Unsere Welt ist ein einziges Klirren. Gläserne Menschen hasten über den Asphalt der Metropolen, geben vieles von sich preis. Zeigen sich transparent, lassen sich durchleuchten. Geben alles, immer, jederzeit zu Höchstleistungen bereit. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmen zunehmend – auch räumlich. Denn bei vielen steht immer auch ein blinkender Bildschirm neben dem Blumenstrauss auf dem Küchentisch, im Gästezimmer flog das Schlafsofa zugunsten eines Pults in hohem Bogen raus. Und wer morgens nicht aus dem Bett kommt, holt sich den Laptop zwischen die Laken.

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Homeoffice ist ein Konzept, das mit der Pandemie gekommen ist, um zu bleiben. Während es unzählige Vorteile mit sich bringt, hat es das Konstrukt Alltag jedoch mächtig ins Wanken gebracht. Für mehr mentale Stabilität ziehen wir jetzt Wände ein – unsichtbare zwar, aber solche, die sich erschnuppern lassen. Solche, die dafür sorgen, Raum und Zeit voneinander zu trennen und unsere ratternden Hirne zu sortieren. Der Wellbeing-Trend Fragrance-Zoning führt uns sanft an der Nase herum – in ein stressfreies, harmonisches Zuhause.

Düfte beeinflussen unsere Stimmung und Produktivität

Im Grunde liest sich dieses aromatische Feng-Shui ganz simpel: Verschiedene Düfte grenzen sowohl Wohnbereiche als auch Phasen des Tages voneinander ab. So darf es im Homeoffice gern anders riechen als im Schlaf- oder Wohnzimmer, wo man nach getaner Arbeit entspannt ein Buch lesen darf. Zudem sollte der Feierabend olfaktorisch anders verlocken, als das Motivationstief am Frühstückstisch mieft. Ein einfacher Trick also, der dabei hilft, zwischen Job und Freizeit, Energie und Ruhe, Müssen und Können zu unterscheiden, denn Düfte beeinflussen – an unserem Bewusstsein vorbei – Stimmung und Wohlbefinden. «Von allen Sinnen wirkt der Geruchssinn am direktesten auf unsere Psyche. Am deutlichsten zeigt sich dieser Effekt in Bezug auf unsere Emotionen und unser Gedächtnis», weiss der Zürcher Fachpsychologe für Psychotherapie Ben Kneubühler.

Ganz so banal verhält es sich dabei natürlich nicht: Geruch ist ein chemischer Reiz. Die Nase fungiert als Tor zu dieser Geruchswelt, ist im Grunde also nur eine Art Kamin, der die eingeatmete Luft zum eigentlichen Sinneszentrum leitet. Am Rezeptor der Riechzelle angekommen, löst der Duftstoff einen elektrischen Impuls aus. Dieser wird im Inneren der Zelle um das bis zu Tausendfache verstärkt und ans Gehirn weitergeleitet. Einer der Informationswege führt von dort direkt zum Sitz der Emotionen, ins limbische System. Das ist die Bühne der grossen Gefühle. Der Erinnerungen. Des Proust- oder auch Madeleine-Effekts. Denn 1910 schrieb der französische Schriftsteller Marcel Proust in seinem Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» über die olfaktorischen Ausschweifungen seines Protagonisten: «Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand (…) durchströmte mich. (…) Und dann mit einem Male war die Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine, die mir am Sonntagmorgen (…) meine Tante Léonie anbot, nachdem sie sie in ihren Tee (…) getunkt hatte.» Gerüche als Zeitkapsel also. Dabei kann uns frisch geschnittenes Gras ebenso an die liebevolle Geborgenheit und Unbeschwertheit der Kindheit erinnern wie Benzin – wenn das Elternhaus in der Nähe einer Tankstelle lag.

Niki Schilling, Leiterin Innovation und Nachhaltigkeit Rituals

Niki Schilling, Leiterin Innovation und Nachhaltigkeit Rituals

Quelle: ZVG

Niki Schilling, Leiterin für Innovation und Nachhaltigkeit bei Rituals, erklärt, wie Raumdüfte eingesetzt werden sollten.

Linda Leitner: Frau Schilling, Hand aufs Herz: Können Düfte tatsächlich unser Wohlbefinden steigern?

Niki Schilling: Auf jeden Fall. Düfte haben die Macht, unsere Gefühle und Emotionen zu verstärken oder sogar zu verändern. 75 Prozent der menschlichen Emotionen basieren darauf, was wir riechen, und nicht etwa darauf, was wir sehen oder hören. Und weil wir fest daran glauben, dass sie es schaffen, die Stimmung zu verändern, Erinnerungen wachzurufen und ein persönliches Statement zu setzen, spielen Düfte bei unseren Produkten eine so wichtige Rolle. Die Nuancen von Orange und Zedernholz unserer Linie The Ritual of Mehr wirken belebend. Unsere Kollektion The Ritual of Jing hingegen enthält beruhigende Inhaltstoffe und Düfte wie Jujube, Lotus und Lavendel. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass dieser Duft die Schlafqualität von uns Menschen positiv beeinflussen kann.

