Jeder und jede soll investieren können. Das ist das Kredo von Fungai Mettler. Sie unterstützt und fördert alle, die investieren wollen – unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft, aber auch unabhängig davon, ob jemand das gesamte Finanzwesen in seiner ganzen Komplexität versteht. Die Zürcherin spricht aus Erfahrung, denn ihr erstes Investitionsgesuch war wegen der internationalen Sanktionen gegen ihr Heimatland Simbabwe abgelehnt worden.

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Jetzt setzt sie sich dafür ein, dass das anderen nicht passiert. Und sie will Frauen die Angst nehmen vor dem Investieren. Deshalb steht sie hin und sagt: «Ich hatte immer die Befürchtung, nicht investieren zu können, weil ich nicht genug Wissen über den Verkauf von Aktien und Anleihen habe.» Dabei verschränkt sie die Arme und ergänzt: «Jetzt weiss ich, dass man lernen, aber auch Plattformen nutzen kann, für die man keine Expertin sein muss.»

Auf ihre Aussagen erhielt sie grosses Echo – der Bedarf an auf Frauen zugeschnittene Finanzangebote scheint vorhanden zu sein: «Über die sozialen Netzwerke habe ich Dutzende von Beratungsanfragen von diskriminierten Frauen erhalten, denen ich gezeigt habe, dass auch sie mitmachen können», freut sich Mettler.

Männer dominieren die Finanzbranche

Zu Mettlers Erkenntnis gelangte auch das in Zürich ansässige Unternehmen Inyova im Jahr 2019 nach einer Umfrage unter hundert Frauen in der Schweiz. Die Firma untersuchte, wie der Bezug von Frauen zur Vermögensverwaltung aussieht. Das Resultat war relativ klar: Die Befragten äusserten weitgehend Unbehagen gegenüber einem Bereich, dessen Komplexität und Risiken sie fürchten: «Ich weiss nicht, wo ich anfangen soll», «Ich habe Angst, Geld zu verlieren», «Es ist zu komplex» und «Ich habe keine Zeit» waren die vier häufigsten Antworten.

Auf die Erkenntnis folgte die Frage: Wie ist es zu erklären, dass in diesem Sektor, sowohl bei den professionellen Vermögensverwaltern als auch bei den alltäglichen Kleinanlegenden, die Männer überwiegen?

«Mangelndes Wissen, mangelndes Interesse und mangelndes Selbstvertrauen sind die drei Faktoren, die sich in einer Art Teufelskreis gegenseitig verstärken», antwortet Sarah Genequand Miche. Sie ist Vermögensverwalterin und Autorin von «Ce que valent les femmes» – zu Deutsch: «Was Frauen wert sind» –, einem Ratgeber, der Frauen ermutigen und unterstützen soll, den Sprung ins Investmentgeschäft zu wagen. «Obwohl auch bei Männern ein gewisser Mangel an Wissen und Interesse festzustellen ist, erweist sich das mangelnde Vertrauen bei Frauen als noch hemmender.»

Traditionell verwaltet der Mann die Finanzen

Darüber hinaus scheint die traditionelle Familienorganisation auch heute noch das Verhältnis von Männern und Frauen zu Geld zu beeinflussen. In einem Land, in dem die Frauen erst vor 35 Jahren das Recht erhielten, ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes zu arbeiten und ein Bankkonto zu eröffnen, «erklärt diese soziale Komponente zum Teil, warum die Verwaltung der Finanzen noch immer weitgehend als Aufgabe der Männer angesehen wird», so Genequand Miche.

«Frauen sind oft für die Verwaltung des Haushaltsbudgets zuständig, aber wenn es um eine Hypothek oder eine dritte Säule geht, bleiben sie noch zu oft im Hintergrund», bedauert die Expertin. Dabei sind laut der Genferin gerade Frauen ausgezeichnete Sparerinnen, was ihnen bei Anlageentscheiden zugutekommen kann: «Frauen, die investieren, neigen dazu, ihrem Geld seinen Lauf zu lassen, ohne ihm viel Beachtung zu schenken. Geld, das man langfristig wachsen lässt, ohne sich zu sehr um kurzfristige Trends zu kümmern, hat bessere Chancen, Verluste zu vermeiden und gute Renditen zu erzielen.»

Ein anderes Verhältnis zu Risiko

Diese Erkenntnis wird von einer Studie von McKinsey untermauert: Die amerikanische Unternehmensberatung verglich die Einstellung von Männern und Frauen zur Risikobereitschaft bei Investitionen. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen zu risikoärmeren Lösungen neigen und eher festverzinsliche Anlagen bevorzugen, während Männer in der Regel Aktien bevorzugen, die im Erfolgsfall mehr abwerfen, aber auch deutlich risikoreicher sind.

Laut Rajna Gibson Brandon, Finanz-Professorin für Finanzwissenschaft an der Universität Genf, kann sich Risikoaversion jedoch als kontraproduktiv erweisen. «Auf den Finanzmärkten gilt eine einfache Regel: Je riskanter die Investition, desto höher die Rendite. Wer sich systematisch von als riskant empfundenen Anlagen fernhält, verpasst langfristig hohe Renditen.»

