Im Januar 2016 ernannte der Bundesrat Monika Ribar (58) zur Verwaltungsratspräsidentin der SBB. Diese Woche veröffentlichte die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats einen Bericht, der die Umstände dieser Wahl durchleuchtet. Der Grund: Ribar sass von Mai 2015 bis Juni 2016 im Verwaltungsrat der Offshore-Firma Capoinvest. Die wird von Jean-Claude Bastos kontrolliert, einem wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilten Geschäftsmann.

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Der Bundesrat wusste nichts von dem heiklen Mandat, als er Ribar an die SBB-Spitze setzt. Publik wird das Ganze erst Ende 2017 durch Enthüllung der «Panama Papers». Der nun veröffentlichte Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) äussert sich nicht dazu, ob das Capoinvest-Mandat «rechtskonform» und die Wahl Ribars «richtig» waren. Kritisiert wird stattdessen das System der SBB zur Überwachung von Interessenbindungen.

«SonntagsBlick» hat auf Basis des GPK-Berichts dennoch drei Fehlleistungen von Ribar festgestellt:

1. Unerklärliche Widersprüche: Am 15. November 2017 sagte Ribar der «Aargauer Zeitung» zum Capoinvest-Mandat: «Es ist falsch, wenn behauptet wird, ich hätte es absichtlich nicht gemeldet. Es ging ganz einfach vergessen.» In einem SBB-Schreiben vom 6. März 2018 aber heisst es, Ribar habe das Mandat nicht gemeldet, da sie es für «nicht wesentlich» hielt. Gegenüber SonntagsBlick versuchen die SBB diesen Widerspruch aufzulösen: «Monika Ribar hat die Capoinvest als nicht bedeutende Gesellschaft und damit dieses Mandat als nicht wesentlich beurteilt. Aus diesem Grund ging vergessen, das Mandat zu melden.»

Pikant: Mitte Januar 2016 forderte das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) zusätzliche Informationen zu Ribars Mandaten. Die SBB teilten daraufhin mit, welche Ribar niederlegen werde, falls sie Präsidentin werde und wies auf den Arbeitsaufwand für die verbleibenden hin. Caponinvest wurde weder in der einen noch in der anderen Aufzählung erwähnt.

2. Mangelndes Feingefühl: Ribar soll für ihr Teilzeitengagement bei Capoinvest 100'000 Dollar (knapp 97'000 Franken) erhalten haben. So steht es in einem E-Mail, das dem «Tages-Anzeiger» mit den Panama Papers in die Hände fiel. Stimmt die Summe, wäre es für jeden Mitarbeiter ein Schlag ins Gesicht, dass die oberste SBB-Chefin einen solchen Nebenjob als «nicht wesentlich» betrachtet. Die SBB äussern sich dazu nicht und antworten lediglich: «Die Bezahlung bewegte sich im Rahmen eines üblichen vergleichbaren Honorars für derartige Mandate

3. Schlechtes Urteilsvermögen: Ende Februar 2016, kurz nach Bekanntgabe ihrer Ernennung durch den Bundesrat, fällt Ribar das Capoinvest-Mandat plötzlich wieder ein. Im Vorabdruck des Geschäftsberichts 2015 stellt sie fest, dass es darin nicht aufgeführt ist. Sie informiert den SBB-Verwaltungsratssekretär über die wichtigsten Aspekte des Engagements. Gemeinsam kommen sie zum Schluss, dass das Mandat «kein Reputationsrisiko berge», aber im Geschäftsbericht zu nennen sei. Verwaltungsratskollegen, Uvek und Bundesrat, denen die kleine Ergänzung im 122-Seiten-Bericht wahrscheinlich entgangen ist, werden nicht ausdrücklich informiert. Einige Wochen später beurteilt Ribar ihre Mandate dann neu, sucht das Gespräch mit dem designierten VR-Vizepräsidenten Peter Siegenthaler und stellt fest, dass sie «auch aus Reputationsgründen» von dem Mandat zurücktreten sollte. Am 5. Juni verlässt sie Capoinvest, zehn Tage später wird sie SBB-Präsidentin.

Unerklärliche Widersprüche, fehlendes Feingefühl, schlechtes Urteilsvermögen – ist Ribar unter diesen Umständen an der SBB-Spitze noch tragbar? Ja, sagen linke und bürgerliche Verkehrspolitiker. Sie erkennen zwar Ribars Fehlleistungen, halten ihr aber zugute, sie habe die Fehler eingestanden. «Ich gehe davon aus, dass sie die Lehren daraus gezogen hat», so Edith Graf-Litscher (54, SP), Präsidentin der Verkehrskommission des Nationalrats. Martin Candinas (38, CVP): «Mein Vertrauen hat sie weiterhin.» Und Kurt Fluri (63, FDP): «Frau Ribar hat ihre Glaubwürdigkeit nicht verloren.»

Ihre Absetzung fordert niemand. Das dürfte nicht nur Ribar freuen, sondern auch Doris Leuthard. Schliesslich hat die Uvek-Chefin mit der Aufarbeitung des Postauto-Skandals schon genug zu tun.

Dieser Text erschien zuerst im Wirtschaftsressort vom «Blick» unter der Überschrift «Absolution für die SBB-Präsidentin».