Der Autor

Diego Taboada ist seit September 2020 bei Avenir Suisse als Researcher im Bereich Tragbare Sozialpolitik tätig. Zuvor arbeitete er im Sekretariat der Jungfreisinnigen in Bern.

Anfang Jahr wurde ein Gebäude an der Rue du Rhône in Genf von der Pensionskasse des Personals des Kantons Zürich übernommen. Kostenpunkt: 138 Millionen Franken. Laut der «Tribune de Genève» handelt es sich dabei um eine der grössten Transaktionen der letzten zehn Jahre in der Stadt am Zipfel des Lac Léman.

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Steigende Immobilienwerte

Dieses Beispiel verdeutlicht das wachsende Interesse der Pensionskassen an Immobilieninvestitionen. So stieg der Anteil von Schweizer Immobilien an den von autonomen und teilautonomen Pensionskassen gehaltenen Vermögenswerten zwischen 2008 und 2020 von 15,4 auf 17,7 Prozent (BFS 2022). Im Gegensatz dazu besitzen Anbieter einer Vollversicherung vergleichsweise weniger Immobilienvermögen: 2008 machte es 13,1 Prozent aus, während es 2020 nur noch 11,7 Prozent betrug (Finma 2022). Insgesamt ist der Wert des Immobilienvermögens aller Vorsorgeeinrichtungen von 99 auf 213 Milliarden Franken gestiegen, was einer jährlichen Zunahme von 7 Prozent entspricht. Das heisst, der Anteil an Immobilenvermögen ist von 15,0 auf 17,4 Prozent gewachsen. Zum Vergleich: Das gesamte verwaltete Vermögen stieg im selben Zeitraum von 667 Milliarden auf 1230 Milliarden Franken.

Dieser Appetit auf Beton lässt sich vor allem durch die Situation auf den Finanzmärkten erklären, die von niedrigen oder sogar negativen Zinsen geprägt ist, was Anleihen unattraktiv macht. Immobilien bieten ein gutes Gleichgewicht zwischen Rendite und Stabilität. Laut UBS sind sie sogar eine der Anlagen mit den höchsten durchschnittlichen Renditen (6,24 Prozent zwischen 2009 und 2021). Darüber hinaus generieren Immobilien durch Mieteinnahmen regelmässige Liquiditätszuflüsse, die für die Zahlung der Renten unerlässlich sind.

Dieser Run auf Immobilien wirft jedoch auch Fragen auf. Die «Spekulation» und der Renditehunger der Kassen bedeute, dass die Immobilienpreise auf Kosten der Mieter und der Mittelschicht steigen, lautet eine oft geäusserte Kritik.

Nur sechs Prozent des Schweizer Immobilienbestands

Erobern die Pensionskassen wirklich den Immobilienmarkt? Zwar besitzen die Vorsorgeeinrichtungen tatsächlich mehr Liegenschaften als noch vor zwölf Jahren, doch der Wert des gesamten Immobilienbestands – Einfamilienhäuser, Miet- und Eigentumswohnungen, Büro- und Geschäftsgebäude – ist ebenfalls gestiegen. Zwischen 2008 und 2020 wuchs er laut Wüest & Partner von 1761 Milliarden auf 3780 Milliarden Franken. Setzt man diese Zahlen in Relation zum erwähnten Immobilienvermögen der Pensionskassen, so beträgt der Anteil der Pensionskassen nur 6 Prozent des Gesamtvermögens. Dieser Wert hat sich seit 2008 nicht verändert.

Die Pensionskassen investieren vor allem in Renditeobjekte. Ein Vergleich mit dem Markt für Mietobjekte ist daher aussagekräftiger. Auch hier ist der Marktanteil der Vorsorgeeinrichtungen seit 2008 sehr stabil geblieben und schwankte zwischen 16 und 18 Prozent des Mietwohnungsbestands. Anders ausgedrückt: Zwischen 82 und 84 Prozent des Mietmarktwerts werden nicht von den Vorsorgeeinrichtungen gehalten, sondern von anderen privaten oder öffentlichen Akteuren wie Banken, Anlagefonds, Kantonen und Gemeinden oder auch Privatpersonen. Die Vorstellung eines Immobilienmarktes, der nach und nach von den Vorsorgeeinrichtungen dominiert wird, entspricht nicht der Realität.

Pensionskassen folgen dem Markt

Die Zahlen zeigen: Mit einem Anteil von 17 Prozent an Mietobjekten sind Pensionskassen zwar ein wichtiger Marktteilnehmer, aber bei weitem nicht marktbeherrschend. Dies gilt umso mehr, als ihre Guthaben unter den 1400 Vorsorgeeinrichtungen aufgeteilt sind. Auch wenn einige Kassen über beträchtliche Mittel verfügen, können sie die Marktpreise nicht allein diktieren. Der Anstieg der Investitionen in Immobilien folgt dem allgemeinen Markttrend, der in erster Linie die Entwicklung von Angebot und Nachfrage widerspiegelt.

Der relative Anteil der Pensionskassen an der Gesamtzahl der Investoren ist seit zwölf Jahren stabil geblieben. Wir sind weit entfernt vom Bild einer zunehmenden Kontrolle der Vorsorgeeinrichtungen über den Immobilienmarkt, die es ihnen ermöglichen würde, das Wetter auf dem Immobilienmarkt zu bestimmen.

Der Artikel ist zum ersten Mal erschienen in Avenir Suisse News 10/2022 vom 11. März 2022