Diese Prognose lässt Immobilienexperten auch hierzulande aufhorchen: Die US-Grossbank Goldman Sachs geht davon aus, dass sich das Wachstum der Immobilienpreise in den USA stark verlangsamen wird. Die steigenden Zinsen treiben die Hypothekenkosten in die Höhe und damit werden Häuser für den Durchschnittsamerikaner immer weniger erschwinglich.

Anlagechef David L. Steinbach von Hines, einem der weltweit grössten Immobilieninvestoren in Privatbesitz, beobachtet in den USA und Europa infolge ausbleibender Käufer gar eine Preisverschiebung nach unten - in einigen Gegenden fielen die Preise im Vergleich zum Vorjahr um 5 bis 10 Prozent. Zudem ist die Fallhöhe ziemlich hoch: Ein Jahrzehnt niedrigster Zinsen und geringer Renditen auf den Anleihemärkten haben die Preise in vielen Gebieten auf Rekordhöhen getrieben.

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Rendite der zehnjährigen Bundesobligationen auf über 1,4 Prozent gestiegen

Auch hierzulande vollzieht sich eine Trendwende. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Leitzins erstmals seit 2007 wegen der gestiegenen Inflation unerwartet deutlich um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,25 Prozent angehoben. Und die für die Zinsen für Wohnungs- und Hauskredite wichtige Rendite der Schweizer Bundesobligationen mit zehnjähriger Laufzeit ist letzte Woche kurzzeitig auf über 1,4 Prozent vorgestossen. Das ist das höchste Niveau seit Juli 2011.

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Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon, rechnet damit, dass der Renditegipfel im Lauf des dritten Quartals bei 1,60 bis 1,70 Prozent erreicht wird. «Im vierten Quartal prognostizieren wir wegen der Konjunktureintrübung wieder leicht sinkende Renditen, sodass die zehnjährigen Bundesobligationen Ende 2022 ungefähr auf dem Niveau von 1,5 bis 1,55 Prozent liegen sollten», sagt Hartmann im Gespräch mit «Cash».

Aufgrund des Renditeanstiegs erstaunt es nicht, dass der Zinsindex für Wohnimmobilien des Vergleichsportals Hypotheke.ch seit letztem Dezember von 1,07 auf 2,51 Prozent angestiegen ist. Der happige Anstieg um 144 Basispunkte (+1,44 Prozentpunkte) bedeutet eine Verteuerung der Zinskosten für eine Hypothek von 800'000 Franken um 11'520 Franken pro Jahr oder 960 Franken pro Monat.

Zudem sind nicht nur die Zinskosten höher geworden: Bauen und Sanieren wird dieses Jahr um bis zu acht Prozent teurer, und das Heizen mit fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas kostet 40 Prozent mehr. Die Nutzungskosten für Immobilien steigen insgesamt deutlich, was den Bieterkreis deutlich einschränkt. «Definitiv wird Mieten durch den Zinsanstieg attraktiver», sagt Immobilienexperte Donato Scognamiglio auf Anfrage von «Cash».

Wohnimmobilien: Nachfrage weiterhin über Angebot

Erste Bremsspuren aufgrund der höheren Finanzierungskosten sind am Schweizer Immobilienmarkt schon ersichtlich: Die Immobilienpreise für Wohneigentum sind im ersten Quartal 2022 gemäss Daten vom Bundesamt für Statistik erstmals seit langem wieder leicht gesunken. Und: «Im ersten Halbjahr war die Anzahl Suchabos rückläufig», sagt Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring bei der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner, gegenüber «Cash».

Droht eine Preiskorrektur bei den Wohnimmobilien? Laut dem Experten nicht unmittelbar: «Die Nachfrage ist rückläufig, liegt immer noch über dem Angebot», so Weinert. Die Immobilienspezialisten Weinert und Scognamiglio gehen beide davon aus, dass die Preise in diesem Jahr leicht steigen werden. Preiskorrekturen seien aufgrund der erwartet positiven Wirtschaftsentwicklung momentan nicht absehbar, wohl aber eine Preisstabilisierung.

