Der Entscheid aus dem Parlament lässt aufhorchen: Der Vorschlag, verpasste Einzahlungen in die steuerprivilegierte dritte Säule zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu dürfen, stiess auf breite Zustimmung.

Dabei geht es nicht um Steueroptimierung für Reiche, sondern um eine Stärkung der individuellen Selbstvorsorge. Das ist dringend nötig, reicht aber bei weitem nicht aus, vor allem weil die Reformen in der ersten und zweiten Säule bekanntlich seit Jahren nicht vom Fleck kommen.

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Damit fällt auch unser viel gelobtes Dreisäulensystem im internationalen Vergleich immer stärker zurück: Von einer breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, figuriert die Schweiz in einem kürzlich publizierten «Global Pension Report 2020» mittlerweile auf Rang 23 von 70 untersuchten Ländern.

Doch wer hört schon Alarmglocken läuten in einem Land, dass mit «No Billag»-, Kuhhörner- und anderen Luxusabstimmungen beschäftigt ist? Die Situation ist mit der Corona-Krise nicht besser geworden – im Gegenteil.

Werner E. Rutsch, Head Institutional Business Switzerland, Axa Investment Managers

In der Vorsorge sind vor allem zwei Stossrichtungen wichtig und dringend: Die zweite Säule ist zu reformieren und vor allem möglichst von politisch gesteuerten Parametern zu befreien. Bereits ist zwar zu hören, der von den Sozialpartnern ausgehandelte und im Sommer 2019 präsentierte Kompromissvorschlag sei nicht mehrheitsfähig.

Immerhin kursieren auch alternative Szenarien, wie zum Beispiel die Lösung des Pensionskassenverbands Asip. Fast ist man versucht zu sagen: Welche Reform kommt, ist egal. Handelt einfach! Und lafert nicht immer weiter. Nehmt etwas Mut und Entscheidungsfreude aus den letzten Monaten mit!

Warum nicht gleich einen Dauerauftrag zugunsten der dritten Säule einrichten?

Die zweite Handlungsmaxime betrifft die individuelle Selbstvorsorge, wobei die zu Beginn erwähnte Gesetzesänderung positiv zu vermerken ist. Viel wichtiger ist jedoch, das selbstständige Vorsorgesparen zu einem fixen Budgetposten zu machen und gleichzeitig die Flexibilität und Vorteile der Digitalisierung zu nutzen. Eine kürzlich unter dem Titel «Digitaler Wandel» präsentierte Studie der Universität St. Gallen ortet denn auch in diesem Bereich viel Potenzial.

Die Corona-Erfahrungen haben nicht nur zu tragischen finanziellen Engpässen in vielen Haushalten geführt. Sie haben dem einen oder anderen Haushalt auch aufgezeigt, dass plötzlich mehr Geld vorhanden ist, weil Ausgaben für (möglicherweise unnötigen?) Konsum zurückgegangen sind.

Warum also nicht gleich einen Dauerauftrag zugunsten der dritten Säule einrichten? Auch wenn nicht der Maximalbetrag eingezahlt wird, sollte dabei mindestens für Arbeitstätige in der ersten Lebenshälfte eine Wertschriftenlösung mit hohem Aktienanteil gewählt werden.

Dafür stehen mittlerweile kostengünstige Lösungen von zum Teil rein digitalen Anbietern zur Verfügung. Weitere vielversprechende Plattformen sind in den Startlöchern.

Das Aktiensparen in der Schweiz muss populärer werden, wie dies ein «visionärer» Financier schon vor rund zwanzig Jahren zu propagieren versuchte. Als individuelle Vorsorge im Rahmen der dritten Säule muss es den Nimbus von Risiko und Spekulation oder Intransparenz verlieren. Das grösste Risiko ist heute, zu wenig in die Vorsorge zu investieren.