Im chinesischen Tierkreiszeichen sind die Schlangen ein Symbol für Weisheit. Sie beobachten stets das Geschehen um sie herum, sind eher zurückhaltend, schliessen aber feste Freundschaften. Mit Freundschaften ist es jedoch so eine Sache im aktuellen geopolitischen Kontext. In den letzten 20 Jahren hat sich das Verhältnis zwischen China und Europa wirtschaftlich dynamisch, aber zunehmend komplex entwickelt. Anfang der 2000er-Jahre herrschte Aufbruchstimmung: Nach Chinas WTO-Beitritt öffnete sich das Land für ausländische Investoren, europäische Unternehmen profitierten von günstigen Produktionsbedingungen und einem schnell wachsenden Absatzmarkt. China wurde zur Werkbank der Welt, Europa zum wichtigen -Handelspartner – insbesondere in den Bereichen Automobile, Maschinenbau und Konsumgüter.
Ab etwa 2013 änderte sich das: Die Euphorie wich wachsender Vorsicht. Europäische Firmen beklagten einen ungleichen Marktzugang, einen erzwungenen Technologietransfer und eine immer stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft. Gleichzeitig investierte China massiv in Europa, insbesondere in Infrastruktur, was politisch nicht überall willkommen war. Themen wie -Menschenrechte, wirtschaftliche Sicherheit und strategische Abhängigkeiten prägen den Dialog. Das Investitionsabkommen CAI liegt seit 2021 auf Eis.
Pascal Schuler ist Länderchef Schweiz von Fidelity International.
Als profunde Kenner der Volkswirtschaft Chinas mit über 120 Analysten vor Ort kennen wir die Eigenheiten des lokalen Marktes sehr gut. Für uns ist klar: China als globaler Produzent ist hier, um zu bleiben. Das Innovationstempo in China ist -unvermindert hoch und überflügelt sämtliche westlichen Volkswirtschaften um ein Vielfaches. Zwischen 2000 und 2023 ist Asiens Anteil an den weltweiten F&E-Investitionen von 25 auf 46 Prozent gestiegen, der Anteil von China allein wuchs im selben Zeitraum von 4 auf 26 Prozent.
Trotz Deglobalisierungstendenzen seit der Pandemie und Misstönen zwischen den USA und China ist die fernöstliche Volkswirtschaft wieder im Aufwind. Chinas finanzielle -Schlagkraft zeigt sich zudem sowohl in seiner relativ moderaten Staatsverschuldung als auch in seiner Rolle als einem der grössten Gläubiger der USA. Trotz der zunehmenden fiskalischen Herausforderungen liegt Chinas staatliche Schuldenquote laut internationalen Schätzungen bei rund 80 bis 90 Prozent und somit deutlich unter den Werten vieler -westlicher Industrieländer. Zudem hält China seit Jahren -erhebliche Bestände an US-Staatsanleihen, zuletzt über 750 Milliarden Dollar, und unterstreicht damit seinen Einfluss auf die globalen Finanzmärkte.
Bei dem vom US-Präsidenten Donald Trump losgetretenen Zollstreit, der sich zunächst sehr stark gegen China richtete, hielt die Welt den Atem an. Aber die jüngste Entwicklung, sprich die Zollvereinbarungen zwischen den beiden Ländern, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wie eine dauerhafte Lösung nach der 90-Tage-Frist aussehen wird, bleibt abzuwarten. So oder so dürfte das Niveau der Zölle allerdings steigen.
Um China wird keine Volkswirtschaft und kein Investmentportfolio herumkommen.
Chinas Wirtschaft stehen zweifellos noch Herausforderungen bevor. Abgesehen von geopolitischen Fragen bleibt das Konsumentenvertrauen die Achillesferse des Landes. Der Umbau der eigenen Wirtschaft weg von einem rein exportorientierten Modell hin zu mehr Binnennachfrage ist weiter in vollem Gange. Doch während die USA derzeit in chaotischen und unsicheren Zeiten leben, fällt der Blick nach Osten aus europäischer Sicht unter dem Strich vielversprechend aus. Um China wird keine Volkswirtschaft und kein Investmentportfolio herumkommen. Und 2026 steht das Jahr unter dem chinesischen Tierkreiszeichen des Pferdes. Dieses steht für Energie, Freiheit, Abwechslung und soziale Lebhaftigkeit. Freuen wir uns darauf!