Der Ruf ertönt: Mehr Emotionen im Führungs- und Unternehmensalltag! Man brauche das wegen der Generation Z und dem aktuellen Fachkräftemangel. Die NZZ schreibt, dass Führungskräfte emotionaler sein müssten und Gefühle in Unternehmen mehr Platz haben sollten. Warum überhaupt? Sind wir plötzlich alle emotionslose Wesen geworden, die als versteinerte digitale Beinahe-Roboter nur noch aufgabengetrieben sind? Müssen wir emotional gegensteuern, da es in Betrieben an Gefühlen fehlt? Mitnichten!

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Den Emotionstrend gab es in den 1990er Jahren schon einmal. Er schwappte aus den USA als «emotionale Intelligenz» und «emotionale Führung» zu uns rüber. Damals im Trend: die Bücher von Daniel Goleman. Heute im Trend: dieselben Gedanken.

Was aber steckt hinter der Forderung? «Mehr Emotionen, bitte!», heisst es. Okay, aber wie soll das gehen? Sind introvertierte Menschen, die ungern ihr Innenleben preisgeben, die schlechteren Führungspersonen als extrovertierte, die jeden Tag etwas Neues anreissen? Weder noch – beide funktionieren auf ihre Weise und können eine wirksame Führungskraft sein.

Kommt hinzu: Es gibt nicht nur positive Emotionen. Da wird seinem Ärger ungebremst Luft gemacht und die Kollegin angemotzt. Neid, Missgunst, Frustration oder Enttäuschung – sie alle würden am Arbeitsplatz ebenfalls ausgedrückt. Negative Emotionen gibt es genauso, nur leider ist ihr Einfluss noch um einiges stärker. Und vor allem schlechter.

Klar ist: Führungskräfte müssen authentisch sein, denn echt sein fördert Vertrauen. Es macht berechenbar und managebar. Aber Menschen sind unterschiedlich, und niemand ist perfekt. Jeder und jede hat Ecken und Kanten – auch in den Chefetagen. Was aber trotz der Unterschiede dort nichts zu suchen hat, sind Extreme. Ein Choleriker oder eine Dramaqueen müssen sich zusammenreissen in Sachen Emotionen ausleben. Ein ruhigerer Chef hingegen sollte manche Emotion bewusst ansprechen.

Nicht zu vergessen: Studien haben gezeigt, dass Methoden- und Fachkompetenz wichtiger sind, um komplexe Probleme zu lösen. Und auch, dass bei ausgeprägter Sozialkompetenz die Teammitglieder nicht, wie erwartet wurde, zufriedener und glücklicher sind. Wir sollten also aufpassen, Unternehmen nicht mit einer Selbsthilfegruppe oder Therapiesitzung zu verwechseln, sondern uns auf die Basics besinnen: die elementaren Manieren der Zusammenarbeit. Das ist professionell und hat mit gelebtem Respekt zu tun. 

Wer nämlich fair und korrekt zusammenarbeitet, zieht mit seinen Kolleginnen und Kollegen am gleichen Strang. So werden die gesetzten Ziele erreicht. Und bekanntlich hängt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden nicht vom fröhlichen Miteinander ab – sondern vom erzielten Ergebnis.