Günstiger Wohnraum, aber bitte im Zentrum und bitte subito. So rasch die Leerstandsquoten auf dem Land auch steigen, so unverändert hoch ist die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen in den grossen Zentren. So hoch, dass die Wohnungssuche weiterhin ein reiner Albtraum sei, berichten Wohnungssuchende – vor allem in den Städten Basel, Genf und Zürich.

Ihre Klagen verhallen nicht ungehört. Preisgünstiges Wohnen ist in vielen Städten und Kantonen der Schweiz zuoberst in die politischen Agenden aufgenommen worden. Wohnbauinitiativen folgen sich fast Schlag auf Schlag. Und sehr oft auch mit durchschlagendem Erfolg. So beispielsweise in der Stadt Bern, wo das Volk vor vier Jahren einer entsprechenden Initiative deutlich zugestimmt hat.

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Das bernische Verwaltungsgericht hat das Volksbegehren Mitte dieses Jahres als zulässig erklärt und eine Beschwerde abgeschmettert. Neu muss nun bei Umund Neueinzonungen mindestens ein Drittel der geplanten Wohnnutzung für preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung gestellt werden.

Wohnung kaufen statt mieten

Noch einschneidendere Bestimmungen werden bald im Kanton Basel-Stadt gelten, nachdem das Basler Stimmvolk im Juni dieses Jahres gleich vier Wohninitiativen angenommen hat. Die Voten fielen mit bis zu 72 Prozent Ja-Stimmen überaus klar aus. Aufgrund dieses Volksvorstosses ist das Recht auf (günstiges) Wohnen gleich in der Verfassung verankert worden.

Konkret: Alle Personen, die im Kanton Basel-Stadt wohnen und angemeldet sind, sollen eine Wohnung finden, die ihrem Bedarf entspricht und die sie sich leisten können. Mietzins und Kosten dürfen also die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigen. Um dieses Ziel sicherzustellen, muss der Kanton nun geeignete Massnahmen treffen. Dies innerhalb von zwei Jahren.

Kommen also bald rosige Zeiten auch für städtische Mieter? Das ist leider wenig wahrscheinlich. Der Wunsch dürfte auch hier der Vater des Gedankens bleiben. Schlicht und einfach, weil mit politischen Bestimmungen und Vorschriften allein ökonomische Realitäten nicht ausgehebelt werden können. Donato Scognamiglio, Leiter des Immobiliendienstleistungsunternehmens Iazi, bringt es auf den Punkt: «Wenn der Bodenpreis hoch ist, kann günstiger Wohnraum schwerlich realisiert werden.» Zusätzlich treiben unzählige Bauvorschriften die Baupreise in die Höhe. Andreas Schlecht, Geschäftsführer AS Immobilien und Präsident Sektion Bern des Immobilientreuhänderverbands SVIT, drückt sich noch unverblümter aus: «Die Regulierungsdichte verunmöglicht günstiges Wohnen fast gänzlich.»

Und Robert Weinert, Immobilienexperte bei Wüest Partner, zeigt mit einem kleinen Rechenbeispiel, wie wenig selbst eine intensivierte Bautätigkeit die Lage in den Zentren verbessern könnte: «In der Grossstadt Zürich wächst der Wohnungspark jährlich um 0,7 Prozent. Das ist deutlich rascher als in Genf, wo diese Zuwachsrate nur 0,2 Prozent beträgt, aber es entspricht gerade mal zusätzlichem Wohnraum für rund 3300 Personen pro Jahr. Ein Tropfen auf einen heissen Stein.»

Wichtige Massnahmen

Auf kleinerer Fläche wohnen: Die Idee der Wohnbaugenossenschaften auf sämtliche Wohnungen anzuwenden, könnte nach Immobilienexperte Robert Weinert die Wohnungsnot in den Zentren deutlich entschärfen: «Liessen sich die aktuellen städtischen Belegungsdichten auch nur bei der Hälfte der vorhandenen Wohnungen um 10 Prozent erhöhen, könnte in der Stadt Zürich damit Wohnraum für insgesamt rund 28 000 Menschen geschaffen werden. Nicht bloss für 3300 wie mit der aktuellen Wohnbaupolitik.»

Zurück in die Achtziger: Die neue Belegungsdichte, also die Anzahl Bewohner pro Wohnung, würde dann jener entsprechen, die Anfang der 1980er Jahre in den Schweizer Städten gemessen wurde. Würde dieser Verdichtungsansatz in der gesamten Schweiz angewendet, liesse sich Wohnraum sogar für 400 000 Menschen schaffen. Ohne dass neue Wohnungen auf der grünen Wiese gebaut werden müssten oder dass bauliche Massnahmen an den bestehenden Wohnbauten nötig wären. Eine bestechende Idee, in der föderalistischen Schweiz aber kaum auf die Schnelle umsetzbar.

Wenn günstige Mietwohnungen unerschwinglich sind, wäre allenfalls Kaufen ein Alternative: Denn eine Wohnung zu kaufen, ist aktuell ja wesentlich günstiger, als dasselbe Objekt zu mieten. Ein Klick auf den Mieten/ Kaufen-Rechner einer Bank bestätigt dies. Dass beispielsweise der Mieter einer gehobenen Vier-Zimmer-Wohnung, für die er monatlich 2500 Franken hinblättern müsste, deutlich günstiger fährt, wenn er dieses Objekt für 1 Million Franken kaufen kann. In Franken und Rappen käme ihm das Wohneigentum monatlich auf 2047 Franken zu stehen.

