Für John Cryan ist Arbeit heilig: Ob ein Treffen mit der globalen Wirtschaftselite in Davos oder dem chinesischen Grossaktionär des Instituts – kaum jemand war für ihn so wichtig, dass er für sie oder ihn seine Arbeit vernachlässigt hätte. Zäh und unerbittlich verfolgt er seine Mission, die Deutsche Bank grundlegend aufzuräumen und zu erneuern. 

Doch seine Emsigkeit wurde nicht belohnt – zumindest bisher. Drei Jahresverluste musste der Brite bereits vermelden und auch für die ersten drei Monate 2018 sieht es düster aus. Die Aktie fiel zwischenzeitlich unter elf Euro und damit auf den tiefsten Stand seit Herbst 2016. Das Papier ist damit der mit Abstand schwächste Wert im Leitindex Dax. 

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Das macht die Luft für den britischen Institutschef immer dünner. Der oberste Kontrolleur des Geldhauses, Paul Achleitner, sieht sich nun offenbar gezwungen zu handeln: Er soll laut Medienberichten mit der Suche nach einem Cryan-Nachfolger begonnen haben. 

«Höllenjob» Chef

In den Augen einiger Investoren ist das aber deutlich zu früh: Die wichtigen Umbauarbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Ein Wechsel dürfte nur für zusätzliche Unruhe in der Bank sorgen und das Institut bei der Restrukturierung eher zurückwerfen. So hätte der Neue mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Cryan und würde Gefahr laufen. Heftige Kritik wäre auch ihm sicher.  Als sonderlich attraktiv gilt der Posten daher in der Branche nicht. Einige sprechen von einem « Höllenjob».

Entsprechend schwer tut sich Achleitner, einen geeigneten Kandidaten zu finden, der auch kommen will. Er hat sich laut den Berichten bereits einige Körbe einfangen müssen. 

Bereits bei seinem Amtsantritt im Sommer 2015 war klar gewesen, dass der 57-Jährige Cryan ein Chef für den Übergang ist. Durch Charme und Charisma konnte der Brite kaum überzeugen, dafür hatte er sich bei der Schweizer UBS einen Ruf als knallharter Sanierer erarbeitet. Er sollte schonungslos das Frankfurter Geldhaus erneuern und damit die Fehler seiner Vorgänger korrigieren, die vor grossen und wichtigen Einschnitten stets zurückschreckten und damit die Krise des einst so glanzvollen Instituts immer weiter verstärkten.

Schwäche im Investmentbanking

Cryan sollte den Weg frei machen für einen Neuanfang und dann selber gehen. Das war der Plan. Doch Cryan stösst bei seiner Mission auf grossen Widerstand und nicht wenige fürchten, dass er es nicht schafft, die Deutsche Bank in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Es fehlt die Aufbruchstimmung. Die Kosten gehen nur langsam zurück und ein deutliches Ertragswachstum ist nicht in Sicht.

Immer wieder musste Cryan die Anleger vertrösten. Erst vergangene Woche hatte die Bank sie auf ein schwaches erstes Quartal vorbereitet, ausgerechnet im Investmentbanking, der einstigen Paradedisziplin. Entsprechend gross ist der Frust unter den Investoren: «Die Zahlen werden einfach nicht besser», sagt ein enttäuschter Grossaktionär. «So kann es nicht länger weitergehen.» Und ein anderer klagt: «Die Erträge fallen schneller als die Kosten. Die Deutsche Bank schrumpft sich zum Zwerg.» 

Manche glauben, nur ein Wechsel an der Führungsspitze könnte das Institut aus seiner Lethargie befreien und den Wertverfall an der Börse stoppen. Doch welcher Manager könnte das sein?

Interne Nachfolge ausgeschlossen

Für die meisten Investoren steht fest: Er oder sie sollte etwas vom Investmentbanking verstehen. In Deutschland gibt es dafür wenige Kandidaten. So hat sich Aufsichtsratschef Achleitner wohl vor allem im Ausland umgesehen. Laut dem britischen Nachrichtenmagazin «Times» hat der Österreicher, der viele Jahre für die US-Investmentbank Goldman tätig war, den Europachef des Wall-Street-Hauses, Richard Gnodde, angesprochen. Gnodde habe jedoch abgewunken. Auch mit den Chefs der italienischen Grossbank Unicredit und des britischen Finanzhauses Standard Chartered, Jean Pierre Mustier und Bill Winters, sei Achleitner in Kontakt getreten.

