Frauen sind heute in Spitzenjobs noch immer unterrepräsentiert. Gerade die Schweiz schneidet im europäischen Vergleich besonders schlecht ab. Laut einer Untersuchung der Geschlechtervielfalt in den 600 grössten europäischen Firmen – darunter 50 Schweizer – gibt es hierzulande gerade einmal zwei weibliche CEOS, in den Geschäftsleitungen sind 11 Prozent Frauen, in den Verwaltungsräten sind es 26 Prozent. 

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Dass dieser Zustand nichts mit mangelnder Kompetenz zu tun ist, ist klar. Im Gegenteil: Frauen sind die besseren Führungskräfte. In 17 von 19 Leadership-Kompetenzen schneiden sie besser ab als Männer, insbesondere in punkto Eigeninitiative, Belastbarkeit, Selbstentwicklung, Ergebnisorientierung sowie Integrität und Ehrlichkeit.

Das zeigt eine Auswertung tausender sogenannter 360-Grad-Beurteilungen – Feedbacks von Mitarbeitern, Vorgesetzten, Kollegen und Kunden – des amerikanischen Beratungsunternehmens Zenger Folkman, erschienen in «Harvard Business Review». 

Männer hingegen werden nur bei zwei Fähigkeiten besser bewertet als Frauen: bei der Entwicklung einer strategischen Perspektive und bei der fachlichen oder beruflichen Kompetenz. 

Frauen sind selbstkritischer

Zudem bewerten sich Frauen selbst nicht so grosszügig: Bei der Selbsteinschätzung schneiden sie schlechter ab als ihre männlichen Kollegen – vor allem jüngere Frauen unter 25 Jahren. Frauen tendieren dazu, ihre Leistung kritischer einzuschätzen, während Männer allzu selbstbewusst sind und sich für kompetenter halten, als sie tatsächlich sind.

Der Grund ist mangelndes Selbstvertrauen, das jedoch mit zunehmendem Alter steigt. Im Alter von 40 Jahren gleichen sich die Vertrauenswerte beider Geschlechter an. Während Männer nur 8,5 Prozentpunkte an Selbstvertrauen von 25 bis 60 oder älter hinzugewinnen, steigt es bei Frauen um 29 Prozentpunkte.

 

Dies erklärt auch, warum Frauen sich eher nicht auf Jobs bewerben, für die sie sich nicht hundertprozentig qualifiziert fühlen. Bei Beförderungen läuft es ähnlich ab: Haben Männer und Frauen die identische Qualifikation, aber keine Führungserfahrung, wird sich eine Frau eher zurückhalten. Männer hingegen trauen sich eher zu, den Schritt in eine höhere Position zu gehen und Wissenslücken oder fehlende Kompetenzen «on the job» zu lernen.

Bei Einstellungen und Beförderungen spielt zudem eine unbewusste Voreingenommenheit mit. Dieser sogenannte «unconscious bias» erklärt auch, warum heute immer noch weniger Frauen in Führungspositionen sind.

Frauen sind hochkompetente Führungskräfte, schliesslich bestätigen es diejenigen, die am engsten mit ihnen zusammenarbeiten, so die Autoren. Insbesondere von ihren Vorgesetzten, vor allem den männlichen, werden Frauen besser bewertet als Männer, und zwar über Hierarchiestufen und Jobfunktionen eines Unternehmens hinweg. 

Mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten

Demnach ist es nicht der Mangel an Fähigkeiten, der Frauen zurückhält, sondern ein Mangel an Möglichkeiten. Wenn Frauen diese Möglichkeiten zu bekommen, sind sie in Führungspositionen genauso erfolgreich wie Männer.

Die Lösung: Bei Rekrutierungen und Beförderungen müssen die Verantwortlichen hinterfragen, ob sie Frauen tatsächlich die gleichen Chancen geben wie Männern. Zudem müssen Unternehmen Frauen mehr unterstützen, gerade männliche Führungskräfte sollten Frauen in ihrer Kompetenz bestärken und zu einer Beförderung ermuntern.