Bondinvestoren gehen grössere Risiken ein als je zuvor. Die Renditen von Staatsanleihen im Volumen von 7,8 Billionen Dollar (etwa 7,6 Billionen Franken) sind durch die weltweiten Wachstumssorgen unter Null gedrückt worden. Das bedeutet, dass Vermögensverwalter auf der Suche nach Rendite auf Papiere mit Laufzeiten bis zu 100 Jahre setzen. Die Politiken der Zentralbanken verschärfen die Lage, da ihre beispiellosen Bondkäufe zur Ankurbelung ihrer Volkswirtschaften das Angebot aufgesaugt haben, so dass potenzielle Käufer nur noch wenige Optionen haben.

Zwar zeigt die Nachfrage wenig Anzeichen für ein Nachlassen, aber auf die Anleger könnten empfindliche Verluste zukommen, wenn die Renditen auch nur ein wenig von ihren äusserst niedrigen Niveaus steigen. Auf der Basis einer Messgrösse namens Duration würde ein Anstieg von einem halben Prozentpunkt am weltweiten Bondmarkt zu einem Verlust von etwa 1,6 Billionen Dollar (knapp 1,6 Billionen Franken) führen, zeigen Berechnungen auf der Basis von Daten, die von Bank of America zusammengestellt wurden. Allein in diesem Jahr ist die Gefahr für das Halten von Festverzinslichen so stark gestiegen wie seit 2010 nicht mehr, so dass sich Experten wie Bill Gross besorgt zeigen.

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Tiefe Besorgnis über den Zustand der Weltwirtschaft

«Es ist nur eine recht geringe Bewegung bei den Renditen am langen Ende nötig, um den Jahresertrag zunichte zu machen», sagt Thomas Wacker, Leiter Kredit beim Chief Investment Office von UBS Wealth Management. Längerfristige Anleihen sind «nicht etwas, auf das wir besonders scharf sind», fügte er hinzu.

Investoren kaufen weiterhin Bonds, auch wenn diese praktisch nichts abwerfen, was tiefe Besorgnis über den Zustand der Weltwirtschaft widerspiegelt. In diesem Monat hat der Internationale Weltwährungsfonds gewarnt, dass die Gefahr einer weltweiten Stagnation zunehme, da das Wirtschaftswachstum so lange schon so flau ist. Der IWF hat auch seine Wachstumsprognose für 2016 auf 3,2 Prozent gesenkt, gegenüber 3,4 Prozent im Januar.

Durchschnittliche Renditen auf Rekordtief

Diese Eintrübung hat zusammen mit aggressiveren Stimulus-Massnahmen der japanischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank die durchschnittlichen Renditen von Papieren aus dem BofA Merrill Lynch Global Broad Market Index im Volumen von 48 Billionen Dollar (46,8 Billionen Franken) in diesem Monat auf ein Rekordtief von 1,29 Prozent gedrückt, verglichen mit 1,38 Prozent derzeit.

Die effektive Duration am globalen Bondmarkt, die in Jahren gemessen wird und festlegt, wie stark die Kurse sich ändern dürften, wenn sich die Zinsen bewegen, ist im April auf ein Allzeithoch von 6,84 Jahren gestiegen. Das bedeutet einen Kursrückgang von 6,84 Prozent bei Bonds für einen Renditeanstieg von jeweils einem Prozentpunkt.

Ökonomen signalisieren, dass der Bondmarkt das Potenzial für Renditeanstiege unterschätzt, insbesondere da die Federal Reserve (Fed) Zinserhöhungen erwägt. Die Median-Schätzung in einer Bloomberg-Umfrage geht davon aus, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr zweimal erhöht, während Händler die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung überhaupt in diesem Jahr bei etwa 60 Prozent veranschlagen.

‘Selbstzufriedene’ Investoren?

«Die Leute sind selbstzufrieden», sagt Fabrizio Fiorini, Chief Investment Officer bei Aletti Gestielle SGR SpA aus Mailand. «Die Zeit spricht gegen das lange Ende vom Bondmarkt. Selbst wenn ein Anstieg der Bondrenditen nicht so stark sein dürfte, sind die Positionen so riesig, dass der Schaden massiv sein kann.»

