Herr Graber, Sie blicken auf eine erfolgreiche Berufs- und Politikkarriere zurück. Was hat sie daran gereizt, die Funktion des curafutura-Präsidenten anzunehmen?

Nachdem ich vor vier Jahren als Ständerat zurückgetreten bin, erhielt ich diverse Anfragen für Mandate. Da hatte ich mich jedoch schon mit dem Gedanken angefreundet, dass ich definitiv in den Ruhestand gehe. Aber zu curafutura hatte ich als früherer Verwaltungsrat der CSS und in der ständerätlichen Gesundheitskommission schon zu ihren Gründungszeiten vor zehn Jahren und auch danach einen sehr engen Bezug. Daher wusste ich, welche sehr gute Arbeit dort geleistet wird. Zudem habe ich als früherer Partner von BDO einige NGOs strategisch begleitet und kenne deshalb die Eigenheiten von Verbänden. Meine Überlegung war: Ich konnte Erfahrungen aus so vielen Bereichen einbringen und davon profitieren, dass es für mich einfach passte, die Präsidentschaft anzutreten - sozusagen ein verspätetes Gesellenstück.  

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Konrad Graber: ein politisches Schwergewicht

Der diplomierte Wirtschaftsprüfer und Betriebsökonom HWV war von 2007 bis 2019 Ständerat für die ehemalige CVP (heute Mitte) des Kantons Luzern. Anschliessend ist Konrad Graber von der Politbühne abgetreten, war jedoch weiterhin in der Privatwirtschaft aktiv. So amtete als Verwaltungsratspräsident von Emmi und als Partner und Verwaltungsratsmitglied der Beratungsfirma BDO. Im Juni 2023 übernahm er von Josef Dittli das Präsidium von curafutura. 

Sie sind damit auf das politische Parkett zurückgekehrt. Was hat sich seit ihrem Abschied als Ständerat vor vier Jahren in der Politik resp. Gesundheitspolitik verändert?  

Angesichts der aktuellen Prämiendiskussionen ist natürlich viel Unruhe da, gerade in einem Wahljahr. Aber das war in der Gesundheitspolitik eigentlich immer der Fall. Derzeit sind viele politische Ideen unterschiedlicher Parteien unterwegs, wie man die Kostensteigerung im Gesundheitswesen eindämmen kann. Für mich ist es von Vorteil, dass ich die politischen Prozesse und auch die zuständigen Akteure kenne. Gesundheitspolitik ist  ein hochkomplexes Feld. Ich habe meine Aufgaben schon früher oft als die eines Übersetzers verstanden - und das tue ich heute noch. Jedenfalls versuchen wir, auf der Suche nach Lösungen einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Von Vorteil ist, dass ich niemandem mehr etwas beweisen muss und völlig unabhängig agieren kann - ohne Druck von aussen, wie es zu meinen Zeiten als Ständerat noch der Fall war. 

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Sie sind jetzt seit gut 100 Tagen im Amt: Wie fällt Ihre erste Bilanz aus? 

Für eine Bilanz ist es zu früh. Ich war schon bei Amtsantritt als curafutura-Präsident nicht der Ansicht, dass wir in drei Monaten alles umkrempeln müssen. Wir haben mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas), dem neuen Ärztetarif (Tardoc) und der Revision der Margenverordnung bei Arzneimitteln wichtige Lösungsvorschläge für Kosteneinsparungen angestossen und eingebracht, die jetzt in der Schlussrunde sind und eigentlich nur noch umgesetzt werden müssen. Das war harte Knochenarbeit. Die Stossrichtungen lagen schon zu meiner Zeit als Ständerat auf dem Tisch. Es ist von aussen betrachtet natürlich etwas frustrierend, wie lange die Prozesse dauern. Die Mühlen in der Politik mahlen nun mal zwar langsam - dafür resultieren in der Regel nachhaltige Lösungen. In einigen Monaten können wir  Bilanz ziehen, wie erfolgreich wir mit den erwähnten drei Projekten nach langjähriger und intensiver Mitarbeit waren. 

Die Mühlen in der Politik mahlen nun mal zwar langsam - dafür resultieren in der Regel nachhaltige Lösungen.

Konrad Graber, Präsident curafutura

Sind Sie optimistisch, dass diese Reformen in die Tat umgesetzt werden?

