Jean-Claude Biver, aka JCB, ist fraglos eine der profiliertesten Persönlichkeiten im Uhrenland Schweiz. Keiner hat mehr Berge versetzt als er. Er hat Blancpain zu neuem Leben erweckt (und 1992 an die Swatch Group verkauft), dann Omega: Das mit James Bond war seine Idee, Markenbotschafter wie Cindy Crawford einzuspannen, ebenfalls. Er hat Hublot mit der Big Bang wieder gross gemacht und sie im Fussball, in der Formel 1 und im Segelsport eingepflanzt. Am Ende seiner Karriere war er der Boss-Boss über Hublot, TAG Heuer und Zenith – alle im Besitz des französischen Luxuskonzerns LVMH. Ende 2018 zog er sich zurück; nicht wegen des Alters, sondern weil seine Gesundheit es forderte.  

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Der Ruhestand tat seiner Physis gut, seine Psyche hatte gelitten. «Ich habe mich gefühlt wie ein toter Mann», antwortet er auf die Frage, warum er jetzt, mit 73 und mit all den Meriten, nun auch noch seine eigene Uhrenmarke herausbringe. 

Er macht es nicht allein, sondern mit seinem Sohn Pierre, der demnächst 23 Jahre alt wird. Angekündigt vor knapp einem Jahr, wird die «Biver» am 26. März lanciert. Ohne die Uhr gesehen zu haben: Das Herausragende an ihr ist meines Erachtens nicht sie selbst – Tourbillon und Minutenrepetition können auch andere. Das Herausragende an der «Biver» sind die beiden Bivers: der Alte, der alles weiss, vieles richtig gemacht hat und damit sehr erfolgreich war, und der Junge, der seine anvisierte Karriere als Ökonom hat sausen lassen, um mit dem Vater dessen Traum zu verwirklichen. 

Impulsiv, laut und sprudelnd der eine, leise, gelassen, schier stoisch der andere, sitzen Vater und Sohn miteinander vor einem Bildschirm, lachen in die Kamera und warten auf die erste Frage: 

Pierre, von aussen wirkt es ziemlich mutig, dass Sie sich mit so einem dominanten Vater in ein Boot gesetzt haben.  

Pierre Biver: Der Entscheid war tatsächlich nicht ohne Risiko, mindestens im Nachhinein betrachtet. Denn: Nachgedacht habe ich nicht den Bruchteil einer Sekunde lang. Für mich war sofort klar, dass ich das mit meinem Vater machen wollte. 

Pierre Biver am Interview.

Im Gegensatz zu seinem Vater wirkt Pierre Biver ruhig und gelassen.

Quelle: Sebastien Agnetti

Hat Sie Ihr Vater gefragt, oder war es ein Prozess, dass Sie schliesslich hier gelandet sind? 

PB: Mein Vater gab im Radio ein Interview und sagte, er werde zusammen mit mir seine eigene Marke gründen. So war das.  

Jean-Claude Biver: Pierre, ich wusste am Morgen, als ich ins Radiostudio reinging, ja selbst nicht, dass ich das ankündigen würde. 

Warum machten Sie das? 

JCB: Um mir Druck zu machen. Ich brauchte das. Ich machte schon längere Zeit hin und her, sagte einmal Ja, ich mach eine eigene Marke, dann wieder Nein. Ich wusste, wenn ich im Radio sage, ich mach das, dann gibt es kein Zurück. 

Haben Sie «Biver» für Pierre oder für sich selber erdacht? 

JCB: Es ist wie bei einem Unfall: Es gab verschiedene Gründe. Erstens wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen soll ohne Job, ich fühlte mich wie ein toter Mann. Zweitens liebe ich Uhren. Drittens ist das hier viel besser für Pierre als die Universität. Viertens habe ich es nie verkraftet, dass ich damals Blancpain an die Swatch Group verkaufte, nicht wegen der Swatch Group an sich, sondern meinetwegen: Diese Marke aus dem Vallée de Joux war meine erste grosse Marke, eine grosse Liebe. Als ich sie verkaufte, verkaufte ich nicht nur die Marke, sondern auch meine Leute. Nun kann ich diesen Kreis schliessen. Die «Biver» ist meine letzte Meile. Wenn sie geschafft ist, kann ich gehen.  

Wie hört sich das für Sie an, Pierre? 

PB: Dieses Projekt ist aus seiner Energie entstanden. Ich bin sehr froh, dass wir diese Zeit miteinander haben und gemeinsam etwas aufbauen. Vielfach ist es ja so, dass eine Generation gründet und die zweite dann übernimmt. Wir gründen das Unternehmen zusammen. Ein grosses Glück habe ich da. 

Jean-Claude Biver am Interview.

Jean-Claude Biver betrachtet die «Biver»-Uhr als seine letzte Meile.

Quelle: Sebastien Agnetti

Wie sind Sie auf Pierre gekommen? 

