Manche Wirtschaftsbücher sind analytisch bestechend (etwa dieses hier). Andere stechen mit der Aufbereitung von historischem, biografischem Material heraus (wie etwa dieses Buch). Nochmals andere Bücher werden berühmt, weil es ihnen gelingt, die gesellschaftliche Relevanz von Wirtschaftsthemen herauszuschälen und diese auch für Nichtökonomen verständlich darzulegen (hier ein Beispiel dazu).

«Money. The Unauthorised Biography» von Felix Martin ist eines der seltenen Bücher, die in alle drei Kategorien zugleich fallen (hier der Link zur deutschen Ausgabe mit dem Titel «Geld, die wahre Geschichte»). Deshalb figuriert das Buch auf unserer aktuellen Empfehlungsliste – auch wenn die Erstausgabe von «Money» schon vor zwei Jahren erschienen ist. Die 20 Euro für die Taschenbuchausgabe bleiben gut investiertes Geld*.

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Zwei konkurrierende Theorien

«Money» befasst sich mit der Art und Weise, wie im Lauf der Jahrhunderte über Geld nachgedacht wurde. Die Entdeckungsreise beginnt auf einer Insel in der Südsee und geht weiter über das antike Griechenland, nach Mesopotamien und bis nach China, weiter ins mittelalterliche Florenz, dann ins Frankreich des Ancien Régime, später nach London und in die Vereinigten Staaten.

Felix Martin, ein ehemaliger Weltbankökonom und heutigen Fondsmanager, zeigt auf dieser Reise durch die Jahrhunderte eindrucksvoll auf, wie im Verlauf der Zeit zwei fundamental unterschiedliche Deutungen über das Geld miteinander konkurrierten: eine Theorie des Geldes als Tauschmittel und eine Theorie des Geldes als Schuldverschreibung. Nicht selten hing die gesamte Wirtschaftspolitik eines Landes davon ab, welche Ökonomen gerade die intellektuelle Oberhand besassen.

Diskrepanzen wurden speziell im Umgang mit Finanzkrisen offensichtlich, die seit dem 19. Jahrhundert in Grossbritannien und den USA gehäuft auftraten. Während die eine Theorie (jene des Tausches) dem Geldmedium selbst dabei keine entscheidende Rolle zuschrieb und deshalb stets auch zu einem konservativen Umgang mit Geld neigte – etwa über Arrangements wie den Goldstandard –, sah die andere Theorie (jene des Geldes als Schuld- bzw. Kreditinstrument) eine weitaus aktivere Rolle für die Geldpolitik vor.

Martin selbst, dies wird schnell offensichtlich, zählt zur zweiten Schule. Problematisch ist dieser persönliche Positionsbezug für den Text allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Perspektive erlaubt eine klare Schilderung davon, wie die dominante Geldtheorie der letzten Jahrzehnte, die von der klassischen Konzeption des Geldes als Tauschmittel schwer beeinflusst war, letztlich auch den Boden dafür bereitet hat, dass die Finanzkrise von 2008 die Wirtschaftswelt so unvermittelt und mit voller Wucht traf. Den Grund dafür ortet Martin in der Blindheit zeitgenössischer Ökonomen für das eigentliche Wesen des Geldes.

Die Blindheit der Ökonomen

Hängen bleibt nach der Lektüre von «Money», wie zerbrechlich dass Geld als Medium trotz seiner Allgegenwärtigkeit im Grunde genommen ist. Stabilität und Instabilität stehen beim Geldsystem in einem permanenten Wechselspiel. Martin formuliert dies an einer Stelle so:

«Money's intrinsic tendency to generate instability, in other words, is a danger not only to the victims of crashes and recessions – but ultimately to money itself.»

Ähnlich wie die Autoren von «End of Banking» zählt Felix Martin zu den Befürwortern einer Geldreform, was unter anderem auch die Motivation für das Buch erklärt. Martins Anknüpfungspunkt ist der sogenannte Chicago Plan, der in den dreissiger Jahren entworfen wurde. Für die Lektüre von «Money» ist diese Agenda aber sekundär: Das Buch vermittelt unabhängig von der künftigen Entwicklung grossen historisch-ökonomischen Erkenntnisgewinn.

* Einige Inspiration aus «Money» fanden Eingang in unsere Sommerserie zur Zukunft des Geldes. Hier die drei Teile: «Die prekäre Geschichte des Geldes», «Sichere Banken – sicheres Geld», «Die grosse Transformation».