In einer Planwirtschaft übernimmt der Staat die zentrale Steuerung aller wirtschaftlichen Aktivitäten. Aus guten Gründen gilt dieses Modell heute als überholt. Der Staat kann sich niemals das Wissen aneignen, über das unzählige Wirtschaftsakteure verfügen. Insbesondere kennt er deren Präferenzen nicht: Wie viel ist Konsumenten ein Produkt wert? Wünschen sich Arbeitnehmende mehr Lohn oder mehr Freizeit? Investiert eine Pensionskasse lieber in der Schweiz oder in den USA? Die Wirtschaft ist das Ergebnis von Millionen von individuellen Entscheiden der einzelnen Akteure. Kein Wunder also, dass zentrale Planung rasch an ihre Grenzen stösst. Viel effizienter ist es, wenn sich alle Wirtschaftsakteure an den Preisen orientieren, die sich im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bilden.
Trotzdem zeigt sich in aktuellen Diskussionen: Bei Fragen der Aussenwirtschaft beginnen selbst marktwirtschaftlich orientierte Ökonomen mit Planspielen. Ungleichgewichte in den Leistungs- und Kapitalbilanzen – etwa dass Amerikaner über ihre Verhältnisse leben und sich dies von ausländischen Geldgebern finanzieren lassen – werden kritisch beäugt, da Korrekturen potenziell rasch und turbulent verlaufen können. Rasch werden Lösungen skizziert, wie sich diese Ungleichgewichte abbauen liessen: Die US-Konsumenten sollen den Gürtel enger schnallen, die Europäer und insbesondere die Deutschen hingegen mehr konsumieren, und zwar vorzugsweise amerikanische Rüstungsgüter. Und die Chinesen wiederum sollen endlich häufiger ins Kino gehen und so den Binnenkonsum fördern. Um diese Ziele zu erreichen, werden konkrete Massnahmen vorgeschlagen, zum Beispiel US-Zölle auf ausländische Waren, eine höhere Staatsverschuldung in Deutschland und der Ausbau des Sozialstaates in China.
Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.
Was ist von solchen Strategien und politischen Handlungsempfehlungen zu halten? Sie offenbaren eine Selbstüberschätzung, die den sowjetischen Zentralplanern nicht unähnlich ist. Wie reagieren amerikanische Konsumenten auf Zölle – kaufen sie nun tatsächlich amerikanische statt deutscher Autos? Verkaufen Investoren europäische Staatsobligationen, wenn sich die Länder weiter verschulden? Lassen sich chinesische Bürger tatsächlich davon überzeugen, weniger zu sparen? Eine Abschätzung ist kaum möglich. Die Erfahrung lehrt nur, dass Wirtschaftsakteure flexibel sind und sich lieber rasch an neue Begebenheiten anpassen, als ihre Präferenzen zu ändern. Nur mit massiven Staatseingriffen liessen sich ihre Anreize und damit die globalen Ungleichgewichte tatsächlich reduzieren.
Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass der Staat auch in modernen marktwirtschaftlichen Volkswirtschaften längst grossen Einfluss nimmt, sei es durch die Fiskalpolitik, mit Subventionen oder Sozialtransfers. Und über die Geldpolitik wirkt der Staat auf zwei sehr fundamentale Preise der Wirtschaft ein: den Zins und den Wechselkurs – beide zentral für aussenwirtschaftliche Gleichgewichte.
Doch ist noch mehr staatliche Steuerung die Antwort? Wenn Staaten die Interventionsspirale weiterdrehen, um bestehende Ungleichgewichte mit weiteren Eingriffen und Vorgaben zu reduzieren, sollten wir uns nicht wundern, wenn auch die Ergebnisse zunehmend an sowjetische Verhältnisse erinnern werden – und die politische Freiheit ebenfalls unter Druck kommt. Gerade Ökonomen müssten sich dessen immer bewusst sein und auch in aussenwirtschaftlichen Fragestellungen nicht der Versuchung erliegen, dass sie als Ingenieure die Welt im Detail planen und steuern könnten.