In einer kürzlich präsentierten Studie der ZHAW, erstellt in Zusammenarbeit mit den Studienpartnern Zühlke und Synpulse, wurde das Thema Ökosysteme für die Versicherungsindustrie untersucht. Was bedeutet dies für das Thema Bancassurance? Unter einem Ökosystem verstehen die Autoren der Studie das Zusammenwirken mehrerer Anbieter, um gemeinsam einen besseren Kundennutzen zu generieren, also zum Beispiel Zeitersparnis, Convenience oder ein besseres Kundenerlebnis. Ein echtes Ökosystem entsteht dann, wenn mit jedem zusätzlichen Teilnehmer der Kundennutzen steigt. Deswegen entwickeln sich erfolgreiche Ökosysteme exponentiell und haben die Tendenz, hohe Marktanteile zu gewinnen. 

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Ist Bancassurance ein Ökosystem?

Bei Bancassurance-Kooperationen schliessen sich ebenfalls eine Versicherung und eine Bank zusammen, um einen bessere Kundennutzen zu generieren. Soweit diese Kooperationen exklusiv sind, und das sind sie oft, haben sie allerdings nicht das Potenzial zu exponentiellem Wachstum. Dafür bräuchte es eine «Bancassurance-Plattform», an der eine Mehrzahl von Banken und Versicherungen teilnehmen. Von diesem sehr entscheidenden Punkt abgesehen, haben Ökosysteme und Bancassurance eine grosse Überlappung und Bancassurance macht einen grossen Teil der Kooperationen im Markt aus. 

Bancassurance nicht nur in der Vorsorge

Die Studie identifiziert drei Lebensbereiche, in denen sich Ökosysteme mit Versicherungsbeteiligung hauptsächlich entwickelt haben:

  • Mobilität: Der Grossteil der bestehenden Kooperationen zum Thema «Mobilität» drehen sich ums Auto. Vor allem der Autokauf, die Finanzierung und die Versicherung werden gebündelt angeboten. Sowohl die Finanzierung wie die Versicherung können als Anknüpfungspunkt zum Vertrieb eines gebündelten Angebotes dienen. Es zeichnet sich aber ab, dass vor allem die Autohäuser den Markt für den Abschluss solcher gebündelten Angebote beherrschen werden. Im Schadenfall jedoch sind die Versicherer prädestiniert, alle notwendigen Leistungen zu koordinieren und aus einer Hand anzubieten. Dazu kann gehören: Ersatzauto, Heimtransport von der Umfallstelle, neues Auto beschaffen, Motorfahrzeugkontrolle, neue Autobahnvignette, etc.
  • Wohnen: Wie bei der Mobilität kann die Finanzierung der primäre Anknüpfungspunkt sein. Traditionell waren Banken die Hauptquelle von Hypotheken, die Versicherer bieten aber oft auch eigene Hypotheken an. Wer eine Finanzierung braucht, braucht normalerweise auch eine ganze Reihe anderer Produkte. Diese können «Ökosystem-mässig» sowohl von Banken wie auch von Versicherungen angeboten werden. Versicherungen haben mit ihren grossen Eigenbeständen an Liegenschaften eine natürliche Affinität zum Thema «Wohnen», die Banken wegen ihrer traditionellen Finanzierer-Rolle. Es ist aber aus anderen Studien bekannt, dass die Kunden eher die Banken in der Aggregatoren-Rolle sehen. Es wird spannend zu beobachten sein, wer sich in diesem Bereich durchsetzen wird. 
  • Vorsorge: Versicherungen wären eigentlich für den Bereich der Vorsorge prädestiniert; sie haben sowohl eine natürliche Affinität für die Geldanlage wie für den Umgang mit Risiken. Allerdings haben sie sich über die letzten Jahrzehnte verdrängen lassen, sowohl Banken wie auch Branchenfremde haben entsprechende Marktpositionen erfolgreich besetzt. Die Studie hat festgestellt, dass in der Assekuranz die Absicht besteht, diese Position wieder vermehrt zu besetzen. 

Das Gemeinsame der drei Bereiche ist, dass der Fokus der Assekuranz bei der Neugeschäftsgewinnung ist. Die Studie stellt aber fest, dass die Kundenbindung mit der damit einhergehenden Erhöhung des Kundenwertes (Customer Lifetime Value) ein unterschätztes Potential birgt. Davon kann sowohl Bank wie Versicherung besser profitieren. 

Fokus auf Leistungen statt auf den Verkauf

Ein weiteres unterschätztes Potenzial von Ökosystemen ist die Leistungserbringung oder Schadenfallbehandlung. Wie beim Auto  beispielhaft aufgezeigt wurde, entstehen beim Eintritt eines versicherten Ereignisses kundenseitig viele Bedürfnisse, die über die reine Versicherungsleistung hinausgehen. Aus Kundensicht wäre es wünschbar, alle notwendigen Leistungen aus einer Hand zu erhalten, oft wäre auch eine «emotionale Begleitung» willkommen. Versicherer sind mehr als nur prädestiniert, diesen Platz zu besetzen und die Aggregatoren der verschiedenen Dienstleistungen zu werden. Tun sie das, könnten sie vielleicht auch etwas leichteren Herzens den Banken die Aggregatoren-Rolle im Vertrieb überlassen, wo die Kunden das so wünschen. 

Die Autoren:

Florian Salzgeber verantwortet den strategischen Bereich «Bancassurance» bei Synpulse. Er hat mehr als 20 Jahre Erfahrung bei Banken und Versicherungen im in- und Ausland und hat das Thema Bancassurance von beiden Seiten kennen gelernt und vorangetrieben. Er ist Mitautor der Versicherungsstudie 2022.

Lukas Stricker ist Dozent und Studiengangsleiter am Institut für Risk & Insurance der ZHAW School of Management & Law.