Während die impliziten Risiken für das Halten der Bonds sich seit einiger Zeit aufbauen, sind sie im ersten Quartal so stark wie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr gestiegen. Ein bedeutender Grund für den Anstieg war die zunehmende Nachfrage nach Emissionen mit langen Laufzeiten, die sich als Segen erwiesen haben für Staaten, die auf Generationen die Fremdkapitalkosten festgeschrieben haben. Im April hat Frankreich erstmals seit 2010 ein neues Papier mit 50 Jahren Laufzeit begeben, während Irland erstmals eine Jahrhundertanleihe an den Markt brachte.

Jahrhundert-Anleihen

Obwohl längerfristige Emissionen den Investoren Gelegenheiten zu grösseren Erträgen boten, sind die Renditen historisch gesehen recht niedrig. Die irischen Bonds mit Fälligkeit 2116 im Volumen von 100 Millionen Euro (etwa 110 Millionen Franken) kamen mit einer Emissionsrendite von 2,35 Prozent heraus - vergleichbar zur Rendite, die die als Benchmark geltende Rendite von zehnjährigen deutschen Bundesanleihen 2011 aufwies.

Die Rendite auf zehnjährige Bundesanleihen ist nun auf etwa 0,23 Prozent gesunken, wozu das Bondkaufprogramm der EZB beigetragen hat, das im März auf 80 Milliarden Euro (88 Milliarden Franken) ausgeweitet wurde. Mittlerweile rentierten in der vergangenen Woche in Japan sämtliche Staatsanleihen weniger als 0,4 Prozent, was auf den Anstieg bei den Papieren seit der Einführung von Negativzinsen durch die japanische Notenbank in diesem Jahr zurückzuführen ist.

Experten wie Bill Gross sind verunsichert

Derart niedrige Renditen verunsichern einige der berühmtesten Akteure am Bondmarkt. Gross, der den 1,3 Milliarden Dollar (knapp 1,3 Milliarden Franken) schweren Janus Global Unconstrained Bond Fund verwaltet, sagte vor kurzem in einer Twitter-Meldung, dass eine geringe Bewegung bei 30jährigen japanischen Staatsanleihen «die Erträge aus einem ganzen Jahr» auslöschen kann.

Als die Kursanstiege im vergangenen Jahr die zehnjährigen deutschen Renditen nahe Null drückten, bezeichnete Gross diese als «Short, der sich einmal im Leben bietet». Das war in der Anfangsphase des Ausverkaufs, der die Renditen in weniger als zwei Monaten um mehr als einen Prozentpunkt nach oben drückte.

Richard Turnill, globaler Chief Investment Stratege bei BlackRock, sagte, dass die Gesellschaft Verluste bei langlaufenden US-Treasuries und Euroraum-Anleihen mit mehr als fünf Jahren Laufzeit erwarte. Indes suchen die grössten Lebensversicherer Japans nach höheren Renditen bei Unternehmensanleihen und Infrastruktur-Krediten im kommenden Jahr, nachdem die Stimuli der Zentralbank den Ausblick für heimische Staatsanleihen eintrüben.

Gegenteilige Ansichten

Einige Investoren wie Allianz Global Investors sehen das anders. Sie erwarten, dass die Renditen von ultra-langen Bonds weiter sinken, da das schwache Wachstum eine weitere geldpolitische Lockerung in Europa und Japan ankurbelt und die Fed davon abhält, die Zinsen zu erhöhen.

«Der Kurs dieser Bonds steigt mit zunehmendem Tempo», sagt Brian Tomlinson, weltweiter Manager für Festverzinsliche bei der Allianz in Frankfurt, in Bezug auf die Emissionen am Markt mit längsten Laufzeiten. «Das Wirtschaftswachstum enttäuscht weiter global.»

Tomlinson sagte, dass die Allianz bei dem 50-jährigen französischen Bond zugegriffen und noch einmal nachgekauft habe, als dieser in den Handel kam. Die Gesellschaft sei zudem «übergewichtet» bei 30-jährigen Treasuries und britischen Gilts. Prudential Financial erwartet, dass die Rendite bei zehnjährigen US-Papieren auf ein Rekordtief von 1,25 Prozent fallen werden. Die Rendite war am Montag bei 1,87 Prozent ein Basispunkt niedriger.

Dennoch zögern einige, Papiere mit solch mageren Renditen zu kaufen. «Langfristige Papiere bieten nicht viel Wert», sagt Jim Leaviss, Portfolio-Manager bei M&G Investments in London.

(bloomberg/ccr)