Werden die Preise für Wohnimmobilien weiterhin so stark steigen?
Wir rechnen mit weiteren Preisanstiegen. Alles andere würde uns sehr überraschen. Allerdings dürfte sich das jährliche Preiswachstum etwas abschwächen auf eine mittlere einstellige Zahl. Die hohen Preisanstiege in Kombination mit den strikten Regulierungen limitieren die Kaufmöglichkeiten vieler Haushalte, was einen dämpfenden Einfluss ausübt.

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Fredy Hasenmaile Credit Suisse

Fredy Hasenmaile ist Leiter Immobilienanalyse bei der Credit Suisse.

Quelle: ZVG

Drohen in gewissen Gegenden Preisblasen?
Blasen entstehen, wenn viel Spekulation im Spiel ist und Käufe bloss zum Zweck des raschen Wiederverkaufs getätigt werden. So etwas haben wir in den letzten Jahren nicht beobachtet. Die sehr hohen Preise in der Schweiz lassen sich grossmehrheitlich durch die ultratiefen Zinsen erklären. Einzig in Genf machen uns die weit von den Einkommen abgekoppelten Eigenheimpreise Sorgen.

Jedem Käufer, der heute einsteigt, muss allerdings bewusst sein, dass wir uns weit oben auf der Fahnenstange befinden und eine beträchtliche Fallhöhe entstanden ist. Da zuletzt auch in den peripheren Regionen die Preise stark angestiegen sind, gibt es kaum Regionen, wo man bei einem Preiseinbruch nicht auch betroffen wäre.

Wo findet eine Familie aus dem Mittelstand mit einem Haushaltseinkommen von jährlich maximal 200’000 Franken heute noch Wohneigentum?
Für Mittelstandsfamilien ist Wohneigentum in und um die Grosszentren heute nicht mehr erschwinglich. Auch nicht für den obersten Mittelstand – mit Haushaltseinkommen von 200’000 Franken. Ein solches Einkommen reicht bei strikter Anwendung der Tragbarkeitsrichtlinien für ein Objekt bis 1,2 Millionen Franken. Eine durchschnittliche neue Eigentumswohnung in der Stadt Zürich kostet aktuell 1,8 Millionen.

Eine unserer Analysen hat aber gezeigt, dass in 30 Minuten Fahrzeit vom Zürcher Hauptbahnhof im Mittel bereits 45 Prozent weniger bezahlt wird als in der Stadt Zürich. Zum Beispiel im Weinland oder im Tösstal. Ansonsten bleibt nur das Ausweichen in Kantone wie Thurgau oder Aargau. Mit zunehmender Distanz zu den Grosszentren ist Wohneigentum für den Mittelstand also noch tragbar. Haushalte am Genferseebogen müssen dazu in Regionen des Kantons Freiburg oder ins Unterwallis ausweichen. Aus Sicht von Basel empfiehlt sich am ehesten das hintere Frick- oder das Laufental.

«Für Mittelstandsfamilien ist Wohneigentum in und um die Grosszentren heute nicht mehr erschwinglich.»

Wie gross ist die Gefahr, dass ein rascher Anstieg der Zinsen den Immobilienmarkt in Schieflage bringt?
Diesbezüglich sind wir relativ entspannt, aus zwei Gründen: Erstens müssen aufgrund der strikten Regulierung Hauskäufer bereits heute kalkulatorisch Zinsen von 4,5 oder 5 Prozent tragen können. Zweitens haben mehr als vier von fünf Hypothekarnehmern eine Fixhypothek abgeschlossen. Das heisst, der Zinsschock würde die meisten erst mit einiger Verzögerung treffen.

Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass ein rascher Zinsanstieg die Bewertungen von Immobilien empfindlich reduzieren würde. Das dürfte nicht ohne Blessuren über die Bühne gehen. Es gäbe zwar happige Abschreiber und auch Problemfälle bei Eigentümern, die erst vor kurzem gekauft haben, aber der Immobilienmarkt würde dadurch nicht aus den Angeln gehoben werden. Wir haben nicht umsonst eine der strengsten Regulierungen weltweit.

