Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sollte die Untergrenze von 1.20 Franken zum Euro anheben. Das forderten in den letzten Tagen etwa der deutsche «Wirtschaftsweise» Peter Bofinger, der Chefökonom der Gewerkschaften Daniel Lampart oder der Zürcher Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann schätzt den «richtigen» Wechselkurs auf 1.35 bis 1.40.

Der überbewertete Franken gefährdet die beschäftigungsintensive Maschinenindsutrie und den Tourismus. Andererseits ist die Bestimmung des «richtigen» Wechselkurses eine heikle Sache, und eine Anhebung der Untergrenze birgt Risiken für die Bilanz der SNB. Deshalb ist die öffentliche Debatte darüber wichtig und richtig. Die Nationalbank soll zwar ihre Geldpolitik unabhängig von der Politik gestalten können.

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Da ihr Handeln aber politische Folgen hat, muss sie auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Wenn es jedoch um die Unabhängigkeit der Nationalbank geht, ist Vorsicht am Platz. Mit wenigen Ausnahmen – beispielsweise im Zweiten Weltkrieg – hat die unabhängige Nationalbank hevorragend funktioniert und so wesentlich zur Stabilität und Prosperität der Schweiz beigetragen. Der Zangenangriff vom linken und rechten politischen Pol auf die SNB ist gefährlich.

Der einfache Bürger macht den Reichtum des Landes aus

Wie entscheidend stabile Institutionen wie die SNB sind, zeigt ein neues Buch, das derzeit in politischen und ökonomischen Kreisen intensiv diskutiert wird. Daron Acemoglu, Wirtschaftsprofessor am MIT, und James Robinson, Professor für Politikwissenschaften in Harvard, versuchen die Frage zu beantworten, warum manche Staaten prosperieren und andere scheitern. Frühere Erklärungen verwiesen auf die Bedeutung der Marktwirtschaft, der geografischen Lage, des Klimas oder der Kultur.

Acemoglu und Robinson stellen eine neue Diagnose: Entscheidend sind die politischen Institutionen. Der Reichtum eines Landes korreliert eng mit dem Ausmass, in dem der ein-fache Bürger am Wachstum der Volkswirtschaft teilhaben kann. Ohne starke Institutionen hält nichts die Eliten vom Ausplündern des Landes ab. Armut ist die Folge. Nur wo Institutionen den Bürger davor schützen, dass ihm die Früchte seiner Arbeit, seiner Investitionen und seines Erfindungsreichtums weggenommen werden, entsteht das notwendige Vertrauen in die Zukunft. Das Land prosperiert.

Die Schweiz prosperiert - dank starken Institutionen

Das erklärt den Erfolg von Botswana und den Misserfolg seiner Nachbarländer, den Reichtum Costa Ricas und die Armut Nicaraguas, die entgegengesetzte Entwicklung Süd- und Nordkoreas. Wenn starke Institutionen allen Bürgern die Möglichkeit geben, mitzubestimmen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, werden diese Bürger sich selbst und das Land voranbringen.

Unsere Vorfahren, welche die schweizerischen Institutionen in den letzten gut 150 Jahren aufgebaut haben, haben offensichtlich sehr vieles sehr gut gemacht. Doch Acemoglu und Robinson warnen vor Selbstzufriedenheit. Der Abstieg kann schnell kommen. Politische Institutionen sind dauernd herausgefordert und nicht dagegen gefeit, von Interessengruppen eingenommen zu werden. So bedroht die wachsende Ungleichheit derzeit die Institutionen vor allem in angelsächsischen Ländern.

Die Schweiz ist davon bisher verschont -geblieben, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird. Die Armutsquote ist seit 2008, also während der Finanzkrise, gesunken, wie das Bundesamt für Statistik diese Woche festgestellt hat. Wir verdanken sehr viel unserem föderalistischen System mit seinen weitgehenden Mitbestimmungsmöglichkeiten und unseren starken Institutionen wie der Nationalbank. Tragen wir für sie Sorge.