Die Notenbanken im Westen sind auf einer gemeinsamen Mission: Der Geist der Inflation muss zurück in die Flasche. Dieser Mission hat sich auch die Nationalbank (SNB) verschrieben – das unterstreicht sie nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Weder die Rezessionsgefahr noch die CS-Krise hinderten sie daran, den Leitzins zuletzt im März um einen weiteren halben Prozentpunkt auf 1,5 Prozent zu erhöhen – die Inflation lag damals bei 3,4 Prozent.

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Unterdessen sind die Inflationsraten praktisch überall gesunken, weil die Energiepreise heute viel niedriger sind als zu den Spitzenzeiten vor einem Jahr. Die Zentralbanken lassen sich davon aber nicht von ihrem Kurs abbringen.  

Auch die SNB nicht: Ihre grösste Sorge ist, dass sich die Inflation verfestigt. Das hat SNB-Präsident Thomas Jordan kürzlich an einer Konferenz im Tessin erneut bestätigt. Wenn die Inflation eine Zeit lang hoch bleibe, dann ändere sich das Verhalten der Unternehmen und Haushalte bei der Preisgestaltung, sagte Jordan. Dann werde die Inflation akzeptiert. Und dann werde es viel schwieriger, sie zu senken.

Jordan bremst lieber etwas zu stark als zu wenig

Bezogen auf die Geldpolitik heisst das: lieber die Zinsen präventiv etwas zu stark erhöhen, als der Inflation hinterherzurennen. Und genau deshalb bestanden bisher keine Zweifel daran, dass die SNB am 22. Juni nochmals an der Zinsschraube dreht.  

Doch mit den neusten Inflationszahlen ist die Ausgangslage nicht mehr so klar. Die Inflationsrate liegt mit 2,2 Prozent bereits auf dem Niveau, das die SNB in den Prognosen für Ende Jahr erwartet. 

Aber noch viel wichtiger ist, dass die Zahlen zeigen, dass der Teuerungsdruck in der Breite eher nachgelassen hatte. Teurer geworden sind neben den Mieten vor allem Nahrungsmittel wie Gemüse, Früchte und Olivenöl, deren Preise immer stark schwanken. 

Inflationssonderfall Schweiz

Die Kernrate der Inflation ohne Preise für Energie und frische Lebensmittel ist auf 1,9 Prozent gefallen, was innerhalb des SNB-Zielbands von 0 bis 2 Prozent liegt. Das ist umso bemerkenswerter, als in den meisten anderen Ländern die Kerninflationsrate mittlerweile über der Gesamtteuerung liegt.

Bis anhin liess die zu hohe Kerninflation der SNB gar keine andere Wahl, als die Geldpolitik zu straffen. Nun hat sich die Lage überraschend entspannt, was der SNB grundsätzlich erlauben sollte, etwas weniger stark auf die Bremse zu treten.

Es ist sogar vorstellbar, dass die SNB beim Zinsentscheid in zwei Wochen eine Pause einlegt, obwohl sich dadurch die Zinsdifferenz zum Euro ausweiten würde und der Franken womöglich etwas unter Druck käme. Aber das kann sich die SNB leisten. 

Und wenn, wie allgemein noch angenommen wird, die SNB am 22. Juni die Zinsen nochmals erhöht, bleibt die gute Nachricht: Auf Leitzinsen von über 2 Prozent müssen wir uns in der Schweiz angesichts der günstigen Inflationsentwicklung nicht einstellen.