Obwohl das Drei-Säulen-Prinzip für 86 Prozent der Schweizer Rentnerinnen und Rentner finanzielle Sicherheit schafft, leben aktuell beinahe 300’000 Schweizer Seniorinnen und Senioren an der Armutsgrenze. 46’000 von ihnen sind ausweglos arm, was bedeutet, dass sie nicht in der Lage sind, ihr kleines Einkommen mittels Ersparnissen zu kompensieren. Diese Zahlen stammen aus dem aktuellen Altersmonitor von Pro Senectute Schweiz. «Unsere jüngste Studie zur Altersarmut zeigt uns, dass die Problematik trotz sozialen Sicherungssystemen nicht gelöst ist», betont Alexander Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Innovation & Politik bei Pro Senectute Schweiz. «Als Gesellschaft müssen wir uns bewusst werden, dass Altersarmut auch im 21. Jahrhundert weit verbreitet ist.» 

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Und sie wird bestimmt nicht abnehmen. Denn rein demografisch nimmt der Anteil der älteren Bevölkerung zu, was wiederum bedeutet, dass die Altersarmut in absoluten Zahlen zunimmt. «Hinzu kommt, dass die Teuerung der Lebenshaltungs- und Nebenkosten aufgrund der aktuellen Energieknappheit viele ältere, armutsgefährdete Menschen hart trifft.»

Dieser Artikel ist Teil der Market Opinion «Private Vorsorge – (k)ein Tabuthema», die in Zusammenarbeit mit der Sammelstiftung Vita realisiert wurde.

Drei-Säulen-Prinzip weist Lücken auf

Neben Frauen und ausländischen Staatsangehörigen sind vor allem Personen ohne sekundäre oder tertiäre Ausbildung im Alter von finanziellen Nöten betroffen. Sie alle gehören zu denjenigen Arbeitstätigen, die im Dreisäulensystem der schweizerischen Altersvorsorge nur lückenhaft versichert sind. Zudem laufen auch Menschen, die auf dem Land leben, eher Gefahr, im Alter weniger zum Leben zu haben, als die ältere Bevölkerung in den Städten. «Wobei dies neben dem Lohnniveau wohl auf den Nichtbezug von Ergänzungsleistungen zurückzuführen sein dürfte», erklärt Alexander Widmer. Zudem existieren im städtischen Umfeld oft Zusatzleistungen, wie zum Beispiel für die Miete.

Systembedingte Rahmenbedingungen als Nadelöhr

Interessant ist, dass sich die Faktoren, die zu Altersarmut führen, in den vergangenen Jahren nicht unbedingt verändert haben. «Verändert haben sich aber die systembedingten Rahmenbedingungen und die steigende Lebenserwartung», konstatiert Marcel Oertig, Stiftungsratspräsident der Sammelstiftung Vita. Gemäss Oertig gibt es Annahmen, dass die heute 30- bis 40-Jährigen in tieferen Einkommensschichten in Bezug auf zukünftige Altersarmut besonders betroffen sein dürften: Personen, die in 20, 30 Jahren in die Rente gehen – unter Antizipation von weitgehenden sehr tiefen Zinsen, Umverteilung und zusätzlichen Steuern und Abgaben – können weniger ansparen, haben bei der Pensionierung weniger Vermögen, leben aber länger. 

Säule 3a interessanter machen

Das künftige Armutsrisiko älterer Menschen hängt somit stark davon ab, ob die bestehenden Vorsorgewerke an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden können. «Nur so kann die bisher gut funktionierende Altersvorsorge weiter Bestand haben, ansonsten erleidet sie massive Kürzungen», ist Marcel Oertig überzeugt. Neben einer Erhöhung beziehungsweise Flexibilisierung des Rentenalters sollten von den politischen Verantwortlichen der Koordinationsabzug sowie der BVG-Mindestumwandlungssatz und die Eintrittsschwelle in die berufliche Vorsorge unter die Lupe genommen und gegenüber heute verändert werden. Denn, so der Stiftungsratspräsident der Sammelstiftung Vita, die Einkommensungleichheiten sind in der zweiten Säule noch immer gross.

Da die Mühlen der Politik bekanntlich langsam mahlen, ist es immer wichtiger, nicht nur frühzeitig und kontinuierlich in die erste und die zweite Säule einzuzahlen, sondern die finanzielle Absicherung auch durch Selbstvorsorge zu ergänzen. Dazu zählt neben dem Sparen auch der Aufbau einer dritten Säule. Bei dieser gilt: Jeder Franken zählt, und zwar je früher, desto besser. Mittels intuitiver User Experience und Gamification versuchen mittlerweile viele Anbieter von privaten Vorsorgeprodukten, die junge Generation dazu zu bewegen, sich schon Jahrzehnte vor der Pension um ihr finanzielles Polster im Alter zu kümmern. Ob es nützt, wird sich weisen.