Herr Schena, sind Sie immer noch auf Partnersuche?
Wie kommen Sie darauf?

Nun, mit ihrer landesweit ausgerichteten Werbekampagne verlassen Sie ihre engere bündnerische Heimat. Das sieht für mich danach aus, als ob Sie die Braut ÖKK attraktiv machen, um dereinst mit einem anderen Kranken- und Unfallversicherer zusammenzuspannen, um den gesamtschweizerischen Markt zu bearbeiten.
Wir sind stolz auf unsere Bündner Herkunft und zeigen das auch gerne: aus Graubünden, für die ganze Schweiz. Dass ÖKK ihre Produkte und Dienstleistungen schweizweit anbietet, ist nichts Neues. Mehrere Krankenversicherer in der ganzen Schweiz bieten erfolgreich unsere Zusatzversicherungen unter ihrem eigenen Namen an. Das versicherungstechnische Risiko tragen wir. Ein Geschäftsmodell, das sich für uns bewährt hat und das wir stetig weiterentwickeln.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Verlässliche und tragfähige Partnerschaften sind heute wichtiger denn je; im privaten Umfeld und auch im geschäftlichen Kontext. Im auslaufenden Jahr sind wir zum Beispiel mit Swiss Cycling eine strategisch wichtige Partnerschaft eingegangen, ebenso wie wir uns für den Vorsorge-Hub Diventa mit der GKB zusammengetan haben – um nur zwei Beispiele zu nennen. 

Klingt nach «make or buy».
Die Frage nach «make or buy» in Bereichen des Kernbusiness stellen wir uns natürlich auch immer wieder – gerade bei Investitionen und Partnerschaften. Aber auch im laufenden Betrieb und immer mit Rücksicht darauf, unsere Eigenständigkeit beizubehalten.

«Seit Startups mit wenig Ressourcen und grossen Ideen ganze Branchen auf den Kopf stellen, dürfte uns allen klar sein, dass es auf die Grösse allein nicht ankommt.»

Mit rund 175’000 Privatpersonen, 14’000 Firmenkunden und über 400 Mitarbeitenden generiert ÖKK ein jährliches Prämienvolumen von fast 800 Millionen Franken. Im Marketing spricht man von «stuck in the middle»: zu gross, um nur eine regionale Rolle zu spielen; zu klein, um landesweit mitzuhalten. Einverstanden mit meiner Einschätzung?
Seit Startups mit wenig Ressourcen und grossen Ideen ganze Branchen auf den Kopf stellen, dürfte uns allen klar sein, dass es auf die Grösse allein nicht ankommt. Viel wichtiger sind heute innovative Dienstleistungen und auf Kundenbedürfnisse ausgerichtete Produkte. Als KMU bewegen wir uns geschickt zwischen den Polen: Wir verfügen über die finanzielle Stabilität und die Möglichkeiten eines grossen Unternehmens, sind durch unsere noch überschaubare Grösse flexibel und können mit flachen Hierarchiestrukturen agil reagieren und rasch umsetzen.

Abgesehen von der Nordostschweiz, dem Tessin, Bern und Luzern sind Sie kaum präsent. Mit einem hohen Marktanteil von 50 Prozent können Sie in Graubünden kaum mehr wachsen. Wie soll es jetzt weitergehen?
Wenn Sie sich das bildlich vorstellen, merken Sie, dass wir damit bereits in drei von vier Sprachregionen und geografisch gesehen grossräumig in der halben Schweiz mit unseren Agenturen vor Ort sind. Das würde ich nicht als «kaum präsent» bezeichnen. Zudem zeigt sich, dass die physische Präsenz gerade in ländlichen Regionen nach wie vor von grosser Bedeutung ist. Aber auch da, wie auch in städtischen Regionen sowieso, bewegen sich für uns interessante Zielgruppen immer hybrider und digitaler. Unserer Bündner Herkunft und damit auch der persönlichen Beziehung mit unseren Kundinnen und Kunden bleiben wir treu – das funktioniert aber genauso gut an der Schnittstelle analog/digital. Die Mischung machts: Wir wollen auch in einer zunehmend digitalen Welt persönlich für unsere Kundinnen und Kunden da sein. Darauf konzentrieren wir uns in unserer Strategie für die kommenden Jahre.