Um weder Nase noch Gehirn zu verwirren: Worauf sollte man beim Fragrance-Zoning in Wohnräumen achten?

Ein schöner Duft verwandelt einen Raum sofort in einen einladenden Rückzugsort. In kleineren Räumen sollten leichtere Düfte verwendet werden. Ich empfehle frische und zarte Noten wie etwa in unserer Cotton-Blossom-Linie der neuen Private Collection Comfort. Bei mehr Wohnfläche können grössere Duftkerzen mit üppigen Aromen verwendet werden, wie zum Beispiel die Düfte aus unserer Rich- oder Comfort-Reihe.

Ihr persönlicher Geheimtipp in Sachen Fragrance-Zoning?

Im Sommer umgebe ich mich gern mit frischeren Düften wie Savage Garden aus der Private Collection oder The Ritual of Karma. Im Winter bevorzuge ich eher reichhaltigere Aromen. Das heisst: Bei der Wahl der Düfte sollte nicht nur der jeweilige Wohnbereich, sondern auch die Jahreszeit berücksichtigt werden.

Duftkerzen oder Diffuser – was eignet sich am besten?

Kerzen machen sich in jedem Raum gut, vorausgesetzt, es ist jemand anwesend. Es wird Sie wahrscheinlich nicht überraschen, dass ich viele Duftkerzen in meinem Haus habe – eine in jedem Zimmer. Ein Diffusor dagegen sorgt für ein konstantes Dufterlebnis und eignet sich hervorragend, um etwa eine einladende Atmosphäre im Flur zu schaffen.

Mit Seife Urlaubserinnerungen wecken

Der deutsche Dichter Friedrich Schiller soll stets mit einem Apfel auf dem Pult geschrieben haben, den er langsam verfaulen liess, weil ihn nur so die Muse küsste. Und auch den Psychologen Ben Kneubühler katapultieren gewisse Aromen gedanklich schneller unter die Palmen als jedes Urlaubsfoto: «Unser Gehirn verbindet Gerüche mit Situationen. Ein Beispiel: Benutzt man in den Ferien eine andere Seife als zu Hause, kommen durch deren Duft im heimischen Badezimmer die Urlaubserinnerungen zurück. Schnuppern Sie doch mal kurz an Sonnencreme …» Quasi auf Knopfdruck durchströmt uns sommerliche Sehnsucht mit einem Schuss frischem Glück. Das Gehirn lässt sich also zweifellos konditionieren und austricksen. Genutzt wird dieses Prinzip auch bei der Behandlung von Demenzerkrankten: Über die dazugehörigen Emotionen können Gerüche Zugang zur verlorenen Erinnerung schaffen.

Von Schiller und vor sich hin rottendem Obst als Stimulans lernen wir: Jede und jeder, ganz wie er oder sie will. Der Duft von frisch gerösteten Kaffeebohnen mag für die einen Wochenende bedeuten, die anderen wähnen sich dadurch bereits im ersten Conference-Call des Tages. Gerüche und ihre Assoziationen sind etwas sehr Individuelles. «Welchen Duft man wofür wählt, hängt ganz von den eigenen Vorlieben ab», so Kneubühler. Dennoch gibt es Noten, denen man nachsagt, uns alle gleichermassen sanft zu triggern und eine bestimmte Gemütslage auszulösen.

Zitrus für den Start in den Tag – Lavendel zum Ausklingen

Um energiegeladen in den Tag zu starten, empfiehlt sich im Badezimmer ein würziger Mood-Booster mit Zitrusnoten, zum Beispiel in Form eines Duschgels, einer Bodylotion oder eines Aromaöls. Spannende Begleitaromen könnten Grapefruit und Wacholder sein. Beginnt dann der Ernst des Lebens – sei es im Büro oder im Homeoffice –, freuen sich Nase und Sinne über eine olfaktorische Motivation in Form von Pfefferminze: Das frische Aroma der grünen Blätter beugt Ermüdungserscheinungen vor. Während Duftkerzen mit ätherischen Ölen wie Kamille, Kiefer und Salbei Nervosität und Stress mildern, wirkt der Geruch von Rosmarin konzentrationsfördernd und regt die Gedächtnisleistung an. Wollen Körper und Geist abends zur Ruhe kommen, helfen entspannende Schwaden an Lavendel, uns in den Schlaf zu lullen. Ausserdem: Dürfen Samstag und Sonntag vielleicht ganz anders riechen als der Rest der Woche?

Die jeweiligen Bedürfnisse und Lebensbereiche lassen sich umso besser abgrenzen, je distinguierter die Aromen sind. So schweben sie als stumme Wegweiser für die fragilen Nasen gläserner Menschen durch unser Zuhause – ganz inkognito als wohltuender Harmoniebooster. Laptop zu, neue Kerze an.

Dieser Artikel erschien zuerst im Bolero Magazin unter dem Titel: «Die Nase als Grenzgängerin».