Mysteriös und zugeknöpft: So pflegten sich Notenbanker früher zu geben. Denn Geldpolitik war ein wenig zugängliches Thema, eines für eingeweihte Kreise. In den öffentlichen Diskurs fand es wenig Eingang. Entsprechend wurde das Handeln der Zentralbanken nicht von einer breiten Öffentlichkeit beobachtet und beurteilt. Diese Zeiten sind vorbei, Zentralbanken stehen im öffentlichen Fokus. Heute äussern sich Jordan, Yellen, Draghi und Co. regelmässig.

Das Paradebeispiel des unverständlich sprechenden Notenbankers ist Alan Greenspan, Fed-Chef von 1987 bis 2006. «Seit ich Notenbanker geworden bin, habe ich gelernt, in grosser Zusammenhangslosigkeit zu murmeln», sagte er einst vor dem US-Kongress. Er fügte an: «Wenn ich Ihnen über Gebühr klar erscheine, müssen Sie falsch verstanden haben, was ich gesagt habe.»

Greenspan war mit seinem Gemurmel in bester Gesellschaft. «Never explain, never excuse», lautete das Motto von Montagu Norman, dem englischen Notenbank-Gouverneur von 1921 bis 1944. «Sag' möglichst wenig und sei unklar», habe die Losung früher gelautet, sagte der heutige Nationalbankpräsident Thomas Jordan 2007 in einer Rede. Ein Argument sei gewesen, dass Intransparenz vor politischen Druckversuchen schützen könne. Ein anderes, dass eine grössere Wirkung erzielt werden könne, wenn die Märkte überrascht würden.

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Überraschung trotz Transparenz

Letztes Jahr wurde klar, dass auch Jordan die Märkte überraschen kann - trotz aller Transparenz. Mit der Aufhebung des Mindestkurses hatte kaum einer gerechnet. Gelegentliche Überraschungen seien nicht ausgeschlossen, auch bei einer transparenten Geldpolitik, hatte Jordan 2007 in seiner Rede gesagt. Sie dürften sich allerdings nur selten ereignen.

Denn im Grunde ist Vorhersehbarkeit heute ein wichtiges Prinzip für Zentralbanken. Bis es soweit war, bedurfte es allerdings einer eigentlichen Kommunikationsrevolution. Diese fand zwischen dem Ende der 1980er-Jahre und den Jahren nach der Jahrtausendwende statt.

Dass die Notenbanker zu reden begannen, lag nicht an deren verändertem Naturell. Auch nicht am Wunsch, sich gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären. Kommunikation wurde für Zentralbanken vielmehr zu einem zentralen Instrument, um ihre Ziele zu erreichen.

Erwartungen steuern

Bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) heisst das Ziel stabile Preise, also weder eine zu hohe noch eine negative Inflation. Ein wichtiger Weg, die Inflation zu steuern, ist die Erwartungen zu steuern. Die Inflationserwartungen seien einer der Schlüsselfaktoren der Teuerungsentwicklung, sagte der ehemalige Fed-Gouverneur Frederic Mishkin 2007.

Die Zentralbanken steuern diese Erwartungen mit Kommunikation. Das ist der Grund für die oft etwas einstudierten Wendungen, trockenen Reden und immer gleichen Formulierungen. Macht Fed-Chefin Yellen nur leicht präzisere Aussagen zur kommenden Zinserhöhung, hat dies Auswirkungen auf die Börsenkurse weltweit.

Und prognostiziert die SNB eine negative Inflation, dann rechnen Beobachter schweizweit mit einer expansiven Geldpolitik. Denn schliesslich strebt die SNB eine Inflationsrate an, die grösser als null, aber kleiner als zwei Prozent ist. Seit 1999 richtet die SNB ihre Geldpolitik nach der eigenen Inflationsprognose - und seither ist diese Prognose eines der wichtigsten Kommunikationsinstrumente der Nationalbank.

Schwer zu vermitteln

Zuvor hatte die Notenbank Ziele für die Geldmenge formuliert und ihre Geldpolitik danach gerichtet. Dieses Konzept wurde jedoch auch deshalb aufgegeben, weil es der Öffentlichkeit schwierig zu vermitteln war. Die tatsächliche Geldmenge wich oft stark von den formulierten Zielen ab, was die Ziele wenig glaubwürdig machte.

Vor der Ära der Geldmengenziele, im Bretton-Woods-System mit seinen fixen Wechselkursen, hatte es wenig Anlass gegeben, die Öffentlichkeit zu informieren. Der Franken war an den Dollar gekoppelt, der Wechselkurs und damit das Ziel der Geldpolitik klar definiert. Es musste nicht erläutert und erklärt werden wie die Geldmengenziele und die Inflationsprognose.

Entsprechend führte die SNB ihr erstes Pressegespräch 1974 durch - ein Jahr nachdem die Schweiz zu flexiblen Wechselkursen übergegangen war.

(sda/ccr)