Seit der gestrigen Vereinbarung sind Griechenlands Chancen auf eine Zukunft im Euro offenbar leicht gestiegen. Die Verhandlungen hätten einen grossen Schritt nach vorne gemacht, analysieren die Ökonomen der UBS heute. Die Gefahr eines Austritt Griechenlands aus dem Währungsraum liege bei rund 40 bis 50 Prozent.

Doch der Weg ist weit, nicht nur weil Griechenlands Premier Alexis Tsipras im Parlament nun eine Mehrheit für die geforderten Massnahmen braucht. Das südeuropäische Krisenland sieht sich vor allem mit vier grossen und grundlegenden Problemen konfrontiert, die im Ergebnis der längsten Verhandlungsrunde der Euro-Zone kaum zur Geltung kommen.

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Beispielloser wirtschaftlicher Einbruch
Griechenlands Wirtschaft liegt am Boden: Seit der Finanzkrise 2008 ist das Bruttoinlandprodukt um rund ein Viertel eingebrochen – der grösste gesamtwirtschaftliche Verlust eines westlichen Industrielandes seit dem Zweiten Weltkrieg. Während viele andere Länder die Krisenverluste mittlerweile deutlich hinter sich gelassen haben (siehe Grafik), konnte Griechenland kaum Boden gut machen.

Nach leichten Erholungstendenzen im vergangenen Jahr, als die Gesamtwirtschaft dank des Tourismus leicht zulegte, droht nun erneut ein Rückschlag: Kapitalverkehrskontrollen und geschlossene Banken haben das tägliche Wirtschaftsleben der Hellenen weitgehend lahmgelegt. Nach einem Minus im ersten Quartal dürfte die Wirtschaft auch im Frühjahr wieder geschrumpft sein – das Land ist also auch nach gängiger Definition wieder in der Rezession.

Rekordhohe Arbeitslosigkeit
Die beispiellose Krise hat tiefe Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen: Nirgends in der Euro-Zone sind mehr Menschen ohne Job als in Griechenland. Mehr als jeder vierte Grieche war zuletzt arbeitslos, zeigen die jüngsten saisonbereinigten Zahlen von Eurostat. Zum Vergleich: In Deutschland betrug die Arbeitslosenquote im Mai lediglich 4,7 Prozent, in der Schweiz 3,2 Prozent.

Hinzu kommt, dass in Griechenland fast drei Viertel der Arbeitslosen schon mehr als ein Jahr eine Stelle suchen. Und für die Jungen ist die Situation besonders schlimm: Mehr als die Hälfte der unter 25-jährigen arbeitet nicht. Viele Griechen schauen sich deshalb im Ausland um, zeigt auch eine Auswertung der Jobsuchmaschine Indeed. Auf der Website ist Griechenland nicht gefragt: Um mehr als ein Drittel sanken Anfang 2015 die Suchanfragen für Jobs in dem Krisenland verglichen mit 2013.

Umgekehrt suchten Griechen auf dem Portal um fast ein Drittel häufiger nach ausländischen Stellen – und zwar besonders oft hierzulande. Die Schweiz gehört zu den fünf beliebtesten Ländern für griechische Jobsucher.

Die ausufernde Staatsverschuldung
Wirtschaftliche Malaise und hohe Arbeitslosigkeit belasten die Staatsfinanzen: Obwohl das südeuropäische Land laut Industrieländerorganisation OECD in den vergangenen Jahren kräftig reformiert hat (der griechische Arbeitsmarkt etwa ist heute liberaler als der deutsche) und das Budgetdefizit 2014 bei weniger als 3 Prozent der Wirtschaftsleistung lag, scheint die Verschuldung kaum tragfähig. Die öffentlichen Verbindlichkeiten liegen mittlerweile bei rund 180 Prozent des BIP: Rund um den Globus weist unter den entwickelten Volkswirtschaften nur noch Japan eine höhere Verschuldung auf.

Noch im Mai 2014 bezeichnete der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenlands Schuldenlage als «kritisch, aber tragbar». Griechenland sei auf Kurs, die Schulden innert acht Jahren von 175 Prozent auf 117 Prozent des BIPs zu senken. Doch diese Hoffnung ist verflogen. Kaum ein Experte glaubt noch, dass Griechenland die gewährten Kredite jemals wieder voll zurückzahlen wird: Zuletzt schien der IWF gar einen Schuldenschnitt zu befürworten, den die Euro-Gruppe jedoch auch in der aktuellen Vereinbarung ablehnte.

Die maroden Banken
Seit über zwei Wochen sind Griechenlands Banken geschlossen – und trotz der gestrigen Einigung sollen die Türen noch bis einschliesslich morgen zu bleiben. Die Banken stecken aber schon lange in der Krise. Seit Monaten überleben sie nur dank dem Geld der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie stellt den Instituten aktuell knapp 90 Milliarden Euro aus ihrem Nothilfetopf zur Verfügung. Immerhin: Das Problem der Banken wurde adressiert, 25 Milliarden Euro aus dem neuen Privatisierungsfonds soll zur Refinanzierung der hellenischen Banken verwendet werden.

Die Banken sind vom normalen Kapitalmarkt abgeschnitten. Doch das Problem ist grundlegender. Das Fundament der Banken ist wackelig: Ein bedeutender Teil ihres Kapitals besteht aus Verlustvorträgen. Das sind Steuerforderungen gegenüber dem Staat, den die Banken zum Eigenkapital zählen dürfen. Somit ist die Zukunft der Banken mit jener Griechenlands verknüpft – und der griechische Staat ist laut Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis bankrott.