Mit den Leuten aus der Ukraine und der Zuwanderung werden die Leerstände tief bleiben. «Man ist bloss nicht mehr bereit, für ein Mehrfamilienhaus das 70-fache der Jahresmiete zu zahlen», sagt Scognamiglio. Es sei vielmehr eine Chance für die Sparer, die zukünftig eine Wohnliegenschaft erwerben wollen. Diejenigen, die jetzt ein Haus besässen, treffe es ohnehin erst, wenn sie die Hypothek verlängerten.

«Der Zinsanstieg hat schon einen Teil der Spekulanten herausgespült»

Bei den Wohnliegenschaften findet daher noch keine Korrektur, sondern vielmehr eine Konsolidierung statt. «Es ist wie beim Bitcoin. Der Zinsanstieg hat schon einen Teil der Spekulanten herausgespült», lautet Scognamiglios Urteil. Wenn die Wohnimmobilien im Wert nicht mehr so stiegen, mache dies nichts aus, solange die Wirtschaft nicht in eine Phase der Rezession abgleite: «Aber das wäre dann hässlich.»

Wie unangenehm die Lage werden könnte, wird im jüngsten Finanzstabilitätsbericht der SNB angedeutet. Die Preise für Wohneigentum lassen sich demnach kaum mehr mit fundamentalen Faktoren erklären und sind im Schnitt um 10 bis 35 Prozent zu hoch. Eine stärkere Korrektur würde insbesondere für Immobilienbesitzer mit hohem Verschuldungsgrad zu einem Problem werden. Denn wird die Belehnungsgrenze durch den Preisrückgang überschritten, können Banken einen Nachschuss verlangen.

Der fällige Betrag kann bereits bei einer kleinen Preiskorrektur ein hohes Niveau erreichen: Wer eine Hypothek von 800'000 Franken für ein Objekt im Wert von einer Million Franken aufgenommen hat, muss bei einer Wertminderung von 10 Prozent 80'000 Franken nachschiessen, damit die maximal zulässige Belehnung von 80 Prozent wieder erfüllt ist. Bei einer Korrektur von 35 Prozent wären es 280'000 Franken.

Obligation statt Turm in Oerlikon

Doch auch ohne Wirtschaftseinbruch droht einem spezifischen Segment Ungemach: Bei Renditeliegenschaften haben sich die Bewertungen am weitesten von den historischen Durchschnittswerten entfernt. Dieses Marktsegment reagiert besonders stark auf steigende Zinsen. Steigen die Zinsen, müssen entsprechend die Renditen zulegen, welche die Liegenschaften abwerfen. Dies könnten Investoren erzielen, indem sie die Mieten erhöhen oder die Preise für Neuerwerbungen drücken.

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Die Experten Weinert und Scognamiglio sehen bei Renditeliegenschaften bereits jetzt einen Preisdruck, da institutionelle Investoren heute eine Alternative haben, um das Geld anzulegen. «Warum sollte ich zu Bruttorenditen von 1,5 Prozent in Oerlikon irgendeinen Turm kaufen, wenn ich in eine Obligation investieren kann?», sagt Scognamiglio. Spitzenpreise gehörten wohl der Vergangenheit an. Wüest-&-Partner-Experte Weinert erwartet aber keinen Preisverfall, da die realen Renditen von Obligationen noch tief sind, die Leerstandsrisiken klein bleiben und Immobilien insbesondere beim Wohneigentum einen Inflationsschutz bieten.

«Die Zeit der Spekulation mit dem Gratisgeld ist langsam vorbei»

Abschliessend kann aus heutiger Warte noch nicht darüber geurteilt werden, ob die Preise für Renditeliegenschaften nicht doch stärker korrigieren können. In der Vergangenheit wurde jeweils ein «time lag» von typischerweise zwei bis vier Quartalen beobachtet, bis Immobilienanfangsrenditen auf Zinsveränderungen reagierten. So gesehen ist es durchaus möglich, dass sich die Zahlungsbereitschaft für Immobilieninvestitionen erst noch anpassen wird.

«Die Zeit der Spekulation mit dem Gratisgeld ist langsam vorbei», sagt Scognamiglio und meint damit insbesondere «Buy-to-let». Dieses Modell sei «tot» und funktioniere nur noch bis zur Erneuerung der Hypotheken. Wenn man in einem Jahr die Hypothek wechseln müsse, zahle man für eine Fixhypothek mit zehnjähriger Laufzeit vielleicht bereits 3 Prozent: «Damit verdienen die Spekulanten nichts mehr.»

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