Im Gesundheitsbereich bestehen finanzielle Anreize, die zu unnötigen Behandlungen führen können. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK).

Die EFK hat geprüft, ob es im Krankenversicherungssystem finanzielle Anreize gibt, Operationen oder andere Leistungen zu erbringen, die eigentlich gar nicht nötig wären.

Solche Operationen oder Behandlungen sind laut dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) verboten. In Art. 32 wird festgehalten, dass Leistungen, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden, wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen (WZW-Kriterien).

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Geprüft wurde die Frage nach den finanziellen Anreizen anhand von drei chirurgischen Eingriffen: der Behandlung von verengten oder blockierten Blutgefässen (Kardiologie), der Prostataentfernung (Urologie) und der Operation bei Wirbelfrakturen (mehrere Disziplinen). 2017 verursachten diese Operationen bei rund 20'000 Personen Kosten von fast 250 Millionen Franken.

Prostataentfernung viermal teurer mit Zusatzversicherung

Die EFK kommt in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht zum Schluss, dass es im Krankenversicherungssystem «erhebliche finanzielle Anreize mit wenig bekannten Auswirkungen gibt» - vor allem bei der Behandlung von zusatzversicherten Patienten.

Die EFK habe festgestellt, dass bei der Entfernung der Prostata bei einem Privatversicherten die Vergütung viermal höher ist als bei einem Versicherten ohne Zusatzversicherung. Bei den Operationen wird auch die Grundversicherung belastet, weil sie die Hälfte des nach dem gesetzlichen Tarif zulässigen Betrags übernimmt.

Zusatzversicherte oft stationär behandelt

Auch bei der Erweiterung der Blutgefässe spiele es durchaus eine Rolle, wie der Patient versichert sei. Weil mit einem Spitalaufenthalt eines Privatpatienten mehr Geld verdient werden könne, würden Zusatzversicherte oft stationär behandelt, während Grundversicherte ambulant behandelt würden.

Die EFK spricht in ihrem Bericht jedoch auch von einem «indirekten wirtschaftlichen Druck auf die Ärzte». Die Spitäler müssten Gewinnmarchen erwirtschaften, um ihre Investitionen absichern zu können. Darüber hinaus müssten Privatspitäler die Vergütung der Eigentümer sicherstellen. Ihre finanziellen Ziele seien dadurch «deutlich über denen des öffentlichen Sektors».

Grosse Preisunterschiede für die gleiche Operation

Generell mangle es beim Krankenversicherungsgesetz an Transparenz, kritisiert die EFK. So könne zum Beispiel eine Operation einer Wirbelfraktur mit einem sogenannten Stent bei derselben Operation ganz unterschiedliche Kosten verursachen. Die Preise variierten zwischen 1200 und 3500 Franken.

Die Krankenkassen würden auch kaum ihre Kontrollaufgaben wahrnehmen. Die Versicherer sollten prüfen, ob die abgerechneten Leistungen die gesetzlichen Auflagen erfüllen. Die EFK hält fest, dass Versicherer «kaum eine Möglichkeit» hätten, die Richtigkeit der medizinischen Leistung zu gewährleisten. Die Kontrolle konzentriere sich vor allem auf die Konformität der Abrechnung der Behandlungen.

Angemessenheit medizinischer Interventionen prüfen

In der Pflicht sind laut der EFK aber auch die Kantone: Diese setzen die Rahmenbedingungen für ihre Spitäler, prüften aber trotz Mitfinanzierung die effektive Indikationsqualität nicht. Der Begriff der Indikationsqualität umfasst die Angemessenheit und Notwendigkeit medizinischer Interventionen. Eine Intervention ist dann angemessen, wenn der medizinische Nutzen für den Patienten grösser ist als das Risiko.

Bei den Spitälern seien die Indikationskontrollen sehr unterschiedlich, in Kliniken etwas einheitlicher.

Sparpotenzial von 20 Prozent

Die Gesundheitskosten sind zwischen 2013 und 2018 jährlich um rund 4,3 Prozent auf 85 Milliarden Franken gestiegen. Eine Expertengruppe des Innendepartements von Gesundheitsminister Alain Berset geht von einem Sparpotenzial von 20 Prozent der Ausgaben aus, wie es 2017 in einem Bericht hiess.

(sda/gku)