter liegen insbesondere darin, Missbrauch (Cum-Cum/Cum-Ex) zu verhindern sowie in einer effizienteren Bearbeitung der Anträge. Für Finanzdienstleister, Vermögensverwalter und Banken stellt sich damit spätestens jetzt die Frage, wie sie an diesem Systemwechsel nutzbringend partizipieren können.

Unstrittig ist für den Finanzplatz Schweiz, dass die Erbringung eines professionellen Services zur Quellensteuerrückerstattung in der Vermögensverwaltung inhärent bedeutsam ist. Gleichzeitig ist die rein manuelle Bearbeitung solcher Anträge durch sich stetig ändernde regulatorische Anforderungen und hoher Lohnkosten kaum noch zeitgemäss. Zudem fordern Kunden eine gesteigerte Zeit- und Kosteneffizienz bei derartigen Dienstleistungen. Der Handlungsdruck für Finanzinstitute steigt, ihre Quellensteuer-Strategie auf den Prüfstand zu stellen und neu zu justieren. Weitsichtige Entscheider sollten in Betracht ziehen, mit spezialisierten Dienstleistern zusammenzuarbeiten. Wesentliche Kriterien dabei sind insbesondere auch europaweite Anwendbarkeit, die Unterstützung von OpenWealth-Schnittstellen sowie die Kundenzentriertheit der Lösung.

Synergien für Vermögensverwalter

Für Banken und Vermögensverwalter, die sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland aktiv sind, stellt das Zusammenspiel dieser Entwicklungen enormes Potential für signifikante Kostenersparnisse dar. Gleichzeitig ergeben sich vertriebliche Potentiale in der Gewinnung von neuen Kundengeldern infolge der Zurverfügungstellung eines professionellen kundenzentrierten, digitalen und kosteneffizienten Rückerstattungsprozesses. Durch die Nutzung dieser neuen digitalen Verfahren können Vermögensverwalter ihren Kunden einen deutlichen Mehrwert bieten, indem sie die steuerliche Belastung der Anlageportfolios reduzieren und somit die Gesamtrendite verbessern. Gleichzeitig stellt dies eine wertvolle Ressource dar, um sich in einem immer wettbewerbsintensiveren Markt zu differenzieren.

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Quelle: ZVG
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