Im derzeitigen Weltkrisentheater der tiefen Ratlosigkeit fehlt es nicht an gescheiten Experten mit weit auseinander driftenden Erklärungen. An der ganzen Misere sind die Anführer schuld, aber warum diese so versagt haben, weiss selbst Managementberater Jim Collins nicht.

Bullshit regiert, selbst der naivste Beobachter registriert, dass noch mehr als sonst gelogen und getäuscht wird und die Voten und Positionsbezüge der Bosse die Luft nicht wert sind, die es braucht, sie zu generieren.

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So ist man geneigt, dem düsteren Nouriel Roubini zu glauben, der ein weiteres Abgleiten ins Jammertal vorhersagt und einen L-förmigen Verlauf der Weltwirtschaft befürchtet. Dabei hat die Schrumpfung erst begonnen.

Auch der Blick in den lokalen Tragikomödienstadel weckt wenig Zuversicht. Das richtungslose Gestammel aus Ausserrhoden weckt Mitgefühl. Ob der Bundesrat aus Unfähigkeit oder wegen Systemschwäche nur reagiert und nicht agiert, darf diskutiert werden.

Gut, stehen noch Veteranen in Reserve bereit; das hat Tradition. Wenn es bei römischen Schlachten wirklich brenzlig wurde und die beiden ersten Reihen gefallen waren, hiess es «res ad triarios venit». Dann kam die dritte Reihe zum Einsatz, eine Art Volkssturm, so wie der, der jetzt im Verwaltungsrat einer staatstragenden Grossbank Einsitz nimmt. Diese gegerbten römischen Kämpfer hatten schon viele Verletzungen hinter sich, wenn auch keine Fastzerstörung eines Finanzkonzerns.

Allein der nach mehreren Durchblutungsstörungen des Gehirns immer noch unfehlbare Herr Ratzinger wäre noch eine verlässliche Grösse, ist aber möglicherweise doch nicht der richtige Berater für die reibungslose Abschaffung des Bankgeheimnisses.

So wenden sich, wie ich dem «Tages-Anzeiger» entnehme, die Banker eben der Astrologie zu und werden wohl künftig ihre Strategien den planetaren Zyklen anpassen. Die Astrologin kann zum Glück meistens helfen und doziert vor Kunden von Kantonalbanken und vor höheren Kadern. «Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode», sagt Polonius über Hamlets Agieren.

In diesem Tollhaus wären Anführer gefragt, die diese Bezeichnung verdienen. Da aber selbst das Tun von Obama in der «NZZ» Stirnrunzeln hervorruft, suche ich bei Abenteurern nach Führungsqualitäten.

Der Polarforscher Ernest Shackleton, «der grösste Führer, der je auf Erden gelebt hat», oder John Hunt, der Leiter der Everest-Expedition von 1953, hatten keine politischen Karrieren hinter sich, in denen alle Ecken und Kanten abgeschliffen wurden und das Lavieren zum Handlungsstil wurde. Sie gingen voraus und führten von der Front her. Shackleton nahm die Schwächsten seiner Mannschaft in seine eigene Gruppe und spornte sie zu Höchstleistungen an. Hunt trug selber Lasten bis auf eine Höhe von 8400 Metern. Beide teilten mit ihren Männern alles und genossen keinerlei Privilegien. So arbeitete jeder mit jedem, miteinander und nicht gegeneinander.

Echten Führern ist unerschütterlicher Optimismus eigen. Napoleon hielt fest: «Ein Führer handelt mit Hoffnung.» Die Zuversicht hielt Shackleton und Hunt nicht davon ab, auch schlechte Nachrichten ungeschminkt zu vermitteln, so waren sie glaubhaft, verlässlich und schafften Vertrauen. «Die Lüge ist unerträglich, moralisch wie ästhetisch», schrieb Thomas Mann, sie existiert im Repertoire guter Führer nicht. «Quitting is leading too», sagte Mandela. Shackleton und Hunt konnten auch umkehren, so wie all die Bergsteiger, die noch am Leben sind. Sie verloren keinen einzigen Mann. Den Tapferen mit dem Mut zum Rückzug hilft eben auch das Glück.

Die Werkzeuge der Führungskunst grosser Männer waren Humor, Grosszügigkeit, Intelligenz, Stärke und Anteilnahme. «They don’t make men like that any more», hörte ich einmal von einem alten Briten am Chimborazo, dem höchsten Berg in Ecuador. Wir könnten aber doch noch von diesen Alten lernen.

Prof. Dr. med. Oswald Oelz war bis Ende Juli 2006 Chefarzt für Innere Medizin am Triemli-Spital Zürich. Der Bergsteiger und Buchautor liess sich mit 63 Jahren pensionieren.

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Adrenalin, Bullshit und Chemotherapie.

Texte von Oswald Oelz von A wie «Adrenalin» über H wie «Heldentaten» bis Z wie «Zu guter Letzt».

Obwohl Oelz mit seinen Ideen ansteckend wirkt, ist er weder Missionar noch Rezeptverkäufer. Er drängt sein Leben niemandem auf. Was fasziniert und anspricht, ist der nüchterne Blick des Doktors auf die menschliche Existenz, gepaart mit den Erfahrungen am Berg. Was er schreibt, ist unverstellt hart und wirkt gerade dadurch befreiend und tröstlich. «Glasklar erlebt man das Leben. Und ebenso glasklar den Tod.»

Gebunden, 168 Seiten

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