Wie verändern sich die Schweizer Innenstädte durch den Online-Handel – ist es schwieriger geworden, für Läden Mieter zu finden?
Der Online-Handel verändert den Detailhandel im Kern. Je nach Standort kann es daher schwierig bis unmöglich sein, einen Mieter zu den bisherigen Konditionen zu finden. Das äusserst sich dann in tieferen Mieterträgen oder einer Umstellung auf blosse Umsatzmieten, wodurch der Vermieter verstärkt ins Risiko gehen muss.

Es gibt aber nach wie vor auch sehr gesuchte Standorte, wo die Vermieter am längeren Hebel sitzen und sich die Mieter aussuchen können. Innenstädte sind von dieser Entwicklung auch betroffen. Schleichend verschwinden viele Läden. Die Gesundschrumpfung des stationären Detailhandels lässt sich letztlich nicht aufhalten. Im besten Fall lässt sie sich einigermassen steuern, damit man Negativspiralen vermeiden kann. Dazu wären jedoch intensive Kooperationen aller Akteure notwendig, inklusive der Stadtbehörden.

«Die Distanz zum Arbeitsplatz spielt neuerdings eine geringere Rolle, dafür sollte die Wohnung schöner, grösser und unterteilbarer sein.»

Wie verändert die Telearbeit den Wohnungsmarkt – und welche Konsequenzen hat Homeoffice für die Vermarktung von Büroflächen?
Wohnungen müssen neuen Kriterien genügen. Die Distanz zum Arbeitsplatz spielt neuerdings eine geringere Rolle, dafür sollte die Wohnung schöner, grösser und unterteilbarer sein. Homeoffice reduziert mittelfristig den Bedarf nach Büroflächen, was Leerstände steigen und die Mieten sinken lässt. Die Vermarktung wird dadurch anspruchsvoller.

Es bieten sich aber auch Chancen, denn das Büro behält ganz wesentliche Funktionen. Erfolgreiche Büros helfen den Arbeitgebern, ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zu locken. Das gelingt mit attraktiven Flächen und inspirierenden Bürolayouts. Wenn Büroanbieter ihre Hausaufgaben machen, wird die Vermarktung kein Problem sein.

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In den grossen Städten sind Immobilien unerschwinglich geworden. Abseits der Zentren können sich viele Menschen eine Eigentumswohnung leisten.

Vor allem im Schweizer Mittelland stehen heute viele Wohnungen leer. Ist dieser Leerstand ein Problem – für den Markt und für die jeweiligen Eigner der Immobilien?
Der Wohnungsleerstand hat bereits seinen Höhepunkt überschritten und dürfte sich weiter reduzieren. Insofern wird das Problem gegenwärtig bereits kleiner. Leerstände reduzieren im Durchschnitt die Mieterträge und setzen die Mietpreise unter Druck. Das ist für Immobilienbesitzer nachteilig, aber noch kein Problem, da die verbleibende Rendite von Immobilienanlagen noch immer attraktiver ist, als was alternative Anlagen auf dem Kapitalmarkt erzielen.

Problematisch können Leerstände für Inhaber von nur einer oder weniger Immobilien sein. Denn Leerstände neigen dazu, gehäuft aufzutreten. Wenn ein Eigentümer bloss zwei Liegenschaften besitzt und eine steht halb leer, dann kann das bereits kritisch werden.

Welche Auswirkungen hat der ökologische Umbau unserer Wirtschaft für den Immobilienmarkt?
Der ökologische Umbau ist für den Immobilienmarkt eine riesige Herausforderung. Immobilien sind für einen Grossteil der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs verantwortlich und stehen deshalb im Schaufenster. Der Druck auf die Eigentümer zum Handeln wird somit kontinuierlich grösser. Nicht nur seitens der Regulierung, sondern auch, weil der Markt zu differenzieren beginnt zwischen ökologisch guten und schlechten Immobilien.

Erneuerungen und Umbauten dürften stark zunehmen, der Finanzierungsbedarf ebenso, denn der ökologische Umbau kostet Geld. Das Positive ist, dass die Technologie für den Umbau vorhanden ist. Das zeigen die Neubauten. Handeln ist nun angesagt.

Fredy Hasenmaile beantwortete die Fragen schriftlich.