Auf Einladung der Vienna Insurance Group fand Mitte April die «IIF 2024 - ESG in Insurance Conference» mit hochkarätigen Versicherungsexpertinnen und -experten in Wien statt. Die Vorsitzende der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA), Petra Hielkema, gab in ihrer Rede die Einblicke in die Gegenwart und Zukunft von ESG innerhalb des Regulierungs- und Aufsichtsrahmens der EU für Versicherer.  

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Dabei betonte sie, dass es trotz der zahlreichen Herausforderungen keinen Grund für Pessimismus gebe. Zwar habe sich die Zahl der Naturkatastrophen in den letzten 40 Jahren laut Zahlen von Munich Re mehr als verdreifacht und die direkten wirtschaftlichen Verluste belaufen sich gemäss Statistiken von Swiss Re allein in 2023 auf fast 300 Milliarden Dollar. Dies bedeute aber vor allem, dass Wirtschaft und Gesellschaft sich an die Arbeit machen müssten, um die Situation zu verbessern. Die Versicherer würden im Kampf gegen den Klimawandel einen wertvollen Beitrag leisten. 

Informationen sind wichtiger Baustein

Dabei gelte es vor allem, zu informieren, zu inkorporieren, zu investieren und zu incentivieren. Der Kampf gegen den Klimawandel beginne mit der Sammlung von zuverlässigen, genauen und umsetzbaren Informationen. Daten seien notwendig, um das Risiko messen zu können und zu verstehen, wo es weitere Schutzmassnahmen benötige, um das Risiko zu vermindern. Damit auch kleine Versicherer Zugang zu Daten und Modellen erhalten, hat EIOPA hochwertige Daten und Werkzeuge in einem Open-Source-Format kostenlos zur Verfügung zu stellen, so Hielkema. Zudem habe EIOPA im vergangenen Jahr einen klimabezogenen Stresstest für betriebliche Pensionsfonds durchgeführt und wird in diesem Jahr an einem gemeinsamen Stresstest mit europäischen Aufsichtsbehörden teilnehmen, der den gesamten EU-Finanzsektor von Banken und Märkten bis hin zu Versicherern abdeckt.

Erkenntnisse in Risikobewertung einbeziehen

Das Klimarisiko sei für Versicherer sehr relevant. Um die Stabilität des Sektors aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass die Versicherer auch angesichts steigender Klimarisiken weiterhin Versicherungsleistungen für Haushalte und Unternehmen erbringen können, bestehe ihrer Ansicht nach der nächste logische Schritt darin, diese Erkenntnisse in die Risikobewertung und den aufsichtsrechtlichen Rahmen einzubeziehen. Dafür hat EIOPA einen Anwendungsleitfaden zu Wesentlichkeitsbewertungen und Klimaszenarien veröffentlicht. Ein weiteres Element sei die Frage, wie die Regulierung Vermögenswerte und Aktivitäten behandeln sollte, die mit ökologischen und sozialen Zielen verbunden sind - und solchen, die ihnen schaden. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob die Versicherer Vermögenswerten und gezeichneten Geschäften, die unter Nachhaltigkeitsaspekten riskanter sind, mehr Kapital zuweisen müssen als solchen, die «zukunftssicherer» sind. Die Konsultationen seien abgeschlossen, das weitere Vorgehen aber noch unklar. 

Private Investitionen fördern

Was den Bereich der Investitionen anbelangt, würde Europa laut Schätzungen der Europäischen Kommission und der Europäischen Umweltagentur jährlich zusätzliche 480 bis 520 Milliarden Euro benötigen, um seine Nachhaltigkeitsziele für 2030 zu erreichen. Dies könne die öffentliche Hand nicht alleine stemmen. Deshalb seien private Investitionen in zukunftsorientierte, nachhaltige Projekte unverzichtbar. Langfristig orientierte Investoren wie Versicherer und Pensionsfonds gehören dabei zu den am besten geeigneten institutionellen Anlegern, um sich zu engagieren, betonte Hielkema. Versicherer und betriebliche Pensionsfonds im Europäischen Wirtschaftsraum verfügen zusammen über eine Bilanzsumme von weit über 10 Billionen Euro. Eine frühere Analyse der EIOPA hat gezeigt, dass nur 2,6 Prozent der Bestände an Unternehmensanleihen und -aktien von Versicherern und 4,5 Prozent der Bestände von betrieblichen Pensionsfonds an der EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten ausgerichtet sind. Der Anteil nachhaltiger Anlagen kann also noch erheblich gesteigert werden. Dafür seien mehr Klarheit und Transparenz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung vonnöten. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, soll die Berichterstattung intelligenter und effizienter gemacht werden. 

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Versicherungslücken vermeiden

In Europa besteht eine akute Lücke beim Schutz vor Naturkatastrophen, stellte Hielkema klar. Fast 75 Prozent der Schäden, die durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen und Waldbrände entstehen, sind auf dem Kontinent nicht versichert - und das Risiko werde immer grösser. Das müsse durch eine höhere Versicherungsdurchdringung geändert werden. Deshalb haben EIOPA und die Europäische Zentralbank gemeinsam politische Vorschläge unterbreitet, um eine breitere Diskussion über dieses wichtige Thema anzustossen. Die Vorschläge reichen von Katastrophenanleihen bis hin zu gut konzipierten öffentlich-privaten Partnerschaften. 

Zum Handeln übergehen

Die Klimarisiken würden aber dennoch bestehen bleiben und die Auswirkungen des Klimawandels seien bereits spürbar. Es sei wichtig, mit seinen Realitäten zu leben und sich anzupassen. Es müssten kreative Lösungen gefunden werden, um das Risiko so weit wie möglich zu verringern. Auch hier spielen die Versicherer eine wichtige Rolle. Mit «Impact Underwriting» könnten die Versicherer ihre Versicherungsnehmer dazu bringen, Risiken zu reduzieren, zum Beispiel durch den Einbau hochwassersicheren Wänden und Türen oder die Verwendung von hagelfesten Dachziegeln. Risikominderungsmethoden wie diese könnten dazu beitragen, dass Versicherungen auch angesichts des Klimawandels verfügbar und bezahlbar bleiben. «Lassen Sie uns vom Pessimismus zum Handeln übergehen, damit die Angst der Hoffnung weichen kann», schloss Hielkema ihre Rede mit positiven Worten.