Jetzt spreche ich nicht als curafutura-Präsident. Als Bürger erwarte ich, dass die Projekte, die über Jahre erarbeitet worden sind und massive Kosteneinsparungen mit sich bringen, endlich umgesetzt werden. Angesichts der aktuellen Situation ist die Politik unter Handlungsdruck und muss Ergebnisse liefern. Das gilt sowohl für das Parlament wie auch für das heute und morgen zuständige Mitglied des Bundesrats. Wenn Bundesrat Alain Berset eine Zustimmung oder zumindest ein Durchbruch bei diesen Projekten gelingt, setzt er sich auch gesundheitspolitisch ein Denkmal. Von der Nachfolge ist der Wille zu erwarten, sich in dieses komplexe Dossier speditiv einzuarbeiten. Erst einmal eine zeitaufwändige Auslegeordnung zu machen und damit vermutlich wichtige Reformen auf die lange Bank zu schieben, wäre aus meiner Sicht verheerend. Die Diagnose in der Gesundheitspolitik ist längstens gemacht. Wir befinden uns in der Phase der Therapie und ohne zügiges Handeln landen wir in der Autopsie. Ich bin tatsächlich optimistisch, dass die reifen Projekte jetzt in die Tat umgesetzt werden.  

Gesundheit ist ein wichtiges Gut und darf seinen Preis haben. 

Konrad Graber, Präsident curafutura

Die Krankenkassenprämien sind mit durchschnittlich 8,7 Prozent so stark wie seit 20 nicht mehr gestiegen. Wird es immer so weitergehen und das Gesundheitssystem schlichtweg unbezahlbar? 

Klar, der jetzige Anstieg ist für uns Prämienzahlerinnen und -zahler unerfreulich. Trotz dieses massiven Anstieges von fast 10 Prozent beurteile ich die Situation bei nüchterner Betrachtung nicht ganz als so dramatisch. Die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung sind in den Jahren 2012 bis 2022 durchschnittlich um 2 Prozent gestiegen. Die Gesundheitskosten machen in der Schweiz etwa 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus - das ist im internationalen Vergleich konkurrenzfähig. Wir alle wollen einen zeitnahen Zugang zu medizinischen Spitzenleistungen, bestmögliche Therapien und den medizinischen Fortschritt. Das ist nicht umsonst zu haben. Zumal wir immer älter werden und damit zusätzliche Kosten generieren. Gesundheit ist ein wichtiges Gut und darf seinen Preis haben. 

Dem Krankenkassenverband Curafutura gehören die Kassen CSS Versicherung, Helsana, Sanitas und KPT an.

Wäre es bei der Durchsetzung von Reformvorhaben nicht einfacher, wenn curafutura und santésuisse ihre Kräfte bündeln würden - Stichwort Fusion?

Zuerst: Zwei Krankenkassenverbände sind nicht das bedeutendste Problem des schweizerischen Gesundheitswesens, auch wenn es für die Politik vielleicht manchmal bequemer wäre, sich nur mit einer Meinung auseinanderzusetzen. Und selbstverständlich ist eine Bündelung der Kräfte von Vorteil. Wir arbeiten deshalb auch in vielen Themen erfolgreich zusammen und machen regelmässig eine gemeinsame Auslegeordnung mit dem Ziel, fokussiert aufzutreten. Aber wenn wir ehrlich sind, gibt es eben gerade in der Gesundheitspolitik nicht nur schwarz und weiss, sondern unterschiedliche Positionen. In anderen Bereichen - zum Beispiel in der Verkehrspolitik oder der Wirtschaft allgemein - bestehen sogar eine Vielzahl von Interessenverbänden, was von niemandem kritisiert wird. 

Curafutura feiert in diesem Jahr ihr 10jähriges Bestehen. Wo befinden sich der Verband und die Gesundheitspolitik in zehn Jahren?

Wir sind nur ein Player unter vielen in der Gesundheitspolitik, an den Schalthebeln sitzen der Bundesrat, die Kommissionen und das Parlament. Was die Allgemeinheit stört, sind Systemfehler, Ineffizienzen, Doppelspurigkeiten, falsche Anreize und Intransparenz. Darauf sind unsere Aktivitäten ausgerichtet und diese gilt es zu eliminieren. In diesem Bereich liegen Milliarden Kostensenkungspotenzial. Was wichtige Vorhaben anbelangt: Da stehen natürlich die Diskussionen um den Leistungskatalog im Gesundheitswesen, die Balance zwischen Steuern, Prämien und Direktbeiträgen, dann die Spitalregionen inklusiv möglicher Eingriffe in den Föderalismus, Zusammenschlüsse bei Krankenkassen, Fachkräftemangel und der Digitalisierungsschub im Vordergrund. Es wird uns also nicht langweilig werden und curafutura wird auch in Zukunft gewichtige Vorschläge für kostensparende Massnahmen einbringen. Dafür haben wir bestimmt die erforderliche Durchschlagskraft und Ausdauer. 

Was die Allgemeinheit stört, sind Systemfehler, Ineffizienzen, Doppelspurigkeiten, falsche Anreize und Intransparenz.

Konrad Graber