Clevercircles startet jetzt neu am Markt und will das Geldanlegen «gamifizieren». Wie soll ernsthafte Vermögensverwaltung Spass machen?
Sebastian Comment: Vermögensverwaltung ist ein komplexes Thema, wir wollen das spielerisch aufbrechen und die Teilnehmer so für Anlagen begeistern. Das Spielerische besteht darin, dass komplizierte Prozesse einfach übersetzt werden. Wer mit seiner Markteinschätzung überdurchschnittlich gut die Entwicklung voraussagt, erhält in seinem Profil sogenannte Erfahrungspunkte. Diese Erfahrungspunkte sind für andere in der Community sichtbar. Es geht darum, spielerisch transparent zu machen, wer Marktentwicklungen gut einschätzt.

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Wenn die Anleger so aktiv agieren, was macht Clevercircles dann zu einem Roboadvisor?
Die Grundlage ist die eines Roboadvisors, wir konzentrieren uns also auf passive Indexanlagen. Gleichzeitig erhält der Anleger alle zwei Monate die Gelegenheit, sein Portfolio umzuschichten. Das ist häufig für einen Roboadvisor. Der Anleger gestaltet aktiv die Entwicklung seines Portfolios.

Richtet sich Ihr Angebot an Anlageprofis?
Für Finanzprofis sind wir sicher interessant, weil diese bei uns eine Reputation aufbauen können, wenn ihre Markteinschätzungen zutreffen. Wir richten uns aber vor allem an Privatpersonen ab 30 Jahren – also an Anleger, die ein erstes Vermögen aufgebaut haben und dieses gern systematisch und langfristig vermehren wollen. Frauen haben wir dabei besonders im Blick.

Warum?
Frauen halten sich bei Anlagen oft zurück, dabei sind sie statistisch betrachtet die besseren Anleger. Wir richten uns auch an Menschen, die ihr Geld bislang auf dem Konto haben liegen lassen und noch gar nicht investieren. Darum ist auch unser Zugang niedrigschwellig: Es reicht eine E-Mail-Adresse, um sich für ein Testdepot anzumelden.

Die Hürde zu Nicht-Anlegern erscheint dennoch hoch.
Das ist eine Herausforderung, wir sehen hier aber ein zunehmendes Interesse. Wir wollen potenzielle Nutzer über Geschichten erreichen, nicht über Finanzformeln. Zum Beispiel hat in unserer Beta-Phase eine Frau die besten Markteinschätzungen geliefert, die gar kein Anlageprofi ist. Dennoch übertrifft sie alle anderen Teilnehmer. Das zeigt: Auch wer kein spezielles Anlagewissen hat, hat eine relevante Meinung.

Wie entsteht dann daraus eine aussagekräftige Orientierung für die Anleger?
Jeder Teilnehmer auf Clevercircles stellt sich seinen eigenen Circle zusammen, oder auch mehrere, wenn er mag. In diesen Circle lädt er ein, wer für ihn relevant und vertrauenswürdig ist. Das können der Ehemann und die beste Freundin sein, oder aber auch Anlageexperten. Der Nutzer sieht dann die Markteinschätzungen der anderen Teilnehmer, individuell und auf den Circle normiert. Er hat also eine vielschichtige Orientierung.

Was, wenn die Mehrheit des Circles sich irrt? Schwarmintelligenz kann ja falsch liegen.
Schwarmintelligenz ist im Börsenkontext gleichzusetzen mit Herdentrieb und darum keine gute Idee. Clevercircles nutzt ein anderes Konzept, die sogenannte «Weisheit der Vielen». Wenn verschiedene Menschen unabhängig voneinander eine Schätzung zur Marktentwicklung abgeben, werden die Resultate besser.
 
Die Teilnehmer in seinem Circle wählt jeder Anleger selbst aus, in einigen werden mehr Profis, in anderen mehr Laien ihre Einschätzung abgeben. Warum sollen die Resultate dort besser sein?
Vereinfacht gesagt, werden die Resultate besser, weil Meinungsvielfalt zugelassen wird, während sonst oftmals wenige Meinungsführer bestimmend sind, was zu einem beeinflussten Denken führt.  Seien wir ehrlich, niemand kann die Zukunft voraussagen, also müssen wir Annahmen treffen und Annahmen sind Schätzungen. Erwiesenermassen werden Schätzungen besser, je vielfältiger die befragten Menschen sind.

Was unterscheidet Ihren Ansatz von Konzepten wie Wikifolio, die auch auf die Intelligenz der Masse setzen?
Wikifolio ist eine Tradingplattform und bildet den gesamten Markt ab. Clevercircles ist eine Plattform für Vermögensverwaltung basierend auf passiven Produkten, eben ein Robo-Advisor, der sich an ein grosses Zielpublikum richtet. Tradingplattformen sind im Modell, in der Komplexität und in den Prozessen ganz anders ausgerichtet, das kann man nicht vergleichen.

Preislich liegen Sie mit anderen Robo-Advisorn verglichen im Mittelfeld.
Das Preismodell ist sehr simpel: Anleger zahlen 0,75 Prozent Pauschalgebühr pro Jahr, ab einer Anlagesumme von 100'000 Franken 0,6 Prozent. Gegenüber der klassischen Vermögensverwaltung ist das wenig. Für einen Robo-Advisor liegt der Preis im Mittelfeld, auch weil wir mehr Funktionen bieten. Zum Beispiel kann der Anleger bei uns Währungsrisiken absichern. Das ist ein interessantes Angebot gerade für Schweizer Kunden.

Sie richten sich nicht nur an potenzielle Anleger, auch Unternehmenskunden können Clevercircles integrieren. Wen wollen Sie mit solchen White-Label-Modellen ansprechen?
Banken und andere interessierte Unternehmen können unsere Technologie erwerben und in ihrem eigenen digitalen Angebot nutzen. Sie ersparen sich so, einen eigenen Robo-Advisor zu entwickeln. Für die Anleger macht es keinen Unterschied, ob sie direkt oder über einen Drittanbieter zur Community stossen.

Wie verdienen Sie damit?
Wir erhalten von den Firmen dabei eine Setup- und Lizenzgebühr und einen variablen Anteil je nach Umsatz. Es ist ein «Pay as you earn»-Modell und damit auch für kleinere Institute interessant.

Habe ich eigentlich etwas davon, wenn ich mit meinen Markteinschätzungen bei Ihnen besonders richtig liege?
Zum einen natürlich das Erfolgserlebnis und die Reputation innerhalb der Community. Die besten 5 Prozent der Anleger auf Clevercircles werden zum Beispiel als Goldliga ausgewiesen. Mittelfristig wollen wir weitere Anreize schaffen, auch materielle. Diese sollen aber nicht im Vordergrund stehen, die Community steht im Zentrum.