Die Zeiten, in denen sich Geschäftspartner nach einer entspannten Golfpartie lukrative Aufträge zuschieben konnten, sind vorbei. Inzwischen muss bei grösseren Ausschreibungen in fast allen Fällen eine Offerte von mehreren Anbietern eingeholt werden. Handelt es sich um grossvolumige Aufträge oder von Behörden vergebene Etats kann eine fünfminütige Verspätung bei der Abgabe einen Bewerber aus dem Rennen werfen. Zudem wachen in vielen Firmen Compliance-Aufseher über die ordnungsgemässe Abwicklung bei Ausschreibungen.

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Bei diesen gestiegenen Anforderungen verwundert es, dass die Angebotserstellung, im Fachjargon Bid- oder Proposal-Management, in vielen, vor allem kleineren Firmen, kaum geregelt ist und eher nebenbei erledigt wird. Das verursacht Kosten, senkt die Chance, Ausschreibungen zu gewinnen, und führt zu chaotischen Abläufen.

Ausgeblendete Gesamtkosten

Aber was macht ein Bid-Manager überhaupt? Im Gegensatz zu Firmen, wo die Erstellung eines Angebots für einen ausgeschriebenen Auftrag von einem Vertriebsmitarbeiter erstellt wird, kümmert sich der Bid-Manager in Vollzeit um dieses Thema. Firmen mit dieser Position verstehen die Angebotserstellung nicht nur als einen von vielen Prozessschritten im klassischen Vertrieb, sondern behandeln das Thema systematischer – mit eigenen Verantwortlichen.

«Die Komplexität bei der Erstellung von Grossangeboten wird regelmässig unterschätzt», sagt Christopher S. Kälin, der im letzten Jahr ein fast 500-seitiges Buch zum Thema verfasst hat («Das grosse Bid-Management-Kompendium»). «Auch die Gesamtkosten der Angebotserstellung werden oft ausgeblendet.» Dabei bindet die Erstellung eines professionellen Angebots Mitarbeiter aus den verschiedensten Abteilungen.

Einkäufer sind besser aufgestellt

Die Ausschreibung ist zu analysieren, es muss eine Entscheidung getroffen werden, ob man sich überhaupt bewirbt. Lieferanten und Partner müssen oftmals in den Prozess eingebunden werden, etwa bei der Frage, ob sie ein gewisses Produkt in einem Zeitrahmen überhaupt liefern können. Es gilt ein Lösungsdesign für die Ausschreibung zu entwickeln, die Kostenkalkulation zu erstellen, Margen und Preise festzusetzen und ein Angebotstext, der allen Ausschreibungsrichtlinien entspricht, ist auch noch nötig. Am Ende muss das Angebot noch einen Freigabemarathon innerhalb der Firma absolvieren. Im Alltag läuft dieser Prozess oftmals nebenbei ab, ohne eine Supervision und ohne Kostenkontrolle. Der Bid-Manager vereint im optimalen Fall alle diese Aufgaben.

In der Schweiz gibt es die Rolle aber selten. Studiert man die Stellenportale, sind hierzulande gerade mal drei Jobs ausgeschrieben, die mit dem Berufsbild des Bid-Managers etwas zu tun haben – nur die Post und PwC haben momentan je eine Stelle ausgeschrieben, die dem Bid-Manager-Anforderungsprofil auch im internationalen Vergleich entspricht. Ganz anders sieht es auf der anderen Seite, bei den Einkäufern aus: Die Einkaufsabteilungen der Unternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter professionalisiert. Die Purchasing- oder Procurement-Community ist im deutschsprachigen Raum stark in Verbänden organsisiert, während die Angebotsseite kaum Interessensvertreter oder Verbände hat.

Visitenkarte der Firma

In den USA und im Vereinigten Königreich ist die Wichtigkeit des Proposal-Managements schon lange angekommen. Der Verband Association of Proposal Management Professionals hat in beiden Ländern rund 5000 Mitglieder. Alleine im Vereinigten Königreich gibt es 24 Beratungsfirmen, die sich ausschliesslich mit dem Thema befassen. Im deutschsprachigen Raum gibt es kaum Beratungsangebote. «Ein Grund dafür ist auch die hohe Regulierungsdichte des staatlichen Ausschreibungswesens in den USA und in Grossbritannien», erklärt Kälin. «Um sich dort auszukennen, ist ohnehin ein grosses Grundwissen nötig, was zu einer grösseren Spezialisierung der Disziplin des Bid-Managements geführt hat.»

Der Druck vonseiten der Compliance und die relative Bedeutungslosigkeit der Bid-Manager-Rolle in Unternehmen führt Firmen in der Schweiz dann meistens dazu, das Thema den technischen und regulatorischen Experten zu überlassen. Dadurch gleichen die Angebote technischen Abhandlungen. Mit einer leicht verständlichen Nutzenargumentation haben diese Dokumente nichts mehr zu tun. Im schlimmsten Fall übernimmt man vor den technischen Details noch ein paar Sprechblasen aus einer Werbebroschüre der Firma oder einer Marketingkampagne. Angebote bleiben aber Verkaufsdokumente.

Notfalls von der Ausschreibung abraten

Die Hirnforschung zeigt, dass die Entscheidung für einen Einkauf immer auch emotional gesteuert ist. Leicht verständliche Angebotsdokumente, die sich auf die Nutzenargumentation spezialisieren, weisen eine höhere Erfolgsquote auf als technische Abhandlungen, bei denen die Hälfte der Textbausteine bei jedem Angebot einfach recycelt werden. Für diese professionelle Erstellung von Angeboten, die technischen, regulatorischen und verkaufspsychologischen Anforderungen entsprechen, fehlt aber vielen Firmen das Personal.

«Es gibt selbst im engen Korsett einer Ausschreibung genügend Möglichkeiten, eine nutzenorientierte Argumentation zu führen und den Kunden von den Vorzügen des Angebots zu überzeugen», so Bid-Management-Experte Kälin. Qualitativ hochstehende Angebote hätten eine Hebelwirkung, die von Firmen noch nicht erkannt worden sei. Kälin glaubt, dass aufgrund der immer strenger werdenden Compliance und des steigenden Wettbewerbs unter den Firmen Berater sich in dem Bereich ausbreiten werden.

Der Bid-Manager in einem Unternehmen könnte dann auch die Aufgabe haben, von der Erstellung eines Angebots abzuraten. Viele Firmen bewerben sich auf unzählige Ausschreibungen, obwohl ihnen in manchen Fällen die Ressourcen dafür fehlen. Auch unrealistische Ausschreibungen sollte ein Bid-Manager frühzeitig stoppen. Dass das Angebot für eine Ausschreibung eben auch eine Visitenkarte der Firma ist, ist bei vielen noch nicht angekomme

Stefan Mair
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