Fungai Mettler betont ihrerseits, dass Investitionen demokratisiert werden müssen, um soziale Innovationen auszulösen. Die Zürcherin, die im Alter von sieben Jahren durch die in Simbabwe besonders verheerende Aids-Epidemie zur Waise wurde, will bessere Investitionskanäle schaffen, um die Lebensqualität der Schwächsten zu verbessern. «Das ist der Kern meines Engagements. Es geht nicht nur darum, zu zeigen, dass die eigene Identität kein Hindernis ist, sondern dass wir unser Geld auch für sozial verantwortliche Zwecke einsetzen können.»

Femmeinvest: Dieses Startup unterstützt Frauen beim Thema Finanzen

Nur eine von fünf Schweizerinnen interessiert sich für den eigenen Vermögensaufbau. Dies will das Startup Femmeinvest ändern.

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Entgangener Gewinn summiert sich stark

Laut der US-Bank BNY Mellon entgehen der Weltwirtschaft durch das geringe Interesse von Frauen an Investitionen jährlich 3220 Milliarden Dollar – was umgerechnet rund 2930 Franken entspricht.

Dieser Reichtum geht auch an den Vermögensverwaltern vorbei. Jetzt werden einige von ihnen aber aktiv, denn sie wollen sich diesen potenziellen Geldsegen nicht entgehen lassen. Zwei Beispiele sind die UBS und die US-Bank Morgan Stanley – sie beide bieten jetzt eine Vermögensverwaltung speziell für Frauen an. Die britische HSBC bietet ihren Kundinnen die Möglichkeit, sich an ein Team von professionellen Anlagestrateginnen zu wenden.

Aber nicht nur die Branchenriesen beschäftigen sich mit dem Thema. Auch Akteure und Akteurinnen der nachhaltigen Finanzwirtschaft wollen diese Ressourcen für sich erschliessen. Denn laut dem Bericht von BNY Mellon wünschen fast 55 Prozent der Frauen, «unter der Bedingung zu investieren, dass mit dem Geld Aktivitäten finanziert werden, die ihren persönlichen Werten entsprechen».

Rajna Gibson Brandon von der Universität Genf bestätigt den Bericht: «Es ist zu beobachten, dass die soziale Dimension von Frauen stärker berücksichtigt wird. Männer neigen im Allgemeinen dazu, mehr Wert auf die individuelle Leistung zu legen.» Inwieweit die von Frauen getätigten Investitionen eine nachhaltige Entwicklung fördern, bleibt jedoch unklar.

ESG-Investments seien ein komplexes Feld, das man gut kennen muss, um nicht unbeabsichtigt Aktivitäten zu finanzieren, die den eigenen Prinzipien widersprechen. Die Forscherin plädiert insbesondere für mehr Bildung und Sensibilisierung der Bevölkerung im Finanzbereich.

Ein immer noch sehr männlicher Beruf

12 Prozent der Vermögensverwalter sind weiblich

Das Prinzip der Repräsentativität wirft in der Vermögensverwaltung viele Fragen auf. So sind laut dem jüngsten Bericht «Alpha Female», der 2022 veröffentlicht wurde, weltweit nur 12 Prozent der Fondsmanagerposten von Frauen besetzt. Laut einer Studie der US-Bank BNY Mellon sind jedoch fast 73 Prozent der Manager der Ansicht, dass sich mehr Frauen für Investitionen entscheiden würden, wenn es in der Branche mehr weibliche Mitarbeitende gäbe.

Geringe Zufriedenheit

Laut dem US-Beratungsunternehmen Publicis Sapient ist nur ein Drittel der Frauen mit den Leistungen ihres Vermögensverwalters voll und ganz zufrieden, während sich die restlichen zwei Drittel von ihrem Berater oder ihrer Beraterin häufig «missverstanden» fühlen. Fast ein Viertel der Frauen würde im Falle einer Scheidung oder einer Trennung den Anbieter wechseln.

Fungai Mettler räumt in diesem Zusammenhang ein: «Die Lösungen, die der Markt derzeit anbietet, erlauben es einem nicht unbedingt, seine Investitionen auf eine bestimmte Aktivität auszurichten. Einige, wie Inyova, können jedoch zur sozialen Innovation im weiteren Sinne beitragen.» Für noch gezieltere und nachvollziehbarere Investitionen empfiehlt die Expertin Programme, die sich bestimmten Zielen widmen.

Ein Vorschlag ist Shequity. Das Programm fördert Unternehmerinnen und Mikrofinanzierungen für spezifische Projekte. «Es geht auch darum, sich zu fragen, welche Projekte und Unternehmen man erfolgreich sehen will, und dann sein Geld entsprechend auszurichten. Wir arbeiten daran, diese Anlagemöglichkeiten glaubwürdig zu machen, insbesondere indem wir sie über in der Schweiz ansässige Strukturen anbieten, die in den kommenden Jahren entstehen sollen.»

Dieser Artikel erschien zuerst bei «PME» unter dem Titel «Vers une finance plus féminine».

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