Die Deutsche Bank, Unicredit und Standard Chartered wollten keinen Kommentar abgeben, dementierten dies aber auch nicht. 

Eine interne Nachfolge gilt mittlerweile als ausgeschlossen. Einer der beiden Kronprinzen, Ex-Goldman-Banker Marcus Schenck, ist in den Augen vieler Investoren verbrannt. Schliesslich hat er als Chef des Investmentbanking zu verantworten, dass diese wichtige Sparte auf der Stelle tritt. «Das wäre so, als würde man den Bock zum Gärtner machen», heisst es aus dem Umfeld eines mächtigen Aktionärs. Christian Sewing, der ebenfalls als potenzieller Nachfolger gehandelt wird, gilt noch als zu unerfahren und bei den Investmentbankern wenig anerkannt. 

Einem Magazin-Bericht zufolge erwägt Achleitner den früheren UBS-Manager Jürg Zeltner als Nachfolger von Vorstandschef John Cryan. Gespräche mit dem Schweizer seien bereits geführt worden, berichtete der «Spiegel» am Freitag.

Belastetes Verhältnis

Welche Lösung Achleitner favorisiert, ist unklar. Öffentliche Rückendeckung gab er Cryan jedenfalls nicht. Sein Verhältnis zu dem Institutschef gilt als sehr belastet. So wollte Cryan laut «Times» die Bank radikaler umbauen, namentlich das Kapitalmarktgeschäft – einst Gewinnbringer der Bank und heute Sorgenkind. Darüber habe es einen heftigen Streit in der Führungsetage gegeben.

Schon vergangenes Jahr war es wohl zu Spannungen zwischen Cryan und Achleitnergekommen. Damals soll es um den Umgang mit dem Grossaktionär HNA aus China gegangen sein, dem der Brite aus dem Weg ging. 

Doch auch wenn viele unzufrieden mit den Ergebnissen sind, hat Cryan in den vergangenen Jahren Schwerstarbeit verrichtet. Er baute das von teuren Rechtsstreitigkeiten in Mitleidenschaft genommene Institut seitdem um. So integriert er die Tochter Postbankkomplett in den Konzern, um eine stärkere Stellung im deutschen Privatkundengeschäft zu erlangen. Zugleich brachte er die Fondstochter DWS an die Börse, um zusätzliches Kapital einzusammeln.

«Ich bin extrem ungeduldig»

Doch trotz aller Bemühungen, sind wenige Erfolge sichtbar. Konzernchef Cryan weiss, wie schwierig die Lage ist: «Ich bin selbst einer dieser Kritiker und extrem ungeduldig», sagte Cryan kürzlich bei einer Veranstaltung im texanischen Austin. «Aber einen Öltanker zu wenden, benötigt eben seine Zeit.» 

Zeit, die ihm mache Investoren nicht geben wollen. Michael Hünseler von der Fondsgesellschaft Assenagon, die Aktien der Deutschen Bank hält, sagte, ein Wechsel an der Spitze sei wahrscheinlich der richtige Weg. Cryan sei nicht der richtige Mann ist, um die Deutsche Bank mit einer Vision in eine neue Phase zu führen. «Die Wahrscheinlichkeit einer Ablösung vor dem Ende seiner Amtszeit ist gestiegen», so Hünseler. 

Andere Aktionäre warnen jedoch, vor einem verfrühten Abgang des Briten. So fordert Fondsmanager Ingo Speich von Unioninvestment, dass Cryan weiterhin das Institut führen sollte. Ein Wechsel an der Spitze würde den Umbau zurückwerfen. Cryan brauche Zeit. «Die Fehler, die in den vergangenen 20 Jahren gemacht wurden, kann man nicht in zweieinhalb Jahren korrigieren», sagt der Fondsmanager.

Auch andere Aktionäre warnen vor einem Wechsel an einer Spitze, der in der Regel weitere personelle Veränderungen und Umstrukturierungen mit sich zieht. Das Institut würde sich dann wieder vor allem mit sich selbst beschäftigen, statt das Geschäft voranzubringen. Weitere Verlustmeldungen seien dann wahrscheinlich, fürchten sie.

Dieser Text erschien zuerst bei unserer Schwesterpublikation «Die Welt» unter dem Titel «Deutsche Bank such bereits Nachfolge für Cryan».