Etwas hat gedreht. Noch vor ein paar Wochen waren die Finanzmärkte – waren wir doch alle – darauf eingestellt, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China dies auch ist: ein Handelsstreit. Da ging es um Marktzugänge und Zölle, um Leistungsbilanzen und Chancengleichheit.

Also waren die Märkte – waren auch die Unterhändler in der US-Regierung – zuversichtlich, dass sich das Ganze schon lösen werde: Ein paar Konzessionen hier, einige Marktöffnungen da, und bald würden Donald Trump und Xi Jinping lächelnd einen Vertrag unterschreiben. Wonach die Aktienkurse fröhlich weitersteigen könnten.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Aber nun? Wer würde heute noch darauf wetten? Plötzlich erscheint die Sache grundsätzlicher. Der US-Boykott gegen Huawei machte deutlich, wie sehr es Washington darum geht, die Tech-Herrschaft zu behalten und insbesondere in der 5G-Zukunft nicht abgehängt zu werden. Und Pekings Drohung, dass das Land seltene, exklusive Rohstoffe auch zurückhalten könne, liess es ebenfalls spüren: Dieser Streit hat eine strategische Überstufe erreicht. 

Kinkerlitzchen wie damals bei den Sowjets

Es war interessant zu verfolgen, wie die Kontrahenten zugleich gewisse Spielereien begannen, die an den Kalten Krieg erinnerten. Da bezichtigten die Chinesen die Amerikaner, Fedex-Pakete umgeleitet haben: Spionage? Da hielten die Amerikaner den Chinesen plötzlich die Menschenrechte vor (ein Anliegen, das der Trump-Regierung zuvor völlig egal war). Da veröffentlichten die Chinesen eine Liste mit «unzuverlässigen» US-Firmen.

«Nun gibt es einen neuen langen Marsch, und wir sollten einen neuen Aufbruch wagen», sagte Xi Jinping Ende Mai bei einer Rede in der Provinz Jiangxi.

Dann aber müssen sich die Märkte – und müssen wir uns alle – auf eine ganz andere Geschichte gefasst machen: Ein kalter Krieg ist kein Trumpscher Handelszoff.

Erstens geht er tiefer, zweitens dauert er lange, drittens kann er nicht einfach per Vertrag gelöst werden, viertens er färbt die Businessbeziehungen immer politisch und ideologisch ein. Und zwar selbst die Beziehungen von Ländern, die gerne neutral wären; und von Unternehmen, die nur ihre Geschäfte verfolgen wollen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse werden unabsehbarer.

Mehrere Finanzstrategen haben diese Gefahr in den letzten Tagen thematisiert.

  • Mark Mobius, der bekannte Schwellenland-Experte, sprach es zum Beispiel auf Bloomberg-TV aus: Die USA und China würden auch längerfristig wegen Technologien aufeinanderprallen.
  • Ray Dalio, der Hedgefonds-König, veröffentlichte einen Essay, in dem er schwarzmalte. Wir hätten es mit einem umfassenden ideologischen Konflikt zweier vergleichbarer Mächte zu tun, und dieser Konflikt betreffe Wirtschaft, Technologie, Kapital, Militär, Einflusszonen, Denkweisen – «und fast alles andere auch». (Der Text findet sich auf Dalios Linkedin-Profil).
  • Martin Wolf, der Chefökonom der «Financial Times», kehrte mit einem neuen Blick von der Bilderberg-Konferenz zurück: Die Rivalität mit China werde zum bestimmenden Prinzip der Wirtschafts-, Aussen- und Sicherheits-Politik der USA, beschrieb er den Eindruck danach. Wer noch glaube, «dass unsere globalisierte Wirtschaft oder dass gar harmonische internationale Beziehungen diesen Konflikt überleben werden, wird enttäuscht werden.»

«It's them or us»

Vielleicht endet 2019 etwas. Vielleicht haben wir seit 1989 nur eine trügerische Zwischenperiode erlebt: Die alte Weltmacht war der aufstrebenden Weltmacht noch so weit voraus, dass beide zufrieden waren damit, sich im gegenseitigen Handel, im kontrollierten Know-how-Austausch und mit T-Bond-Deals zu bereichern.

Nun aber, wo China der US-Vormacht im Nacken sitzt, stellt sich verstärkt die Kernfrage jeder Rivalität, jedes kalten Kriegs und jedes heissen Kriegs: Auf welcher Seite stehst du eigentlich? Was ist deine Weltanschauung? 

Ob in Firmenzentralen, in Aussenministerien oder an der Börse: Es wird wohl noch lange zum A und O des Risikomanagement gehören, darauf immer wieder Antworten zu finden. 

Übrigens erinnerte in den letzten Tagen ein weiteres Detail ans 20. Jahrhundert: Die Schweiz erfuhr beidseits eine diplomatische Wertschätzung, wie man es lange nicht mehr gesehen hatte.