Dies für Zins-, Unterhalts- und Nebenkosten sowie für Amortisationen. Der Fall scheint damit klar: Wer kann, der kauft. Mit der ausdrücklichen Betonung auf kann. Denn auch wenn diesen Kalkulationen tagesaktuelle Marktpreise und Zinsen zugrunde gelegt werden, die Rechnung für den Kaufinteressenten geht immer öfter nicht auf.

Die Tragbarkeitshürde

Der Pferdefuss heisst Tragbarkeit. Und zwar nicht die effektive, sondern die kalkulatorische. So grenzwertig es auf den ersten Blick klingen mag, massgebend ist die Was-wäre-Welt. Was wäre, wenn die Zinsen unvermutet stark steigen würden? Statt realer Hypothekarsätze werden in den Tragbarkeitsberechnungen der Geldinstitute um ein Mehrfaches höhere kalkulatorische Sätze von in der Regel 5 Prozent eingesetzt und nicht die marktüblichen Sätze von je nach Laufzeit 1 bis 2 Prozent.

Dies weil sowohl Banken wie vor allem auch die Bankenaufsicht Finma und die Nationalbank ganz sicher sein wollen, dass ein unvermittelter Zinsanstieg bei den Schuldnern nicht massive Zahlungsprobleme zur Folge hätte. Probleme, die in einer Kettenreaktion sogar die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden könnten, wie die beiden Institutionen immer und immer wieder warnen.

Die Vorsicht des Regulators und der Banken verändern die obige Mieten/Kaufen-Rechnung grundlegend. Massgebend sind nun nicht mehr die realen Kosten, sondern die kalkulatorische Tragbarkeit. Die neue Rechnung sieht für Kaufinteressenten nun wesentlich schmerzhafter aus: Wer sich das oben erwähnte Eigenheim für 1 Million Franken leisten will, wird nur dann eine Kreditgeberin finden, wenn er ein Bruttoeinkommen von rund 175 000 Franken und mehr vorweisen kann. Denn auf Basis eines kalkulatorischen Zinssatzes von 5 Prozent, Unterhalts- und Nebenkosten von 1 Prozent und Amortisationen steigt die Belastung bei einer Hypothek von 800 000 Franken auf jährlich 55 000 bis 60 000 Franken – statt der effektiven Kosten von rund 24 000 Franken. Das von den Banken verlangte dreimal höhere Bruttoeinkommen müsste also 175 000 Franken betragen. Auch wenn sich besagter Mieter mit einem bescheideneren 800 000-Franken-Objekt begnügte, wäre noch ein Bruttoeinkommen von mehr als 140 000 Franken erforderlich.

Fakten
Quelle: Handelszeitung

Der bittere Schluss: Die Tragbarkeitshürde schliesst viele auf den ersten Blick durchaus gutverdienende Mieter vom Eigentumsmarkt aus, gerade in den Städten. UBS-Experte Claudio Saputelli sieht zwei sinnvollere Alternativen: «Sind die Eigenheimpreise zu hoch, so gibt es für potenzielle Käufer in der Regel zwei mögliche Ventile: Sie ziehen in Gebiete mit erschwinglicheren Preisen oder sie vermindern den Flächenanspruch.» Das sei in den letzten zehn Jahren bereits geschehen. Die Fläche einer neu erworbenen Eigentumswohnung sei um knapp 10 Prozent zurückgegangen.

Günstige Wohnbaugenossenschaften

Billiger, dafür auf kleinerer Fläche wohnen: Dieses Grundprinzip wird von den rund 1500 gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften in der Schweiz konsequent angewendet. Die von ihnen angebotenen Wohnungen sind markant günstiger als die am Markt angebotenen. Im Durchschnitt beträgt der Abschlag nach einer Studie des Verbandes der gemeinnützigen Wohnbauträger 15 Prozent, in den Kernstädten sogar 26 Prozent. Der Hauptgrund: In den Genossenschaftswohnungen ist der Wohnflächenverbrauch pro Person deutlich geringer. Als Folge der Belegungsvorschriften brauchen Bewohner von Genossenschaften im Durchschnitt nur rund 38 Quadratmeter Wohnfläche pro Person gegenüber 52 Quadratmetern bei den übrigen Bewohnern. Das sind rund 27 Prozent weniger.

Gemeinnützige Wohnbauträger bilanzieren ihre Immobilien ausserdem zu den effektiven Kosten und wenden das Prinzip der Kostenmiete an. Sie kalkulieren ebenfalls nach betriebswirtschaftlichen Regeln, schöpfen jedoch keine Gewinne ab, sondern investieren wieder in ihren Bestand, in Amortisationen und Rückstellungen. Auch ihre Neubauten sind anfänglich nicht billig, werden jedoch im Lauf der Jahre im Vergleich zu den Marktmieten immer günstiger.

Der Wermutstropfen: Genossenschaftswohnungen vermögen das zu geringe Angebot an preisgünstigen Wohnungen in den Städten nur leicht abzufedern. Denn nur jede zwanzigste Wohnung in der Schweiz gehört einer Genossenschaft. Deutlich besser sieht es zwar in Zürich aus, der Hochburg des Genossenschaftsbaus. Doch auch hier beträgt der Anteil nicht einmal einen Fünftel.