Aus Angst vor einer versiegenden Geldflut der US-Notenbank Fed haben Anlegerinnen und Anleger rund um den Globus in den letzten Tagen im grossem Stil Aktien abgestossen.

Der Swiss Market Index (SMI) verzeichnete am Dienstag mit einem Minus von 1,76 Prozent den stärksten Einbruch seit Januar – der Schweizer Leitindex befindet sich wieder auf dem Niveau von Anfang Juni. 

Von US-Staatsanleihen haben sich Investoren ebenfalls getrennt, wodurch die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen US-Bonds kurzzeitig auf ein Dreieinhalb-Monats-Hoch von 1,558 Prozent stieg. Damit werden Anleihen wieder zu einer Konkurrenz für Aktien – gleichzeitig erhöhen steigende Renditen die Finanzierungskosten vor allem der Wachstumsunternehmen und drücken die Gewinne. 

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Die jüngsten Aussagen des US-Notenbankchefs Jerome Powell signalisieren zudem eine wachsende Inflations-Nervosität. Es scheint, dass die Karten an den Märkten gerade neu gemischt werden. 

Hohe Inflation und Wachstumsverlangsamung

Für Matthias Geissbühler, Anlagechef bei Raiffeisen Schweiz, ist die Nervosität wegen der jüngsten Inflationsaussagen der US-Notenbank gerechtfertigt. Die Teuerung werde entgegen den Einschätzungen von Jerome Powell und den meisten Anlagestrategen noch länger hoch bleiben, sagt Geissbühler auf Anfrage. Der jüngste massive Anstieg der Erdgas- und Erdölpreise werde die Inflation weiter anheizen. 

Laut Caroline Hilb, Marktstrategin bei der St. Galler Kantonalbank, endet die «beste aller Anlagewelten». Die Konjunktur und Gewinnerwartungen hätten den Zenit überschritten. «Die Wachstumsaussichten werden tiefer sein, wenn auch positiv. Die Gewinne werden zwar noch steigen, aber wegen höherer Inputkosten und gestresster Lieferketten weniger als zuvor.»

 

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Die gestiegenen Inputkosten und die abschwächende Konjunkturentwicklung werden sich bemerkbar machen.

Auch Anastassios Frangulidis, Chefstratege bei Pictet Asset Management, betont, dass in den letzten Wochen Zeichen einer nachlassenden Konjunkturdynamik nicht nur in China, sondern auch in den USA sichtbar geworden seien, während gleichzeitig mehrere Fed-Mitglieder klar machten, dass das Rückfahren der Anleihenkäufe bevorstehe.

Die Drittquartalszahlen der kommenden Wochen werden zeigen, was dieser konjunkturelle Mix für die einzelnen Unternehmen bedeutet. Insgesamt dürften die Ergebnisse solide bleiben, doch positive Überraschungen wie im ersten oder zweiten Quartal werden wohl ausbleiben.

Die gestiegenen Inputkosten und die abschwächende Konjunkturentwicklung werden sich bemerkbar machen - die Reduktion der Gewinnerwartung beim Kurier- und Logistikunternehmen Fedex von letzter Woche ist ein gutes Beispiel hierfür.

Evergrande und US-Zahlungsausfall

In den nächsten Wochen werden zwei externe Risiken für zusätzliche Volatilität an den Märkten sorgen: In den USA rückt die Gefahr eines teilweisen Stillstands der Regierungsgeschäfte ab Ende dieser Woche näher. Ohne Anhebung der Schuldenobergrenze durch den Kongress droht ab Mitte Oktober der Zahlungsausfall der US-Regierung. 

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Geissbühler sieh zudem das Drama um Evergrande als Weckruf. Der Kollaps des hochverschuldeten chinesischen Immobilienkonzerns wird immer gewisser. «Es zeigt exemplarisch die Folgen der seit Jahren ultraexpansiven Geldpolitik. Es existieren weltweit Hunderte sogenannter 'Zombieunternehmen'.»

Auch für Hilb deckt Evergrande die strukturellen Probleme auf. Viele Konzerne seien in China hoch verschuldet. Das geringere Wachstum in China und die wirtschaftspolitischen Veränderungen mit der Orientierung nach innen stellten die Weltwirtschaft vor neue Herausforderungen.

Marktlage bleibt angespannt

Die Marktexperten sind sich darüber einig, dass die Marktlage in den nächsten Wochen angespannt bleiben dürfte. Hilb rechnet mit einem Seitwärtstrend und im Anschluss daran steigenden Märkte. Anleger sollten zuwarten, wie das Problem Evergrande gelöst wird und ob sich die USA auf eine Schuldenobergrenze einigen können.

Dann aber zukaufen, bevorzugt gute Dividendenzahler wie Orior, Cembra und Helvetia.

Anleger sollen in Zeiten der Marktschwäche nicht verkaufen.

Geissbühler sieht in den nächsten Wochen in der Tendenz schwächere Märkte und empfiehlt eine defensive Positionierung. Er sieht aber auch Chancen: «Sollten die Märkte nochmals um 5 Prozent oder mehr korrigieren, dürften sich selektiv Opportunitäten ergeben.» Insbesondere bei Schwellenländeraktien sei mittlerweile viel Negatives eingepreist.

Und am Schweizer Aktienmarkt ergeben sich zunehmend attraktive Einstiegsmöglichkeiten bei Titeln wie NovartisRocheSwiss Life oder Zurich Insurance.

Optimistischer zeigt sich Frangulidis: «Solange die Realzinsen tief bleiben und die globale Konjunkturerholung trotz nachlassendem Momentum weitergeht, bleibt der Bullenmarkt am Leben. Auch wenn die beste Phase an den Aktienmärkten bereits hinter uns liegt.»

Anleger sollen in Zeiten der Marktschwäche nicht verkaufen und Ihre langfristig definierte Anlagepolitik nicht verlassen.

ManuelBoeck
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