JCB: Er hat an der HEC in Lausanne Wirtschaft studiert. Ich dachte, das ist gut, habe ich ja auch gemacht, und das Studium eröffnet einem viele Möglichkeiten. Als er beim Auktionshaus Phillips arbeitete, performte er sehr gut, und ich habe feststellen müssen, dass er ein super Flair hat für Classic Watches. Als ich das realisierte, habe ich ihm meine eigene Sammlung überantwortet. Und er hat sie gemanagt, viel verändert, unter anderem hat er sechs sehr wichtige Stücke verkauft und mit dem Geld Uhren gekauft, die nicht alten Männern wie mir gefallen, sondern jungen Leuten wie ihm. Das war meine erste echte Erfahrung mit Pierre. Er hatte konzeptionell recht. Das war ein cleverer Move. Und ich merkte, dass er das kann. Ich sagte dann zu seiner Mutter und meiner Frau: «Lass ihn das Studium aufhören und mit mir arbeiten, was er mit mir lernt, ist mehr als das, was er an der Uni lernen kann.»  

Wahr? 

PB: Wahr. Ich habe es nie bereut, hier eingestiegen zu sein, im Gegenteil. Was habe ich für ein Glück – menschlich wie professionell.  

Was haben Sie von Ihrem Vater, abgesehen von der Leidenschaft für Uhren? 

PB: Wir haben das gleiche Temperament.  

Sie kommen eher als sein Gegenteil rüber, sehr still, bedächtig.  

PB: Das ist nur deshalb, weil er gerade neben mir sitzt (lacht). Freunde und Bekannte stellen jedenfalls fest, dass ich ihm immer ähnlicher werde. Wir sehen auch viele Dinge gleich. Und dort, wo wir uns unterscheiden, hat es mit der Altersdifferenz zu tun und nicht mit dem Ziel, das wir ansteuern, an sich.  

Und am Ende gibt es Kompromisse oder Machtworte?  

PB: Mein Vater lässt uns die Freiheit, zu entscheiden. Es sind so viele gute Ideen entstanden, und wir haben auch viele Fehler gemacht – und daraus gelernt.

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Eine «Biver» wird ab 700’000 Franken kosten, und es wird nur ein halbes Dutzend von ihr geben im Jahr. Wer soll die kaufen?  

PB: Wir richten uns an Sammler, die zwischen 35 und 50 Jahre alt sind. Die Uhren werden vom Uhrmacherischen her top of the top, vom Design her aber zeitgeistig und bis 50 Meter wasserdicht – sprich: gut tragbar – sein.

Wie gross ist «Biver Watches»? 

PB: Wir haben etwa 15 Zulieferer, von denen viele ihrerseits auch Zulieferer haben, und dann hier in Givrins unser kleines Team aus sehr erfahrenen Uhrmachern und jungen Produktentwicklern. Direkt involviert sind etwa 20 Leute.  

Wie haben Sie die Uhr so rasch hinbekommen? Andere Uhrenmarken ächzen unter Lieferschwierigkeiten seitens ihrer Zulieferer. Wie kams? 

PB: Drei Dinge haben geholfen. Erstens, dass mein Vater sehr bekannt ist, man ihm zweitens vertraut und auch zutraut, dass er das Projekt zum Fliegen bringt, und dass es zudem eine Zukunft hat. Davon möchte man gern Teil sein, das gibt Prestige. Drittens arbeitet man gern mit uns. Das hören wir jedenfalls von allen Seiten.  

JCB: Wir haben wirklich bei allen Priorität bekommen.  

Wo wird die Uhr verkauft? 

PB: Wir kollaborieren mit Distributoren, die zu uns passen. 

Sie starten mit Uhren ganz oben. Haben Sie vor, die Marke wenigstens preislich nach unten weiterzuentwickeln? Oder bleibt «Biver» hochexklusiv im Wortsinn? 

PB: Wir arbeiten an anderen traditionellen Komplikationen wie einem Chronographen und einem Ewigen Kalender. Sie werden anders sein, mehr kann ich nicht sagen. Zudem wird es eine Time-only-Watch geben, die wird dann unsere Einstiegsuhr. 

JCB: Die wird um die 70k kosten, je nach Material.  

PB: Die Marke und jede einzelne Komponente in den Uhren sind positioniert auf Hyperluxus-Level.  

JCB: Das erfordert ein hohes Mass an Spiritualität. Wenn man höchste Qualität erreichen will, kann man nicht schummeln, nicht lügen, man braucht die volle Hingabe. Dieser Aspekt ist der mit Abstand interessanteste für mich in unserem Produkt, meine wahre Passion.  

Bauernhaus, Sitz der Marke Biver

In diesem Gebäude in Givrins, dem Sitz der Marke, entstehen die «Biver»-Uhren.

Quelle: Sebastien Agnetti
Iris Kuhn Spogat
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