Auch mehr als zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise schafft es Europa nicht, sich aus dem Krisenmodus zu befreien. Vergleicht man die wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone mit jener der Amerikaner in den Jahren nach der Finanzkrise, so haben die Amerikaner die Europäer deutlich hinter sich gelassen. Während die USA im dritten Quartal 2018 ein annualisiertes Wirtschaftswachstum von 3.4 Prozent vorweisen konnten, lag das Wachstum der Eurozone für das Gesamtjahr 2018 lediglich bei 1.6 Prozent. Gleichzeitig fiel die Arbeitslosigkeit in den USA auf aktuell 4.0 Prozent, was klar unter dem Vorkrisenniveau von 4.4 Prozent liegt. Obwohl die Arbeitslosigkeit auch in der Eurozone sinkt, liegt diese mit 7.9 Prozent klar über dem Vorkrisenwert von 7.3 Prozent. Und auch bei den Zentralbanken gibt es deutliche Diskrepanzen. Während die US-amerikanische FED die Zinswende eingeleitet hat und die Bilanzsumme langsam aber stetig abbaut, zeichnet sich bei der EZB eine Änderung der Zentralbankpolitik derzeit nicht ab. Der Nullzins wird die Eurozone noch weit über 2019 hinaus belasten. Obwohl die EZB zunächst keine neuen Anleihen kaufen möchte, wird sie ihre Bilanz derzeit nicht reduzieren. Neben den bereits erwähnten Gründen bremst insbesondere die sehr niedrige Inflation die EZB ein. Mit einer aktuellen Kerninflation von 1.1 Prozent liegt dieser Wert derzeit deutlich unter dem Zielwert der EZB von 2 Prozent

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Politische Instabilität belastet Europa

Nach der Finanzkrise hat insbesondere die Flüchtlingskrise die politischen Kräfte in Europa gebunden und eine notwendige Reformierung der EU verhindert. Insbesondere die drittgrösste europäische Volkswirtschaft, Italien, steht im Fokus der Anleger. Nach dem Haushaltsstreit der rechtsgerichteten Regierung mit der EU droht dem Land, nachdem es im dritten und vierten Quartal 2018 einen Wachstumsrückgang verzeichnen musste, eine Rezession. Darüber hinaus ist Italien, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, das Land mit der zweithöchsten Verschuldungsquote in Europa – nach Griechenland. Eine Abkehr der Nullzinspolitik der EZB, aufgrund einer plötzlich aufkommenden Inflation beispielsweise, dürfte die Schuldentragfähigkeit Italiens in den Fokus von Finanzspekulanten rücken und für weitere Instabilität sorgen.

Auch in den kommenden Monaten ist keine Reformierung der EU und der Eurozone zu erwarten. Die Regierungskrise in Spanien mit den bevorstehenden Neuwahlen im April sowie die in Frankreich durch die Macron-kritischen Proteste der Gelbwesten entstandenen sozialen Unruhen werden die Politiker zu stark fordern. Dazu kommt der weiterhin ungewisse Ausgang des Brexit.

Banken und Automobilsektor belasten

Während der S&P 500 aktuell 80 Prozent über dem Vorkrisenhoch der Finanzkrise notiert, liegt der STOXX 600 knapp 5 Prozent darunter. Insbesondere der europäische Bankensektor, der seit dem Ausbruch der Finanzkrise 75 Prozent seines Wertes eingebüsst hat, belastet stark. Am Beispiel der Deutschen Bank, dem einstigen deutschen Vorzeigeunternehmen und Global Player, verdeutlicht sich die Misere der europäischen Bankenlandschaft eindrucksvoll. Immer neue Verwicklungen in Manipulations- und Geldwäscheskandale, geringe Profitabilität aufgrund der Nullzinspolitik der EZB und einer im kurzen Bereich negativen Renditekurve bei Staatsanleihen sowie Fehler in der strategischen Ausrichtung der Bank hatten gravierende Folgen. Der Höchstkurs der Deutschen Bank aus dem Jahr 2007 ist um mehr als 90 Prozent eingebrochen und nun im internationalen Bankenvergleich in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist. Eine wirkliche Erleichterung für den europäischen Bankensektor kann nur durch eine Normalisierung der Zentralbankpolitik kommen. Dieser Normalisierung stehen jedoch schwache Wirtschaftszahlen in Europa, eine niedrige Inflation sowie die Gefahr eines Schuldenausfalls Italiens entgegen. Letzteres kann insbesondere für italienische Banken noch zu einem Problem werden.

Neben den Banken steht aktuell jedoch noch ein weiterer europäischer Schlüsselsektor unter Druck – die Automobilhersteller und deren Zulieferer. Der Handelsstreit mit den USA und die Sorgen um neue Strafzölle haben den europäischen Automobilsektor im vergangenen Jahr um bis zu einem Viertel einbrechen lassen. Sorgen um eine Eskalation des Handelsstreits machten kürzlich Aussagen des österreichischen Kanzlers Kurz. Nach einem Treffen mit Trump sagte Kurz, dass Trump es insbesondere auf Deutschland abgesehen habe. Daimler, BMW und Volkswagen verloren im vergangenen Jahr um bis zu einem Drittel an Wert.

Eine einfache Lösung aus der Krise gibt es für Europa und die Eurozone nicht. Die politischen Akteure werden weiterhin auf Sicht segeln und die Probleme ohne Weitblick angehen. Erst wenn Ruhe in den politischen Alltag kommt und die Regierungschefs durch Reformen eine neue Vision von Europa und der Eurozone vorantreiben, können die tief gehenden, strukturellen Probleme des Staatenbundes gelöst werden. Bis dahin wird die EZB weiterhin die Feuerwehr spielen und versuchen ein Ausbreiten des lodernden Feuers zu verhindern.

*Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.