Und doch: Vor zehn Jahren hatten Sie anlässlich des Baus des neuen Hauptquartiers gesagt, dass Sie dank einem Zusammengehen mit anderen Krankenkassen auf nationaler Ebene präsenter sein wollen. Sie hatten sogar bereits Verhandlungen mit mehreren möglichen Partnern geführt und eine Fusion in Aussicht gestellt. Daraus ist offensichtlich nichts geworden. Was war schiefgelaufen?
Wir führen laufend Gespräche zu Partnerschaften und Vertriebskooperationen und konnten in den vergangenen Jahren interessante Zusammenarbeiten realisieren – zum Beispiel die Vertriebskooperation mit Generali und Emmental Versicherung, welche unsere Versicherungen anbieten. Wir haben zudem unser Marktgebiet sowohl im Privatkunden- als auch im Unternehmensgeschäft durch Fusionen mit der Krankenversicherung Flaachtal sowie der kmu-Versicherung erweitert. Im Geschäftlichen ist es wie im Privaten: Beziehungen setzen Vertrauen voraus und entstehen nicht von heute auf morgen.

Immerhin: Im Frühjahr 2019 sind Sie mit Generali Schweiz eine Vertriebskooperation eingegangen. Wie hat sich das angelassen?
Wir sind in der Ostschweiz und in der Südschweiz stark verankert und erweitern unser Marktgebiet Schritt für Schritt in die weitere Deutschschweiz. Hierbei sollte uns die Vertriebskooperation mit Generali unterstützen, wobei es bis jetzt noch klar Luft nach oben gibt. Nicht alle Kooperationen sind auf Anhieb erfolgreich. Aufgrund der Pandemie haben sich die Gespräche mit unseren Vertriebspartnern dieses Jahr etwas verschoben. Mit einer gemeinsamen Situationsanalyse werden wir die Zusammenarbeit für das nächste Jahr definieren und optimieren.

«Wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen im Versicherungssektor, aber auch im Gesundheitsbereich sehr genau und mit grossem Interesse»

Werfen wir doch noch einen Blick auf die Produktepallette: ÖKK bietet Versicherungslösungen aus den Bereichen Krankheit, Unfall, Erwerbsausfall und berufliche Vorsorge. Zusammen mit Partnerfirmen decken Sie auch die Bereiche Lebens-, Haftpflicht- und Sachversicherungen ab. Wie sehen die weiteren Pläne aus?
Wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen im Versicherungssektor, aber auch im Gesundheitsbereich sehr genau und mit grossem Interesse. Erkenntnisse lassen wir in unsere Strategie 2025 einfliessen, zu der ich Ihnen dann im kommenden Frühling gerne mehr sagen kann.

Per 1. Januar 2021 lancieren Sie zusammen mit der Graubündner Kantonalbank GKB die Pensionskassen-Verwaltungsgesellschaft Diventa. Was ist deren Ziel?
Seit nunmehr 20 Jahren betreibt ÖKK eine BVG-Sammelstiftung für unsere Unternehmenskunden. Die Verwaltung der Pensionskassen haben wir seit jeher ausgelagert. Mit der Gründung von Diventa, zusammen mit der Graubündner Kantonalbank, bieten wir Unternehmen schweizweit umfassende Vorsorgedienstleistungen aus einer Hand an. Als digitale Full-Service-Plattform mit Know-how aus Bank und Versicherung übernimmt Diventa auf Wunsch die Geschäftsführung, Buchhaltung und auch Verwaltung der Pensionskassen.

Warum die Kooperation mit der GKB? Das hätte ÖKK doch auch allein auf die Beine stellen können.
Sie hatten mir eingangs die Frage nach den Partnerschaften gestellt. Warum sollten GKB und ÖKK jede im stillen Kämmerlein Vorsorgedienstleistungen auf die Beine stellen, die sich schlussendlich noch konkurrenzieren? So funktioniert das heute nicht mehr. Die ÖKK Gesellschaften bringen ihr gesamtes Versicherungs-Know-how mit ein und die GKB ihre Erfahrung in der Vorsorge-, Pensions- und Finanzplanung. Diese Kombination aus Beratungs- und Vertriebskompetenz liefert ausgezeichnete Voraussetzungen für den neuen Bündner Vorsorge-Hub in der ganzen Schweiz.

