Die Welt nach Corona Titel BILANZ

Wirtschaft, Politik, Arbeit: Wie die Pandemie alles verändern wird

Von Marc Kowalsky
am 06.05.2020 - 15:27 Uhr
Quelle: Keystone, Shutterstock, Getty Images, Ivo Scholz/swiss-image.ch, Stefan Albrecht/PR

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Wenn die Welt aus dem Corona-Koma erwacht, wird sie eine andere sein: Neue Realitäten entstehen, bestehende Trends beschleunigen sich massiv.

Erinnern Sie sich noch an Greta? Von der schwedischen Umweltaktivistin hat man seit Monaten nichts gehört (ausser ihrer eigenen Vermutung, auch sie sei an Covid-19 erkrankt gewesen).

Die Medien schenken ihr keine Aufmerksamkeit mehr, in der Bevölkerung ist die biologische Angst derzeit grösser als die Öko-Angst.

Die «Fridays for Future»-Streiks sind ausgesetzt, der «Earth Day» im April, an dem Massenveranstaltungen rund um den Globus geplant waren, fand nur noch virtuell statt, der «Strike for Future» in der Schweiz, geplant für den 15. Mai als grösste Klimakundgebung seit Beginn der Bewegung, ist abgesagt, ebenso wie die Klimakonferenz im November 2020 in Glasgow.

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Doch nicht nur deswegen wird die Ökologiebewegung einer der grossen Verlierer der Pandemie sein.

Einen «Green New Deal» wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abschliessen, jetzt setzt die EU das Geld ein, um die Wirtschaft zu retten: bislang 440 Milliarden Euro, doch die Rede ist von Billionen.

Zwoelf neue Ladestationen fuer Elektroautos hat es an der Gotthard Raststaette an der Autobahn A2 in Erstfeld am Montag, 27. August 2018. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Foto: Keystone
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Plastik und Co. erwiesen sich als unverzichtbar

Umweltschutz ist da nicht mehr prioritär. Kommt hinzu: Was sich Greta und ihre Anhänger erträumten, eine Welt ohne Flugverkehr und rauchende Industrieschornsteine, ist jetzt auf weiten Teilen des Planeten eingetreten – und die wenigsten Menschen finden daran Gefallen.

Was die Klimajugend hingegen verteufelt, hat sich als unverzichtbar erwiesen: Plastik für Verpackungen, Handschuhe zum Schutz gegen Keime, Luftfahrt, Containerschiffe und Lastwagen für Lieferketten, Atom- und Kohlekraftwerke für Energiesicherheit.

Der öffentliche Verkehr gilt plötzlich als Virenschleuder und damit als Risikofaktor, wer überhaupt noch ins Büro fährt, benutzt jetzt tendenziell lieber das Privatauto. Das dürfte auch erst mal so bleiben: «Der Public Transport wird nicht mehr zurückkommen wie zuvor», sagt Joris D’Incà von Oliver Wyman.

Klar ist: Ein von der Krise gebeutelter Selbstständiger wird den Kauf eines neuen Elektroautos jetzt zweimal überdenken. Eine Kreuzfahrtgesellschaft am Rande des Konkurses hat erst mal andere Sorgen, als auf schwefelarme Antriebe umzustellen.

Ökologie steht nicht mehr oben auf der Agenda

Das ökologisch reine Gewissen muss man sich auch leisten können, Nachhaltigkeit war besonders in reichen Gesellschaften und zu den wirtschaftlich guten Zeiten ein Anliegen. Klar ist jedoch auch: Verschwunden ist das Thema Ökologie aus der Agenda damit nicht. 

Zu viel haben die Staaten und die Firmen schon in die Energiewende investiert, die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens bleiben bindend. Nur eben ganz oben in der Agenda steht das Thema vorerst nicht mehr.

Denn viel wichtiger ist erst einmal die Bewältigung der Wirtschaftskrise. Die meisten Ökonomen rechnen nicht mehr mit einem V-förmigen Verlauf (steiler Absturz, danach ebenso steile Erholung), sondern mit einem L-förmigen (noch steilerer Absturz, danach langes Siechtum).

Denn schliesslich sind sowohl die Angebots- wie auch die Nachfrageseite eingebrochen, hinzu kommt der Strukturwandel durch die Digitalisierung. Der Wachstumsmotor der letzten zwei Jahrzehnte, China, ist ins Stottern gekommen.

22 Millionen Menschen haben sich in den USA seit Ausbruch der Krise neu arbeitslos gemeldet, pro Woche kommen weitere fünf bis sechs Millionen dazu.

Und in Europa wird es anders als nach den beiden Weltkriegen keine Roaring Twenties und kein Wirtschaftswunder geben, weil nichts zerstört wurde, was wieder aufgebaut werden muss. «Die Themen Arbeitslosigkeit und Wohlstandsreduktion werden uns noch sehr lang begleiten», sagt Joris D’Incà.