Lange argumentierten diejenigen, die einen Börsenrückgang erwarten, dass die Niedrigzinsen der einzige Antrieb für die Aktien gewesen seien. Folglich glauben sie jetzt, dass die Aktien nun aufgrund der Zinsanhebung durch die SNB und andere ins Aus geraten seien. Die Probleme rund um die Credit Suisse und regionale amerikanische Banken heizen diese Befürchtungen weiter an. Falsch! Nicht die niedrigen Zinsen trieben den letzten Marktanstieg an. Und höhere Zinsen werden einen neuen nicht aufhalten. Lassen Sie mich das erklären.

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Dass höhere Anleiherenditen Aktien ausbremsen, setzt voraus, dass diese beiden um nur einen Haufen Geld kämpfen. Angeblich muss die Gewinnrendite – der Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses – über den langfristigen Zinsen bleiben, um die Schwankungen wert zu sein.

Eine hübsche Theorie. In der Realität wachsen die Gewinne im Laufe der Zeit mit der Wirtschaft und die Inflation erhöht die Nominalerträge. Die Volatilität der Konjunktur führt dazu, dass die Gewinnrenditen in frühen Bullenmärkten anfällig für Verzerrungen werden – ich denke, dass wir uns gerade dort befinden. Warum? Aktien schauen nach vorn, Gewinne zurück. In frühen Bullenmärkten gibt es daher einen geringeren Gewinn und einen höheren Kurs, was auf die Gewinnrendite drückt.

Über den Autor 

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen in sechs Ländern, die rund 188 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.

Die Rendite-Spreads haben also eine unregelmässige Vorhersagekraft. Nehmen wir den Bullenmarkt Anfang der 2000er Jahre. Betrachtet man wegen der guten Datenverfügbarkeit die USA, betrug unter Anwendung der prognostizierten Gewinne der Abstand zwischen den zehnjährigen Anleihen und der Gewinnrendite des S&P 500 im Durchschnitt 2,23 Prozentpunkte – nahe den 2,34 Prozentpunkten Abstand heute. Die Aktien legten um 121 Prozent zu.

Und in der Schweiz? Im frühen Bullenmarkt der 2000er Jahre lag die Gewinnrendite im SPI durchschnittlich 4,0 Prozentpunkte über den zehnjährigen Schweizer Anleihen. Der SPI stieg sprunghaft um 197,6 Prozent. Und aktuell? Befinden sich die Gewinnrenditen 4,81 Prozentpunkte über den Anleihezinsen.

Hohe Anleihezinsen sind jedoch auch kein Hindernis für Bullenmärkte. In den 1980er und 1990er Jahren lagen die zehnjährigen US-Staatsanleihen zwanzig Jahre lang über 4 Prozent. In den 1980er Jahren übertrafen sie die Hälfte der Zeit gar 10 Prozent. Trotzdem stiegen die Aktien in den 1980ern um 400 plus 433 Prozent in den 1990er Jahren. Die schweizerischen Erträge waren deutlich niedriger – durchschnittlich 4,7 Prozent in beiden Jahrzehnten. Die Aktienrenditen in der Schweiz waren dennoch geringer, sie stiegen um 173 beziehungsweise um 341 Prozent. Sollten sie nicht höher sein, wenn niedrige Erträge die Aktien steigen lassen?

Wie können Aktien steigen, wenn die «sichereren» Anleihen ebenso ertragreich sind? Anders als Anleihen, die bis zur Fälligkeit gehalten werden, sind die Aktienrenditen nicht durch Coupon-Raten begrenzt. Sie profitieren von wirtschaftlichem Wachstum und bringen Dividenden. Wenn die Unternehmensführung einen Gewinnzuwachs erwartet, kann sie Geld leihen, Aktien zurückkaufen, sie einziehen – beides absorbiert das Angebot und erhöht gleichzeitig den Gewinn je Aktie, was wiederum die Rendite steigert. Das geschieht – weitgehend unbemerkt – zurzeit. Wenn die langfristigen Zinsen stärker zulegen, sinken die vorhandenen Anleihekurse.

Die Auswirkung der Inflation? Anleiherenditen geben die Inflationserwartungen wieder. Sind die Renditen höher, ist üblicherweise die Inflation erhöht – so wie jetzt – und die «hohen» Coupons erodieren. Unternehmen jedoch können den Kostendruck weitergeben – Aktien ergeht es also besser. Es ist richtig, dass 2022 die Aktien zurückgingen, als die Preise weltweit in die Höhe kletterten. Aber das war ungewöhnlich und stimmungsgetrieben. Die Bruttogewinnmargen der Unternehmen im S&P 500 und im SPI endeten 2022 bei 33,0 beziehungsweise 40,0 Prozent – im Bereich der Werte von 33,2 und 40,1 Prozent vom Jahresende 2021. Zudem spiegelte 2022 der Verfall der Anleihen den der Aktien.

Ein Vergleich der Gewinnrenditen kann hilfreich sein, aber bisweilen nehmen das nur wenige wahr. Hohe Anleiherenditen plus ein unerwartetes Gewinnwachstum sorgen für Überraschungen, besonders wenn dann die Kurse unerwartet zurückgehen. Wie gesagt, können sie auch helfen, Aktienrückkäufe vorherzusagen. Renditevergleiche allein zeigen nicht die Zukunft der Aktien – aber die grosse Aufregung darüber zeigt den vorherrschenden Pessimismus. Ein Festhalten an falschen, unberechtigten Sorgen ist immer positiv.