So weit, so gut! In meinem Ausblick für 2024 habe ich ein starkes Jahr für globale Aktien vorausgesagt, wobei die Banken und Industriewerte im SPI die Wachstumstreiber für die Gewinne zum Jahresende waren. Die weltweiten Renditen von 12,6 Prozent bis zum 22. April und ein Anstieg des SPI um 3,6 Prozent stimmen damit überein. Mehr ist zu erwarten. Ein Grund? Die Marktstimmung. Aktien reagieren am stärksten auf die Diskrepanz zwischen Realität und Erwartungen, daher ist die Einschätzung der Letzteren entscheidend. Dafür gibt es einfache und harte Methoden. Beide zeigen jetzt eine anhaltende Stimmungsmüdigkeit – ein Zeichen für einen fortgesetzten Bullenmarkt.

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Der Gastautor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 265 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.

Vom legendären Investor Sir John Templeton stammt der Spruch: «Bullenmärkte werden im Pessimismus geboren, wachsen in der Skepsis, reifen im Optimismus und sterben in der Euphorie.» Jüngste Beispiele: Nach der Erholung von den Tiefstständen während des auf Verzweiflung beruhenden Lockdowns im Jahr 2020 verbesserte sich die Stimmung im Jahr 2021 schnell und leitete eine negative Überraschung ein. Danach folgten die Ukraine, die globale Inflation, Zinserhöhungen, das Chaos in der Lieferkette – und der Bärenmarkt im Jahr 2022. Die Befürchtungen wurden dann übertrieben, was die positive Überraschung und die Entwicklung dieses Bullenmarktes begünstigte.

Und heute? Die Marktstimmung ist nun in Optimismus umgeschlagen. Die Umfragen der Fondsmanager zeigen eine erhöhte Zuversicht. Der Sentix-Konjunkturindex für die wirtschaftliche Stimmung in der Schweiz hat den höchsten Stand seit Februar 2022 erreicht – vor Putins Krieg. Andere Umfragen zeigen ein ähnliches Bild.

Und dennoch behaupten die Bären, wir seien zu schnell in Euphorie verfallen! Als «Beweis» für den Überoptimismus der Anleger führen sie veraltete, seit langem gehegte Ängste an, wie den Krieg im Nahen Osten und die Schwäche Chinas.

Das ist ein Irrtum! Wie können Sie das wissen? Auf die harte Tour: Plotten professioneller «glockenförmiger Stimmungskurven». In der Regel spiegeln die Prognosen der Wall Street die Marktstimmung wider und beeinflussen sie. Mein Unternehmen sammelt weltweit Dutzende davon. Sie geben Aufschluss darüber, welche Ergebnisse allgemein erwartet werden – und welche nicht. Damit lässt sich nicht vorhersagen, was passieren wird – Aktien preisen gängige Prognosen ein und verhalten sich dann anders. Aber es zeigt, dass die Märkte ein Stimmungssignal einpreisen.

Nehmen Sie den vielbeachteten amerikanischen S&P-500-Index. Anfang 2018 lag der Median der Prognosen bei einem Plus von 5,3 Prozent in Dollar ohne Dividenden. Und wie sieht die Realität aus? Die Aktien fielen um –6,2 Prozent! Für 2019 ging die mittlere Prognose von 15,8 Prozent Gewinn aus, etwa die Hälfte der tatsächlich erzielten 28,9 Prozent. Und die Prognose für 2023? 9,4 Prozent. Und wie sieht die Realität aus? Ein Sprung von 24,2 Prozent.

Anfang 2024 lag die mittlere Schätzung bei 1,8 Prozent. Damit lag sie weit unter der langfristigen annualisierten Durchschnittsrendite von 10,2 Prozent für US-Aktien (einschliesslich Bärenmärkte). Nicht gerade optimistisch!

Liegen die meisten Daten unter den Schätzungen? Dann ist die Marktstimmung zu rosig!

Sehen Sie genauer hin. Von 54 S&P-500-Prognosen für 2024 lagen 40 zwischen –2,9 Prozent und 9,0 Prozent. Neun gingen von einem Rückgang der Aktien um mehr als –3,0 Prozent aus. Keine Prognose ging von Renditen über 17,1 Prozent aus. Euphorie? Nein! Die Lücke von über 10 Prozent deutet auf überdurchschnittliche Gewinne hin, die wahrscheinlicher sind. 

Ein einfacheres Werkzeug: Überprüfen Sie, wie die Wirtschaftsdaten mit den Schätzungen übereinstimmen. Die Konsensprognosen für das globale BIP, die Inflation, die Beschäftigung und mehr finden Sie auf vielen Finanznachrichten-Websites. Liegen die meisten Daten unter den Schätzungen? Dann ist die Marktstimmung zu rosig! Werden sie übertroffen? Zu düster! Die meisten Schlüsseldaten übertreffen zurzeit die Schätzungen – bullisch. 

Ziehen Sie auch IPOs in Betracht. Unternehmen gehen an die Börse, wenn hohe Notierungen bedeuten, dass die Eigentümer einen Spitzenpreis erzielen können – normalerweise nach grossen Kursanstiegen und inmitten einer Aufbruchstimmung. Die Folge sind weitere Börsengänge, da frühere Erfolge den Anstoss für neu geschaffene Börsengänge von geringerer Qualität geben. Die positive Marktstimmung löst sich von den schwächelnden Fundamentaldaten.

Weltweit übersteigt die Zahl der IPOs das Niveau von 2023, wobei hochkarätige Börsengänge wie der von Galderma für Schlagzeilen sorgen. Aber insgesamt bleibt die Emissionstätigkeit gedämpft. Meist handelt es sich um qualitativ hochwertige Unternehmen, von denen viele die Erlöse zur Tilgung teurerer Schulden verwenden. Marktblase? Nein.

Wie auch immer Sie es anstellen, entscheidend ist die Beobachtung der Marktstimmung. Heute deutet sie auf weitere Kursgewinne hin.

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