Speziell scheinen mir die Minderheitsbeteiligungen der ÖKK. Beteiligungen an der Centris AG, welche IT-Lösungen für Kranken- und Unfallversicherungen bietet, oder der MediData AG kann ich noch nachvollziehen. Aber solche wie die an der KIMI Krippen AG, an der Shubidu AG oder an der Bookateacher AG kann ich strategisch nicht nachvollziehen. Können Sie klären?
Bei den Beteiligungsmöglichkeiten überlegen wir uns immer, ob es eine strategische oder eine finanzielle Beteiligung sein soll. Bei oben erwähnten Beteiligungen handelt es sich hauptsächlich um strategische Beteiligungen. Als Versicherer oder besser gesagt als Finanzdienstleister ist man austauschbar und mit wohl überlegten Beteiligungen können wir diese Austauschbarkeit einschränken und die Kundenbindung, aber auch die Kundenakquisition unterstützen bzw. verstärken und dabei die Kundenschnittstelle behalten.

«Wir Bündner sehen uns als kollegiale und unkomplizierte Zeitgenossen.»

Sie positionieren die ÖKK als «Versicherung mit gesundem Bündnerverstand». Was zeichnet den «gesunden Bündnerverstand» aus?
Der gesunde Bündnerverstand lehnt sich an den gesunden Menschenverstand an, geht aber noch weiter: Wir Bündner sehen uns als kollegiale und unkomplizierte Zeitgenossen. Wir versprechen nicht zu viel und sind verlässlich – wie ein Bündner Freund eben. Diese Werte leben wir bei ÖKK und als Unternehmen mit Bündner Wurzeln lassen wir sie in unsere tägliche Arbeit einfliessen.

Im Gegensatz zum Verwaltungsrat ist die GL ein reines Männergremium, obwohl sich ÖKK als «nachhaltiges und faires» Unternehmen profilieren möchte. Bezüglich «gender equality» besteht also noch Potenzial, um es einmal diplomatisch auszudrücken.
Die Geschlechterverteilung in unserer GL könnte in der Tat ausgeglichener sein. Auf mittlerer und oberer Managementstufe arbeiten bei uns einige sehr fähige Frauen mit Potenzial. Frauenförderung ist uns wichtig. Jedoch ist für mich «gender equality» nicht mit Frauenförderung gleichzusetzen, sondern geht noch weiter. Mit unseren neu gestalteten, sehr flexiblen, zeit- und ortsunabhängigen Arbeitsmodellen geben wir zum Beispiel sowohl Müttern als auch Vätern die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren, und ermöglichen werdenden Müttern, wo immer möglich, auch in einem tieferen Pensum im Betrieb zu verbleiben.

ÖKK ist neu offizieller Partner von Nino Schurter, einem der weltbesten Mountainbiker mit Bündner Wurzeln. Und seit knapp zwei Jahren unterstützen Sie als Sponsor auch den Hockey Club Davos. Was ist die Überlegung hinter solchen Engagements?
Wir wollen in der ganzen Schweiz sichtbar und bekannt werden. In Graubünden ist uns dies mit einem Marktanteil von 50 Prozent bereits gut gelungen – mit Herz, persönlich und fair. Diese Werte unserer Bündner Herkunft wollen wir nun in die ganze Schweiz tragen. Und wie geht das besser als mit emotionalen Sportarten wie Eishockey und Radsport, welche tausende von Schweizerinnen und Schweizern begeistern, und noch dazu mit so erfolgreichen Bündner Sportlern?

Ab und zu tragen Sie eine Brille mit rotem Gestell. Ist das eine Anlehnung an die rote CI-Farbe von ÖKK? Oder mögen Sie es zwischendurch einfach mal bunt?
Sie haben mich offenbar gut beobachtet. Auch als Brillenträger versuche ich nicht einfach, dem Mainstream zu folgen. Nebst der roten habe ich noch etwa vier weitere Brillen in verschiedenen Farben. Mag sein, dass ich einen «Brillentick» habe. Aber viel mehr als die Farbe zählt für mich der klare Blick, den mir unter anderem meine Brillen ermöglichen. Denn den Durchblick braucht es im Leben.