Früher war der Fünfliber aus Silber. Genau 15 Gramm wog die bis 1967 hergestellte Münze: Eine Legierung des Typs «Ag 0,835». Der materielle Wert war wichtig fürs Vertrauen ins Geld. Heute ist das anders. Schweizer Münzen sind aus Kupfer und Nickel. Das Geld hat sich vom Trägermaterial emanzipiert. Relevant ist der Tauschwert – und wie praktisch das Geld in der Handhabung ist.

Gerade Bargeld schneidet hier schlecht ab. Münzen verstopfen das Portemonnaie. Banknoten, die tausendmal die Hand gewechselt haben, sind voll mit Bakterien. Bargeld kann man verlieren. Zuweilen wird es auch komplett nutzlos – nämlich dann, wenn man nicht genug davon bei sich hat. Und: Das Missbrauchspotenzial von Bargeld zu kriminellen Zwecken ist hoch.

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Kosten des Bargeldes sind versteckt

Kein Wunder, fordern prominente Ökonomen wie der deutsche «Wirtschaftsweise» Peter Bofinger zunehmend dessen Abschaffung. Elektronische Zahlungsmittel sind sauber, praktisch, sicher. Doch der Widerstand gegen solche Ideen ist gross.

Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Kosten des Geldes den meisten Menschen gar nicht bewusst sind. Was auch nicht erstaunt, weil exakte Zahlen dazu gar nicht existieren – jedenfalls nicht für die Schweiz. Wie teuer kommen uns Münzen und Banknoten also zu stehen?

Pro Kopf 300 Franken im Jahr

Die letzte Schätzung ist schon acht Jahre alt. Sie stammt vom heutigen Economiesuisse-Chefökonomen Rudolf Minsch. In einer Studie, die er mit den Co-Autoren Dario Fauceglia und Urs Bernegger an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur verfasste, bezifferte er die Kosten des Bargelds damals auf 2,1 Milliarden Franken. Der Betrag entsprach 0,4 Prozent des damaligen Bruttoinlandprodukts (BIP).

Hochgerechnet aufs heutige BIP wären das 2,5 Milliarden Franken. Jeder Einwohner bezahlt für den Gebrauch von Bargeld somit über 300 Franken pro Jahr.

Notendruck ist noch der günstigste Teil

Das Perfide an diesen Kosten ist: Der Konsument merkt kaum etwas davon. Der Aufwand fällt rund zur Hälfte im Handel an – beim Transport, beim Abfüllen, bei der Lagerung, für die Versicherung – und zur Hälfte innerhalb der Banken. Der Notendruck durch die Nationalbank ist noch der kleinste Teil. Eine Note kostet 30 Rappen, total machte das 2007 rund 120 Millionen Franken. Weitere Kosten fliessen jedoch in die Rechnung ein, wie entgangene Zinsen oder der Zeitaufwand für Bargeldabhebungen.

Internationale Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Spanne der Bargeldkosten reicht von 0,15 Prozent (Norwegen, 2007) bis 0,74 Prozent des BIP (Ungarn, 2009), wobei die Methodik der verschiedenen Studien nicht identisch ist.

Digitales Geld wäre dreimal günstiger

Die Kosten des Bargelds erscheinen vergleichsweise klein, wenn man sie den Gesamtkosten des Geldsystems gegenüberstellt. Und dabei auch die Kontoführung der Banken mit einbezieht, die sich nicht eindeutig einem Medium zuordnen lässt. Einer Rechnung der Deutschen Bundesbank zufolge fällt dabei ein volkswirtschaftlicher Aufwand von 2 Prozent des BIP an. Auf die Schweiz bezogen entspräche dies über zwölf Milliarden Franken.

Hoch erscheinen die Bargeldkosten dagegen, wenn sie mit elektronischen Zahlungssystemen verglichen werden. Diese kosteten 2007 rund 200 Millionen Franken, so die Studie von Minsch, die allerdings nur das Debitkartensystem berücksichtigte. Hochgerechnet auf heute wären das 240 Millionen - und damit rund 30 Franken pro Einwohner und Jahr. Rechnet man inklusive Kreditkarten und Smartphone-Lösungen mit 100 Franken pro Person, so wären E-Geld-Varianten insgesamt dreimal billiger als Bargeld.

Mit jedem Franken steigen die Umtriebe

Der grosse Vorteil elektronischer Systeme ist, dass die variablen Kosten praktisch gleich null sind. Bei der einzelnen Kartenzahlung fliessen zwar Gebühren an die Dienstleister (und dies im Fall der Kreditkarten nicht zu knapp), doch der Aufwand für den Händler bleibt gleich - egal, ob 10 oder 1000 Franken transferiert wurden. Dagegen steigen beim Bargeld mit jedem bezahlten Franken auch die Umtriebe - fürs Beschaffen von Noten und Münzen, fürs Zählen, für den Tresor. Der volkswirtschaftliche Break-Even-Punkt lag 2007 bei 12.10 Franken. Ab diesem Betrag kommt die Karten- günstiger als die Bargeldzahlung. Die Schwelle dürfte heute gesunken sein.

Für das elektronische Zahlen spricht auch der Zeitfaktor. Geht man konservativ von 25 Bankomatabhebungen pro Jahr, einer durchschnittlichen Zeitdauer von 2 Minuten und einem mittleren Stundenlohn von 25 Franken aus, so verursachen die Bankomatengänge der Bevölkerung allein Opportunitätskosten von 170 Millionen Franken pro Jahr.

Kunden wollen mit Bargeld zahlen

Im Detailhandel ist die Situation ambivalent. Rund 50 Prozent werden dort in bar eingenommen, 50 Prozent über Karten. «Wesentliche Einsparungen liessen sich nur dann erzielen, wenn das Bargeld komplett wegfallen würde», sagt August Harder, IT-Leiter bei Coop.

Das kommt für den Detailhändler aber nicht infrage. Selbst die neuen Self-Checkout-Geräte, die eigentlich informatikaffine Personen anziehen müssten, nehmen weiterhin Bargeld an. Die Kunden wünschten das so, sagt Harder.

Angst vor dem mobilen Zahlen

Änlich sieht das der Internetpionier Jean-François Groff, der vor zwei Jahren das Zahlungssystem Mobino auf den Markt gebracht hat. «Mobile Bezahllösungen sind ein Plus«, sagt er, «aber noch kein Ersatz für Bargeld.« Laut Sandro Graf vom Swiss Payment Research Center an der Hochschule Winterthur schätzen viele Leute Bargeld auch deshalb, weil der Umgang mit Noten und Münzen ihnen hilft, ihre Ausgaben zu überblicken und das Budget einzuhalten.

Die Vorstellung einer bargeldlosen Gesellschaft schreckt Zeitgenossen ab. Das anonyme Bargeld verspricht Schutz vor kommerziellen Datensammlern und staatlichen Organen. Es behütet den Halter vor möglichen Negativzinsen.

«Electronic only» ist verboten

Die Kehrseite dieser Mentalität ist der Zwang zum Bargeld, mit dem Geschäfte konfrontiert sind. «Schweizerische Banknoten müssen von jeder Person unbeschränkt an Zahlung genommen werden«, heisst es im Gesetz. Das Modell «electronic only« wird in der Praxis gar nicht erst erlaubt.

Problematisch daran ist, dass so auch der Kostenvorteil, den das E-Geld eigentlich hätte, niemals richtig zum Tragen kommt. In Dänemark sieht man dies langsam ein. Auf Anregung der dortigen Handelskammer erwägt die Politik nun, die Bargeldpflicht abzuschaffen.

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