Beinahe scheint es, als sei der Frankenschock überwunden. Die Arbeitslosigkeit ist tief geblieben, und die Schweizer Wirtschaft wächst wieder. Prognosen zufolge stieg das BIP im jüngsten Quartal gegenüber dem Vorjahr um deutlich über 1 Prozent (offizielle Zahlen dazu erscheinen am Donnerstag).

Schock vorbei: Das trifft aber nicht für alle Branchen zu. Viele Firmen in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) kämpfen nach wie vor mit dem starken Franken. Dies geht aus Zahlen hervor, die der Branchenverband SwissMEM veröffentlicht hat. Die Umsätze der MEM-Firmen stagnieren, der Auftragsbestand nimmt nur langsam wieder zu. Unter dem Strich harzt es: Rund ein Viertel aller Unternehmen war 2016 in den roten Zahlen.

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Von den total 318 Firmen, die der Branchenverband befragt hat, gaben 23 Prozent an, dass ihre Marge auf der Stufe EBIT im Jahr 2016 unter Null lag. Fast ein Viertel der Firmen erzielte also ein negatives operatives Ergebnis. Dieser Anteil ist gegenüber dem Jahr 2014, als noch der Mindestkurs zum Euro galt, deutlich gestiegen. Damals schrieben nur 7 Prozent der MEM-Firmen rote Zahlen.

Gegenüber 2014 hat der Anteil der Firmen mit einer «positiven, aber unbefriedigenden» Marge (Formulierung SwissMEM) zwischen 0 und 5 Prozent ebenfalls zugenommen, und zwar von 23 auf 34 Prozent. Der Anteil der Firmen mit einer «üblichen» oder «sehr guten» Marge ist dagegen zurückgegangen. Wegen der niedrigen Margen leben viele Firmen aktuell von der Substanz. Sie können die Mittel für Investitionen nicht mehr aus eigener Kraft erwirtschaften.

Verluste bei weiterem Absacken des Euro

Das konjunkturelle Umfeld ist aus Sicht der MEM-Branche also okay – das Problem ist die Währung. Ein niedrigerer Eurokurs spült weniger Schweizer Franken in die Kasse, die gebraucht werden, um das Personal und die Produktion im Inland zu bezahlen. Wie SwissMEM-Präsident Hans Hess sagt, seien die Sparmöglichkeiten vielerorts schon ausgeschöpft. «Wir erwarten deshalb von der Schweizerischen Nationalbank, dass sie alles tut, was sie sinnvollerweise tun kann, um den Franken zu schwächen.»

Doch wie geht es weiter mit dem Franken? Die jüngsten Entwicklungen geben wenig Anlass zu Optimismus. Die SNB hat in den letzten Wochen wieder vermehrt am Währungsmarkt interveniert. Trotzdem gab der Franken zum Euro nach. Aktuell notiert der Euro bei etwa 1.0650 Franken. Wichtigster Grund für die Euroschwäche sind die Unsicherheiten rund um die Wahlen in Frankreich. Ein Sieg von Euro-Gegnerin Marine Le Pen ist nicht ausgeschlossen.

Was würde passieren, wenn der Euro aufgrund politischer Wirren weiter nachgibt? Wie hart wäre die Schweizer Industrie davon betroffen? Aus der Untersuchung von SwissMEM lässt sich ableiten: Ein weiterer Absturz der Einheitswährung würde wohl Dutzende von Metall-, Elektro- und Maschinenbaufirmen in die roten Zahlen drücken.

Dies ergibt eine Hochrechnung anhand der erhobenen Zahlen. Die Währungsschwelle für den «Break-Even» ist nach Angaben des Branchenverbandes zwar individuell: Jedes Unternehmen braucht für ein positivies Ergebnis einen anderen minimalen Eurokurs. Die vielen, individuellen Mindestkurse sind aber relativ gleichmässig verteilt – zumindest was den Bereich zwischen 1.21 Franken (Durchschnittskurs 2014) und 1.09 Franken (2016) anbelangt.

Im Durchschnitt gilt somit: Jeder Rappen, um den der Eurokurs sinkt, drückt  zusätzlich 1,3 Prozent der MEM-Firmen in die roten Zahlen. In absoluten Zahlen entspricht dies gut vier Unternehmen. Zieht man die Gerade weiter vom Punkt «2016» bis zur Parität, so landet man gemäss dieser Regel bei einem Firmenanteil von 35 Prozent mit negativer Marge. Das wäre eine Zunahme von 12 Prozent oder knapp 50 Firmen gegenüber dem heutigen Stand.

Wie realistisch ist diese Schätzung? Einerseits könnten die meisten Industriefirmen eine Aufwertung von 2 bis 3 Prozent pro Jahr verkraften, heisst es. Eine Stärkung des Frankens in diesem Ausmass entspricht dem langjährigen Mittel. Sollte der Euro also nicht plötzlich, sondern über einen Zeitraum von rund drei Jahren auf 1.00 Franken fallen, würden wohl weniger Firmen deswegen in die Verlustzone fallen.

Auf der anderen Seite finden sich in der jüngsten MEM-Statistik aus dem Jahr 2016 zahlreiche Firmen, die bloss eine «positive, aber unbefriedigende» Marge knapp über Null Prozent aufweisen. Das legt nahe, dass sich der Euro-Frankenkurs bereits gefährlich nahe an den kritischen Bereich angenähert hat. Eine weitere, rasche Aufwertung des Frankens würde demnach überproportional viele MEM-Firmen in die roten Zahlen drücken. Der Frankenschock ist für die Branche definitiv noch nicht ausgestanden.