Eisbär oder Pferd, Picasso oder Niki de Saint Phalle, minimalistischer Schriftzug oder verschnörkeltes Gedicht: Die Rede ist nicht von der Wahl einer Geburtstagskarte, sondern von realen Beispielen für Etiketten – genauer Weinetiketten. Der Kreativität von Winzerinnen und Winzern sind keine Grenzen gesetzt. Von Minimalismus bis Maximalismus, von einer klassischen Etikette bis zur von der Stararchitektin geformten Weinflasche – alles ist möglich.

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Die logische Absicht dahinter: den Verkauf ankurbeln. Nur: Das funktioniert im Volksmund bedingt. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass man Wein nicht nach dem Aussehen kaufen soll: «Ich weiss nicht, ob der Wein gut schmeckt, aber die Etikette gefällt mir», sagen viele Freunde, die auf Besuch kommen, und fügen dann mit einem unsicheren Lächeln an, «aber ja, ich weiss, man sollte Wein nicht nach dem Etikett kaufen!»

Aber warum denn nicht? Weshalb hält sich dieser Vorwurf, dass man Wein nicht nach dem Etikett kaufen soll? Wir alle mögen doch schön verpackte Geschenke und wissen, dass das Auge mitisst. Dasselbe gilt auch für den Wein! Eine Flasche mit einem Hirsch passend zum Wild? Die Herbstsaison kann kommen. Ein Rosé in einer eleganten, hohen Flasche mit graviertem Emblem? Da trinkt sich das rosa Erfrischungsgetränk gleich doppelt so gut. Oder eine Flasche mit dem passenden Grün zur Hochzeitsdekoration? Es war der ausschlaggebende Grund für die Weinwahl einer Freundin.

Wein und Marketing – die beiden Elemente gehören schlichtweg zusammen. Ein Weinhaus, das dies früh realisierte, ist das Traditionshaus auf der linken Seite der Gironde: das Château Mouton Rothschild. Es ist der unangefochtene Marketing-Meister. Schon 1945 designte der französische Illustrator Philippe Jullian die erste Etikette der heute ikonischen Serie. Wer sich bereits damals vom Etikett überzeugen liess und einige Flaschen kaufte, hatte ein glückliches Händchen: Werden heute 1945er versteigert, dürfen sich die ehemaligen Besitzer über eine halbe Million Franken und mehr freuen – pro Flasche wohlverstanden!

Doch sind wir ehrlich: Wein als Investment ist schön, Wein im Glas ist noch schöner. Wo wir wieder bei der Flasche zum Abendessen sind. Der grosse Vorteil auffälliger Flaschen liegt schlussendlich aber anderswo: Was auffällt, bleibt in Erinnerung. Positiv und negativ. Überzeugte der Wein nämlich nicht, dann erinnert man sich beim Schlendern durch die Regale an den schlechten Tropfen und wird ihn meiden. Mundete der Tropfen jedoch im Gaumen und im Auge, dann schlägt der positive Wiedererkennungseffekt zu. Win-Win für Winzer, Weinkäuferin und einen gelungenen Abend.

3 Weiss Stamm
Quelle: Weinstamm

Ein Wein ohne viereckige Etikette, ohne Bild, ohne Schrift – nur eine Zahl. Es ist die weisse Nummer 3 der Genussskala der Weinhauses Stamm aus Schaffhausen. Das Cuvée aus Müller-Thurgau, Chardonnay und Pinot Gris trägt die Nummer 3, weil es auf der Genussskala von 0 bis 9 auf der linken Seite, das heisst bei den leichteren Apéro-Weinen einzuordnen ist. Ein frischer und fruchtiger Wein, der perfekt zu den heissen Sommertagen passt. 

Müller-Thurgau, Chardonnay und Pinot Gris, Wein Stamm, 2019, für 18.00 Franken, 12.5 % vol., bei www.weinstamm.ch

In dieser Kolumne schreiben die «Handelszeitung»-Redaktoren Michael Heim und Ben Müller sowie Autorin Tina Fischer alternierend einmal im Monat über Bier und Wein. Fischers Familie besitzt eine gleichnamige Weinhandlung, sie schreibt aber lieber über Wein, als dass sie ihn verkauft.

Tina Fischer
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