Jahrelang wurde auf die Zinswende gewartet - jetzt ist sie da. Seither wird das Thema Hypotheken heiss diskutiert. Derzeit ist die Nachfrage nach Wohneigentum zwar noch ungebrochen. Doch neu setzen die Kunden auf Hypotheken mit kürzeren Laufzeiten.

Die Zeit der tiefen Zinsen scheint ihrem Ende entgegen zu gehen. Sogar die Europäische Zentralbank steuert auf ihre erste Zinsanhebung seit elf Jahren zu. Die europäischen Währungshüter handeln damit vergleichsweise spät.

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Schon vor der überraschenden Leitzinserhöhung der Schweizerische Nationalbank (SNB) Mitte Juni begannen die Hypothekarzinsen in der Schweiz klar zu steigen. Eine Verlangsamung im Hypothekargeschäft spüren die Banken hierzulande deswegen aber noch nicht, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur AWP zeigt.

Raiffeisen sieht keinen Rückgang der Hypothekarnachfrage

Besonders im Fokus steht die Raiffeisen. Die Banken-Gruppe vergibt fast jede fünfte Hypothek in der Schweiz. Noch deute gar nichts auf einen grösseren Rückgang der Hypothekarnachfrage hin, heisst es bei ihr auf Anfrage. Der Traum vom Eigenheim scheint also auch nach dem Zinsanstieg intakt - zumindest bei denen, die es sich leisten können.

Ähnlich klingt es auch bei den anderen von AWP befragten Instituten, namentlich der Zürcher Kantonalbank (ZKB), der Basler Kantonalbank (BKB) sowie der Hypothekarbank Lenzburg. Eine direkt mit dem SNB-Entscheid zusammenhängende Verlangsamung im Geschäft beobachte er nicht, sagt beispielsweise Markus Stocker, der Leiter des Finanzierungsgeschäfts bei der ZKB.

Tendenz zu kürzeren Laufzeiten

Was sich hingegen verändert hat, sind die Laufzeiten. Nachdem sich die Zinsen für langfristige Hypotheken in den vergangenen Wochen erhöht haben, würden die Kunden nun wieder vermehrt kürzere Laufzeiten nachfragen, weil sie günstiger seien, sagt Rolf Bohnenblust. Er sitzt in der Geschäftsleitung der Hypothekarbank Lenzburg und verantwortet die Risikokontrolle seines Instituts.

Ähnlich klingt es bei der BKB. «Haben sich vor einiger Zeit noch die meisten für eine 10-jährige Festhypothek entschieden, spüren wir jetzt eine Tendenz zu kürzeren Laufzeiten», sagt eine Sprecherin. Stärker im Fokus der Kunden liegen laut den befragten Instituten nun auch die Saron-Hypotheken.

Diesen Trend beobachten auch Hypothekenvermittler wie Moneypark oder Finanzberater wie das VZ VermögensZentrum. Kurzfristige Geldmarkthypotheken seien nach wie vor zu attraktiven Konditionen zu haben, erklären sie. Und obwohl in naher Zukunft mit weiteren Leitzinserhöhungen durch die SNB zu rechnen sei, dürften Geldmarkthypotheken attraktiv bleiben, betont etwa Moneypark-CEO Martin Tschopp.

Schlechte Aussichten für einige private Hauseigentümer

«Es zahlt sich aus, die Liegenschaft so lange wie möglich mit günstigen Geldmarkthypotheken zu finanzieren», ergänzt Adrian Wenger vom VZ VermögensZentrum.

Dann, so führt er aus, könnte die Situation für einige private Hauseigentümer ungemütlich werden. In der Theorie müssten ja alle Hypothekar-Nehmer einen Zins von 4 bis 5 Prozent bezahlen können, erklärt Wenger. «Wegen mangelnder Disziplin im Haushaltsbudget könnte dies bei einigen aber nicht wirklich der Fall sein», sagt er.

Ein Anstieg der Zinsen für Festhypotheken könnte somit einerseits dazu führen, dass einige Personen sich ihr Häuschen nur noch mit Mühe oder gar nicht mehr leisten können. Andererseits dürfte auch die Nachfrage nach neuen Hypotheken abnehmen.

Zumindest in der Theorie sollten dadurch die Immobilienpreise wieder sinken, müsste doch die Nachfrage nach Eigenheimen abnehmen. Noch ist davon jedoch nicht nur kaum etwas zu spüren. Vielmehr liegt das Preisniveau von Eigenheimen in der Schweiz auch weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. «Die Pandemie hat die Nachfrage weiter befeuert, das Angebot stagniert aber und ist teilweise sogar rückläufig», sagt Moneypark-CEO Tschopp.

Preisfaktoren wie Zuwanderung und Wirtschaftsgang intakt

Zwar spüre man im Eigenheimsektor eine gewisse Unsicherheit bei den Kundinnen und Kunden, ergänzt Hypothekarexperte Wenger. «Die Leute lassen sich mit dem Kaufentscheid wieder etwas mehr Zeit.» Doch seien die wichtigsten Preisfaktoren wie Zuwanderung und der Wirtschaftsgang weiterhin intakt. Konkret stiegen die Preise für Häuser zwischen April und Juni 2022 laut dem Immobilienbewertungsportals Realadvisor gegenüber dem Vorquartal denn auch noch um 1,6 Prozent und für Wohnungen um 1,9 Prozent.

Etwas anders als bei den Eigenheimen sieht es bei den Renditeobjekten aus. Steigende Zinsen wirken sich bei der Bewertung dieser Objekte rascher preissenkend aus. Denn für grosse Pensionskassen etwa, die in den letzten Jahren aufgrund des Anlagenotstandes vermehrt in den Immobilienmarkt drängten, gibt es wieder vermehrt andere Anlagemöglichkeiten. «Die relative Attraktivität solcher Investitionen im Vergleich mit festverzinslichen Obligationen hat sich mit dem Zinsanstieg reduziert», erklärt Raiffeisen.

Versicherungen und Pensionskassen haben sich zurückgezogen

Laut VZ-Experte Wenger haben sich daher einige Versicherungen und Pensionskassen aus dem Hypothekengeschäft zurückgezogen. Sie würden weniger oder keine Hypotheken mehr anbieten. «Darum haben die Banken weniger Konkurrenz.»

Fraglich ist, ob diese Marktveränderung wieder Raum schafft für höhere Margen bei den Banken. Die Finanzinstitute selber winken diesbezüglich allerdings ab. Man erwarte keine Verbesserung bei den Margen, heisst es bei den befragten Instituten unisono.

Zwar würden die Margen für die Aktivzinsen im Hypothekargeschäft mittelfristig leicht wohl steigen, heisst es bei der Hypothekarbank Lenzburg stellvertretend. «Allerdings dürften dem höheren Zinsniveau folgend früher oder später auch die Passivzinsen steigen, etwa auf Spareinlagen», betont Geschäftsleitungsmitglied Bohnenblust. «Insgesamt gehen wir deshalb nicht davon aus, dass wir die Zinsmargen signifikant werden erhöhen können.»

(awp/gku)