An der Börse hat die Schweiz kaum Chancen auf den Europameistertitel. Auf ein ganzes Jahr und in lokalen Währungen gerechnet, sind die 30 grössten Schweizer Unternehmen im Swiss Market Index (SMI) mit 19 Prozent deutlich stärker abgestürzt als die 50 grössten europäischen Unternehmen im Euro Stoxx 50 mit 14,4 Prozent (Stand 21.  Mai).

Noch drastischer zeigt sich die Schweizer Börsenschwäche im Vergleich mit dem Ursprungsland der gegenwärtigen Krise, den USA: Der amerikanische Leitindex hat innert Jahresfrist lediglich um 5,27 Prozent nachgegeben. Nur wenn man die Börsenentwicklung in Schweizer Franken rechnet, kommt der SMI dank der Dollarschwäche besser weg: In Franken gemessen, ist der Dow Jones ebenfalls um 19 Prozent eingebrochen.

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VERLIERERBRANCHEN. Das Problem der Schweizer Börse: Mit Pharma und vor allem den Banken haben hier just die Verliererbranchen ein besonders grosses Gewicht. Allein die Pharmamultis Novartis und Roche beanspruchen zusammen mit den beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse im SMI einen Anteil von etwa 43 Prozent. Innerhalb eines Jahres hat die UBS 60 Prozent, die Credit Suisse 40 Prozent, Novartis und Roche je 21 Prozent verloren.

Wie es mit den führenden Schweizer Indizes SMI und Swiss Performance Index (SPI) weitergeht, hängt also wesentlich vom Gedeihen der dominierenden Unternehmen aus den Sektoren Banken und Pharma ab.

Die Grossbanken erreichten ihren vorläufigen Tiefpunkt am 17.  März. Erst schien es so, dass damit in der Bankenkrise das Schlimmste überstanden sei, und die Titel von UBS und Credit Suisse starteten entsprechend durch. Doch dieser Optimismus steht auf wackligem Fundament. Die Aufschläge für Ausleihungen zwischen den Banken zeugen noch immer vom Misstrauen im Sektor, und es ist gut möglich, dass weitere Milliardenabschreiber notwendig werden. Diese Zweifel haben sich seit Anfang Mai in wieder fallenden Kursen der Grossbanken niedergeschlagen. «Angesichts der verbliebenen Unsicherheiten erwarten wir keinen weiteren deutlichen Anstieg bei diesen Bankaktien», sagt Philipp Bärtschi, Leiter Aktienstrategie bei der Bank Sarasin.

VORTEIL ROCHE. Der Bankensektor wird zwar von den beiden Grossbanken dominiert, doch finden sich an der Schweizer Börse auch weiterhin interessante Titel aus der Branche. Dazu zählen Vermögensverwalter wie Julius Bär und Sarasin. Ein besonderer Tipp ist die St.  Galler Kantonalbank mit ihrer Tochter Hyposwiss. Laut Marco Curti, Chefanalyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB), hat das Private Banking der Kantonalbanken besonders von einstigen UBS-Kunden profitiert, welche die Grossbank im Zuge der Vertrauenskrise verlassen haben.

Für die Pharmabranche, die zweite tragende Säule der Schweizer Börse, bleibt der langfristige Horizont trüb: Ablaufende Patente, Konkurrenz durch Generika und eine nur geringe Anzahl neuer Produkte in der Pipeline drücken auf die Aussichten des Sektors. Das gilt speziell für Novartis. Zwar gilt die Aktie als Substanz-perle (siehe Seite 86), doch für viele Analysten überwiegen aktuell eher die Probleme: «Bei Novartis werden bis 2012 die Patente einer Reihe von umsatztreibenden Medikamenten ablaufen», gibt Philipp Bärtschi von Sarasin zu bedenken. Selbst die defensiven Qualitäten der Pharmabranche müssen laut Marco Curti von der ZKB relativiert werden: «Ohne Produkte, die eine ausreichende Wertschöpfung generieren, sticht dieser Trumpf nicht.»

Besser als Novartis kommt Roche weg: Sie ist der Liebling der Pharmaanalysten. 34 von 40 empfehlen den Titel zum Kauf. Grund für die starke Position ist der umsatzstarke Bereich der Krebsmedikamente, und Roche hat mit ihrer Beteiligung an Genentech auch einen Fuss im Biotechbereich. Die Risiken der Pharmabranche insgesamt lasten allerdings dennoch auf dem Titel.

