Als ich ein kleines Mädchen war, gab es in der Schweiz drei Sender, Schweizer Fernsehen, TSR, TSI. Unter der Woche schauten wir das «Spielhaus» mit Franz und René, am Samstagabend «Teleboy» mit Kurt Felix und an Weihnachten «Drei Nüsse für Aschenbrödel». Heil war die Welt und einfach. Dann geschah eine Sensation: Eines Tages konnten wir auch die öffentlichrechtlichen Programme aus Deutschland und Österreich empfangen. Wir waren begeistert, gab es doch ständig etwas Interessantes zu sehen. Was braucht der Mensch mehr?

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Computer gab es damals noch keine. Meinen ersten bediente ich als Studentin. Der Drucker, gross wie ein Kleiderschrank, stand im Nebenzimmer. Am 30.  April 1993 wurde das Internet für die Allgemeinheit freigeschaltet – da war ich 26 Jahre alt, meine Sozialisation war bereits abgeschlossen, und ich musste mich dieser neuen, aufregenden Welt als Fremde nähern.

Heute geht kein Weg daran vorbei: Medienkompetenz und der professionelle Umgang mit neuen Technologien sind elementare Bestandteile im privaten und im geschäftlichen Leben. Die Jungen sind uns hier einen grossen Schritt voraus. Dabei sind sie keineswegs Technikfreaks. Sie wissen aber, wie mit den neuen Medien umzugehen ist.

Studien belegen, dass eine Mehrheit der jungen Menschen eher auf den Fernseher verzichten würde als auf den Computer. Während der Fernseher läuft, surft ein Grossteil der Jungen parallel dazu im Internet. Multitasking. Inhalte auf dem Handy anzuschauen, ist noch nicht ganz so populär. Aber auch hierfür interessiert sich gemäss Accenture-Studie fast die Hälfte der unter 25-Jährigen. Die Digitalisierung schafft unbegrenzte Vielfalt, nichtlinear statt bloss linear. IPTV ermöglicht neue interaktive Erlebnisse. Ein reichhaltiges Angebot, zeitversetztes Fernsehen oder Video on Demand kommen dem Wunsch des Konsumenten nach Flexibilität und Individualität entgegen. Wo und wann ich will.

Immer mehr Menschen, auch ältere, bewegen sich in Social Communities, bloggen, kreieren eigene Online-Seiten, haben Freunde auf der ganzen Welt, kaufen regelmässig online in den USA ein, gründen ihre eigene Internet-Company, überwinden Grenzen. Die Start-up-Szene der Schweiz ist sehr lebendig und überzeugt international mit kreativen Ideen: Zattoo, Kyte, Doodle oder Kooaba. All diese Entwicklungen sind die wahre Revolution. Wo sie hinführen, welche Auswirkungen sie auf Unternehmen und Märkte haben, ist ungewiss. Wir stehen erst am Anfang. Alle wollen zwar online gehen, aber die wenigsten verstehen wirklich, wie die neue Welt funktioniert, wie sie von den Konsumenten genutzt wird, wie man Zielgruppen ansprechen kann.

Wir können von den Jungen lernen. Deshalb sollten wir genauer hinschauen. An ihrem Verhalten können wir die Trends von morgen ablesen. Klar ist: Das Internet wird alle anderen Medien als Leitmedium ablösen, TV, Radio, Zeitungen oder Zeitschriften. Die Grenzen zwischen TV, Internet und Telefonie werden verschwinden. Dies alles wird drastischen Einfluss haben, nicht nur auf die Produktion und Distribution von Inhalten, sondern auch auf Konsumgewohnheiten, Marketing, Werbung, Logistik, Vertrieb, Organisation, Strategien. Alle Branchen sind davon betroffen, nicht nur die Telekommunikation, traditionelle Medienunternehmen oder die Hardware-Hersteller. Internet ist der neue Marktplatz der Welt, ermöglicht neue Arten der Kundenansprache, des Vertriebes, der Arbeitsteilung, kreiert neue Lösungen für Kunden. Deshalb müssen wir von den Jungen lernen, ihnen folgen, sie zu verstehen versuchen.

Vielleicht nehmen Sie sich demnächst etwas Zeit und setzen sich mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn hinter den Computer. Und schauen ihr oder ihm ein Weilchen über die Schulter. Wer nicht online ist, ist off.

Catherine Mühlemann war Geschäftsführerin bei MTV Networks in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie sitzt u.a. im Swisscom-VR und lebt in Berlin.