Seit vielen Jahren verfolge ich die Entwicklung von Ypsomed. Ich kann mich noch gut an das Going public vom Herbst 2004 erinnern; damals rissen die Investoren den Banken die Aktien aus den Händen, der Kurs schoss innert Monaten um 200 Prozent in die Höhe. Die Herstellung von Injektionssystemen und -nadeln zur Verabreichung flüssiger Medikamente, sogenannten Pens, versprach munteres Wachstum. Doch dann häuften sich die Probleme: Zuerst drohten Kapazitätsengpässe, später zog ein zu schneller Produktionsausbau Qualitätsmängel nach sich. Hauptkunde Sanofi-Aventis kündigte die Herstellung eigener Insulinspritzen an, Ypsomed klagte auf Patentverletzung, es folgte eine Gegenklage, der Gewinn brach ein. Seit dem Jahr 2006 stehen die Aktien unter Druck, zwei Drittel an Wert ging verloren.

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Der Krebsgang hat sich auch im laufenden Jahr fortgesetzt; in den ersten sechs Monaten ging der Umsatz um sieben Prozent zurück, der Betriebsgewinn schmolz gar um zwei Fünftel. Nun hat Willy Michel, Gründer und Hauptaktionär von Ypsomed, genug. Vor wenigen Wochen übernahm er auch die operative Führung – wenn auch nur vorübergehend; in zwei Jahren soll Sohn Simon Michel auf dem CEO-Sessel Platz nehmen. Willy Michel ortete sogleich Handlungsbedarf im Marketing wie bei den Kosten. Was mich verwundert, denn das hätte ihm doch schon als Verwaltungsratspräsidenten auffallen sollen. Dennoch traue ich Michel, der im Geschäft mit Medizinaltechnik über viel Erfahrung verfügt, einiges zu. Wenn er es clever anpackt, kann sich Ypsomed den Nimbus als Wachstumsprotz zurückholen. Weltweit leiden die Menschen zunehmend an Diabetes. Dieser Entwicklung will der 64-Jährige mit dem Wandel vom reinen Hersteller von Pens für andere Firmen zum Anbieter von Insulinpumpen und weiteren Diabetesprodukten Rechnung tragen.

Also alles wieder paletti beim Burgdorfer Konzern? Noch lange nicht. Der Weg zurück zu guter Profitabilität ist steinig, der starke Franken erschwert den Turnaround zusätzlich. Die Ypsomed-Aktien sind etwas für risikofreudige Anleger.

Hüst und Hott. Noch im August hat Léo Apotheker, der damalige CEO von Hewlett-Packard (HP), lautstark darüber nachgedacht, das 40 Umsatzmilliarden schwere Geschäft mit Personal Computern abzuspalten. Inzwischen ist Apotheker abgelöst, die ehemalige eBay-Chefin Meg Whitman hat bei HP das Zepter übernommen. Und dieser Tage verkündet, man werde diese Sparte nun doch nicht verkaufen. «Zusammen sind wir stärker», meinte sie. Diese unglaublichen Kapriolen haben die Glaubwürdigkeit des US-Konzerns endgültig untergraben. Mich würde nicht wundern, wenn es nun haufenweise zu Aktionärsklagen käme. Denn nach der ersten Ankündigung ist der Kurs stark gefallen, Tausende von Kleinanlegern sind in Panik ausgestiegen und haben viel Geld verloren. Die HP-Valoren bleiben mit Risiken behaftet.

Konjunkturpuffer. In der letzten BILANZ habe ich die Aktien von Novartis und Roche für langfristig operierende Anleger empfohlen. Worauf mich ein Leser anfragte, was ich denn von Bayer halte. In zwei Worten: sehr viel. Im Gegensatz zu den beiden Basler Unternehmen ist der deutsche Konzern viel breiter aufgestellt. Das Geschäft basiert auf den Bereichen Gesundheit, Agrochemie und Spezialitätenchemie.

Während der Sektor Gesundheit defensiven Charakter aufweist, ist das Geschäft mit Spezialitätenchemie von zyklischen Schüben geprägt. Dadurch werden konjunkturelle Wellenbewegungen etwas ausgeglichen – zumindest beim Umsatz. Ein anderes Bild zeigt sich beim Ertrag. Der Gesundheitsbereich vermochte in diesem Jahr bei den Verkäufen zwar nur minim zuzulegen; dafür haben sich die hohen Gewinnmargen nochmals verbessert. Eine umgekehrte Entwicklung zeigt sich dagegen bei der Spezialitätenchemie: starkes Umsatzwachstum, leicht rückläufige Margen. Das Agrochemiegeschäft wiederum funktioniert nach eigenen Gesetzmässigkeiten wie klimatischen Bedingungen.

Als Ganzes vermag Bayer vor allem bei den Erträgen zu überzeugen. Konzernchef Marijn Dekkers erwartet für 2011 einen Zuwachs des Betriebsgewinns Ebitda um mindestens sechs Prozent. Für die kommenden zwei Jahre prognostizieren Analysten ebenfalls deutliche Ertragssteigerungen.

So solide wie die Gewinnentwicklung sind auch die Aktien. Sie haben sich über die letzten Jahre sehr gut gehalten – bis die Titel im Sommer wegen Problemen mit der US-Arzneimittelzulassungsstelle FDA abstürzten. Das eröffnet neue Anlagemöglichkeiten. Die Bayer-Valoren sind mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 8,6 für 2012 günstig bewertet.

Konjunkturängste. Unter den Anlegern machen sich zunehmend Konjunkturängste breit. Jüngst hat sogar die sonst eher zurückhaltende EU-Kommission das «Risiko einer erneuten Rezession» heraufbeschworen. Diese Ängste schlagen in erster Linie auf Aktien von zyklischen Unternehmen durch. Beispielsweise bei ABB. Die Titel haben sich jahrelang sehr gut gehalten. Seit Mai jedoch sind sie um mehr als 30 Prozent eingebrochen. Dabei ist das auf Energie- und Automationstechnik ausgerichtete Unternehmen bislang vergleichsweise gut über die Runden gekommen. Auch wenn sich nach ausgezeichneten Zahlen für das zweite Quartal das Wachstum im dritten Vierteljahr doch spürbar verlangsamt hat.

Interessant war der jüngst abgehaltene Capital Markets Day. Da präsentierte Konzernchef Joseph (Joe) Hogan dieZiele für die nächsten fünf Jahre. So stellt er ein jährliches organisches Umsatzwachstum von sieben bis zehn Prozent in Aussicht, der Gewinn pro Aktie soll um zehn bis fünfzehn Prozent zunehmen – wohlgemerkt in US-Dollars. Finanzanalysten haben mir gesagt, die Vorgaben seien sehr ambitiös, doch durchaus erreichbar. Die meisten Banken zeigen sich denn auch optimistisch gegenüber den ABB-Aktien. Die Valoren sind zwar kein Superschnäppchen, allerdings bieten sie für langfristig denkende Anleger gute Chancen. Doch warten Sie mit dem Einstieg noch zu; je mehr sich die Konjunkturängste ausbreiten, desto billiger sind ABB zu haben.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.

Schreiben Sie ihm an: 
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