Kein anderes Unternehmen hat einen derart grossen Einfluss auf den Verlauf des SMI wie der Nahrungsmittelmulti Nestlé: Mit einer Gewichtung von mehr als 22 Prozent bewegt das Unternehmen aus Vevey den Index fast gleich stark wie alle Banken- und Versicherungswerte zusammen. Auch Nestlé mögen die Analysten: Niemand empfiehlt den Titel zum Verkauf, 26 von 34 raten zum Kauf, 8 zum Halten. Allein schon die Aussicht auf eine abgeschwächte Weltkonjunktur spricht für den defensiven Titel – doch das ist nicht alles: «Nestlé ist strategisch sehr gut aufgestellt», schwärmt Marco Curti. Für Philipp Bärtschi sprechen vor allem der gute Produktemix, das Engagement in nach wie vor stark wachsenden Schwellenländern sowie die im Branchenvergleich günstige Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2008 von 17 für den Nahrungsmittelmulti.

Versicherungen, Industrie, Luxusprodukte, Medizinaltechnik und Chemie sind die Branchen, welche den Aktienmarkt der Schweiz des Weiteren bestimmen.

Die Versicherungen kommen mit Ausnahme von Swiss Re und Swiss Life ebenfalls gut weg bei den Analysten. Swiss Re leidet nach wie vor unter dem Vertrauensverlust nach dem 1,2-Milliarden-Franken-Abschreiber im Zuge des indirekten Subprime-Engagements, Swiss Life unter dem Kauf des Finanzdienstleisters AWD. Ansonsten gilt die Branche als robust, defensiv und günstig bewertet. Am meisten Lob heimst Zurich Financial Services ein: «Die Versicherung bietet wenig Risiken, erwirtschaftet eine gute Rendite und ist mit einem KGV von 7 günstig bewertet», so das Urteil von ZKB-Mann Marco Curti.

RICHEMONT IM HOCH. Zyklisch und daher anfällig auf eine weltweite Konjunkturabschwächung ist die Industrie. Von diesen Titeln kommt ABB dennoch gut weg: Das Engagement von ABB im Bereich der Energieversorgung wird dem Unternehmen angesichts des grossen Nachholbedarfs an Infrastrukturinvestitionen in den Schwellenländern weiterhin einen guten Geschäftsgang ermöglichen. Allerdings ist der Bereich Automatik von Konjunkturrisiken stärker betroffen. Nachteilig für ABB ist ausserdem die mittlerweile stolze Bewertung mit einem KGV von 20,5. Insgesamt ebenfalls positiv fällt unter den Industrietiteln Holcim auf, hauptsächlich aufgrund des Engagements des Zementkonzerns in Schwellenländern.

Weiterhin einer starken Nachfrage bei den Reichen aus aller Welt erfreuen sich Luxusprodukte. Davon profitieren zum Beispiel Richemont und die Swatch Group. «Durch den möglichen Verkauf der Beteiligung am Tabakmulti British American Tobacco sehen wir ein besonderes Renditepotenzial bei Richemont», sagt Marco Curti.

In der Medizinaltechnik sticht Synthes hervor: «Die Nachfrage nach neuen Hüftgelenken hängt nicht vom Wirtschaftsgang ab», sagt Philipp Bärtschi zum defensiven Charakter des Titels.

Generell nicht zu empfehlen ist nach wie vor die Chemiebranche mit den bekannten Namen Ciba und Clariant. Hier drücken sowohl die Konjunktur wie auch unternehmensspezifische Mängel auf die Erwartungen, die Margen und damit auch die Kurse.

Schweiz

Einwohnerzahl: 7,5 Millionen
BIP pro Kopf: 70  000 Franken
BIP-Wachstum (2008): 2,3 Prozent
Teuerung (2008): 1,8 Prozent
Börsenkapitalisierung (SMI): 924,8 Milliarden
KGV 2008: 16
Performance 12 Monate: –19 Prozent
Lizenzierte Fussballspieler: 232  700
Fussball-Weltrangliste: Platz 48

Empfehlungen

Fonds:

• OP Swiss Opportunity, Valoren-Nr. 1  510  400
• XMTCH on SMI (Exchange Traded Fund ETF), Valoren-Nr. 889  976

Aktien:

• St. Galler Kantonalbank, Valoren-Nr. 1  448  406
• Nestlé, Valoren-Nr. 1  205  604
• Zurich Financial Services, Valoren-Nr. 1  107  539
• Richemont, Valoren-Nr. 1  273  145

Markus Diem Meier
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