Emotionen, Verletzlichkeit, Gefühle – das Privatleben hält zunehmend Einzug in den Arbeitsalltag. Während der Austausch persönlicher Geschichten unter Kollegen und Kolleginnen gang und gäbe ist, häufen sich mittlerweile auch Beispiele von Führungspersonen, die ihre Schicksalsschläge mit ihren Unterstellten teilen. Auch Experten verbreiten die Ansicht, dass private Tabuthemen angesprochen werden dürfen, da sie Nähe und Vertrauen schaffen – über Hierarchiestufen hinweg. Doch gerade aus Führungssicht ist es ein schmaler Grat zwischen dem Teilen und dem Zurückhalten von privaten Geschichten.

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Treten Mitarbeitende mit privaten Sorgen an ihre Vorgesetzten heran, ist das primäre Gebot Zuhören. Hier zeigt sich wahre Empathie. Klar, das ist nicht immer einfach. Denn Zuhören ist eine Kunst, die gelernt sein will; intuitiv möchte man ständig antworten, dass man die Situation kenne und verstehe. Erschwerend kommt hinzu, dass die Chefin ihre Angestellten täglich im Büro sieht – manchmal trifft man die Mitarbeitenden öfter als die eigene Familie. Diese regelmässigen Begegnungen schaffen eine Vertrauensblase und lassen die Erwartungshaltung entstehen, dass man auch im Büro über sein Privatleben diskutieren darf. Die Chefin mutiert zur vermeintlichen Psychologin.

Doch genau das ist sie nicht. Es ist nicht ihre Aufgabe, einem Mitarbeiter Lösungswege für dessen private Probleme aufzuzeigen. Sind die Probleme so gross, dass sie die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters beeinträchtigen, sucht die Vorgesetzte gemeinsam mit ihm Ansätze, wie er trotzdem effizient und fokussiert arbeiten kann. Das mag auf den ersten Blick emotionslos erscheinen, stellt aber für viele eine dringend benötigte Ablenkung dar.

Die Grenze liegt bei intimen Details aus dem Privatleben

Schwieriger ist für Führungspersonen die andere Seite: das eigene Privatleben für sich zu behalten. Wenn es zu Hause rumort und die Zeichen auf Sturm stehen, muss man im Büro trotzdem Positivität und Optimismus signalisieren. Das ist anstrengend, aber auch gelebte Professionalität. Eine Führungsperson muss es schaffen, die eigenen Gefühle im Zaum zu halten und die Arbeitswelt vom Privatleben zu abstrahieren. Denn die eigene Autorität basiert auf einer gewissen Distanz und dem Respekt, der durch souveränes und professionelles Auftreten entsteht.

Was komplett fehl am Platz ist, sind intime Details aus dem Privatleben. Teilt der Chef mit dem Team seine Diätpläne, erzählt die Vorgesetzte freimütig von ihrem Dating-Leben oder heischt der Direktor mit seinen sportlichen Leistungen nach Anerkennung, löst das bei der Belegschaft Stirnrunzeln aus. Darunter leidet das Ansehen. Im Extremfall lösen solche Details Fremdscham aus und führen zu Respektverlust.

Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen. Dazu gehören beispielsweise Schicksalsschläge wie der Tod eines nahen Verwandten. Hier lauert die Gefahr, dass einer Führungsperson eine solche Situation über den Kopf wächst. Dann helfen einige Tage Auszeit. Kommt sie zurück an die Arbeit, folgen zwangsläufig Fragen aus der Belegschaft. Das Erlebnis mitzuteilen, ist hier Teil der Transparenz und löst Verständnis aus.