Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Unter dieses Motto lassen sich nicht nur die Geschicke der Türkei auf dem Fussballfeld stellen, sondern auch die Entwicklung von Wirtschaft und Aktienmarkt. Unvergesslich bleibt beispielsweise die Nacht des 16. November 2005, als die Schweiz in Istanbul zwar unterlag, die Türkei aber dennoch aus dem Rennen um eine Teilnahme an der Fussball-WM warf. Nun spielen die beiden Teams an der Euro 08 in derselben Gruppe. Die Türken sind als Nummer 23 in der Weltrangliste rund 20 Ränge weiter vorn als die Schweiz.

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Wirtschaftlich sieht es aber weniger rosig aus. Wurde der Istanbuler Aktienmarkt noch im Herbst 2007 zu den Geheimfavoriten für das laufende Jahr gezählt, so sind die Aktienkurse seither um fast 30 Prozent eingebrochen. Einmal mehr ist die Entwicklung den politischen Turbulenzen gefolgt. Unter der Regierung Erdogan erzielte die türkische Wirtschaft nach der Jahrtausendwende eindrückliche Fortschritte. Die Teuerung sank in den einstelligen Bereich. Die Wirtschaft wuchs mit sieben Prozent pro Jahr, und in der Gruppe der Next-11-Länder traute Goldman Sachs den Erben Atatürks eine Entwicklung zu, wie sie zuletzt die BRIC-Staaten erreicht haben.

Doch das hohe Leistungsbilanzdefizit von sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts machte die Türkei für die Finanzkrise besonders anfällig. Die Inflation begann wieder zu wuchern und zwang die Notenbank zunächst, die Leitzinsen auf über 17 Prozent anzuheben. Sei es der Krieg gegen die Kurden im Osten, sei es der Kopftuchkonflikt: Gründe für den Rückzug ausländischer Investoren, die über 70 Prozent der Istanbuler Börsenkapitalisierung bestreiten, gab es genug. Und als ob der Probleme nicht schon genug wären, droht nun gar ein Verbot der gesamten Regierungspartei.

Javier Garcia, Manager des Black Sea Fund von Julius Bär, warnt davor, dass sich die Privatisierungen und weiteren Wirtschaftsreformen als wichtige Treiber des Börsenaufschwungs verzögern könnten. Nach der Leitzinssenkung auf 15 Prozent, die vor allem die türkische Lira unter Druck brachte, sollten weitere Zinsschritte nun ausbleiben, will man die Inflation nicht noch stärker anheizen.

Die Aktien scheinen zwar günstig bewertet zu sein, allerdings müssten die Gewinnaussichten vor allem bei den Finanzwerten nach unten korrigiert werden, erwartet Garcia. Wer sich an Einzeltitel wagt, sollte sich an Telekomfirmen wie die bald vollständig börsenkotierte Türk Telekom oder an Baufirmen mit einer guten Anbindung an die Märkte in Russland und im Mittleren Osten halten. Letztere dürften von den zahlreichen lukrativen Infrastrukturvorhaben profitieren. Dank den noch immer hohen Zinsen sind auch türkische Staatsanleihen interessant. Allerdings kann die Abwertung der Lira die schönen Renditeaussichten durchkreuzen.

Anleger, die auf eine baldige Wende zum Besseren setzen, können über Fonds wie den erwähnten der Bank Bär, den Türkei-Fonds von Magna (im Vertrieb der AIG Privat Bank) oder jenen von Fortis sowie den in der Schweiz nicht zugelassenen DWS-Fonds der Deutschen Bank investieren. Auch der Markt an strukturierten Produkten bietet einige Anlagemöglichkeiten wie etwa den Black Sea Basket von Vontobel oder die Indexzertifikate von Goldman Sachs und ABN Amro. Immerhin ist das Osmanenreich als drittgrösster Markt für Goldschmuck und mit seinen reichen Vorkommen an Bodenschätzen wie Gold und Erdgas immer wieder für positive Überraschungen gut. Nicht nur beim Fussball.