Das Rennen um die Vorherrschaft in der Elektromobilität schien bislang zwischen den Chinesen auf der einen Seite und den Amerikanern auf der anderen Seite ausgetragen zu werden.

Seit letztem Jahr haben sich die Machtverhältnisse jedoch verschoben. Mit Volkswagen macht der umsatzstärkste Autokonzern der Welt ernst und bläst zum Angriff auf Tesla.

Wenn über Elektrofahrzeuge gesprochen wird, kommt man um den Branchenprimus Tesla nicht herum. Nicht zuletzt aufgrund der fulminanten Kursrallye im vergangenen Jahr sorgte der kalifornische Autobauer für viel Aufmerksamkeit und für den einen oder anderen Neu-Millionär.

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Dies ist auch den Verantwortlichen von Volkswagen in Wolfsburg nicht entgangen, die nun mit grossen Summen den Konzern neu ausrichten und das Wachstumspotenzial der E-Automobilität ausschöpfen wollen.

Der Autor

Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.

Christos Maloussis
Quelle: ZVG

Grosser Wachstumsmarkt

Wie gross das Wachstumspotenzial der Elektromobilität ist, verdeutlicht der Anstieg der weltweiten Neuzulassungen um 38 Prozent von 2,3 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2019 auf über 3,18 Millionen Fahrzeuge im 2020 (Quelle: Statista).

Was für Volkswagen besonders interessant sein dürfte, ist der starke Nachfrageanstieg des Segments im Heimatmarkt Deutschland. Hier stiegen die Neuzulassungen von 108'000 Fahrzeuge im Jahr 2019 auf knapp 395'000 Fahrzeuge im 2020.

Damit entwickelte sich Deutschland im Coronajahr 2020 zum weltweit zweitwichtigsten Absatzmarkt für Elektrofahrzeuge – nach China und vor den USA.

Von diesem Trend konnte Volkswagen von allen namhaften Elektrofahrzeugherstellern am stärksten profitieren. Mit einem Plus von satten 340 Prozent auf knapp 422'000 Neuzulassungen weltweit schaffte Volkswagen den mit Abstand grössten Sprung im letzten Jahr.

Somit liegen die Wolfsburger nur noch knapp hinter dem Branchenprimus Tesla, der insgesamt knapp 500'000 Neuzulassungen im Jahr 2020 zu verzeichnen hatte.

Zwar lag das Plus damit bei stolzen 35 Prozent zum Vorjahr, das Momentum liegt jedoch klar bei Volkswagen. Noch in diesem Jahr will der Volkswagen-Chef Tesla den Rang als grösster E-Autobauer ablaufen und mit 1 Millionen verkaufter E-Autos das Segment dominieren.

Bis dato blieb in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit Tesla das attraktivere Unternehmen. Klar ist, Tesla geniesst in der Branche einen Vertrauensbonus als Pionier.

Während die herkömmlichen Autohersteller das Elektromobilitätsgeschäft lange als Nische betrachteten, war Tesla unter der Führung von Elon Musk vom ersten Tag von der Relevanz der eigenen Technik überzeugt. Entsprechend hat Tesla aktuell auch einen klaren Vorsprung betreffend der Batterietechnologie und dem Ladestationsnetz.

Zudem plant Elon Musk den Bau weiterer Giga-Fabriken zur Produktion ausreichender Batteriekapazität, um die Absatzmärkte vor Ort bedienen zu können.

Volkswagen greift an

Und genau hier greift Volkswagen die Kalifornier nun frontal an. Wie auf dem «Power Day» verkündet, plant das Unternehmen ein Bündel von Massnahmen um Tesla im E-Auto-Segment hinter sich zu lassen.

Um die Abhängigkeit von chinesischen Batterieproduzenten zu reduzieren, die weltweit aktuell 80 Prozent aller Batterien produzieren, sind bis 2030 insgesamt sechs Batteriefabriken in Europa geplant.

Sie sollen eine Gesamtproduktionskapazität von 240 Gigawattstunden erreichen. Im Vergleich dazu soll Teslas Giga-Fabrik in Berlin, die den europäischen Markt versorgen soll, eine Gesamtkapazität von 100 GWh produzieren.

Volkswagen plant, die ersten beiden Anlagen bereits im Jahr 2023 in Schweden und im 2025 im Deutschen Salzgitter fertigzustellen. Des Weiteren will Volkswagen bis 2023 eine einheitliche Batteriezelle entwickeln, die künftig in 80 Prozent aller verkauften Elektrofahrzeuge eingebaut werden soll, um somit die Kosten für den Massenmarkt deutlich senken zu können.

Und auch den letzten Vorteil Teslas, das Ladestationsnetz, will Volkswagen in Kooperation mit namhaften Partnern wie BP, Aral, Enel und Iberdrola egalisieren.

Mit insgesamt 12'000 Ladestationen in Europa, 3500 Ladestationen in den USA und weiteren 17'000 Ladestationen in China plant der Konzern den flächendeckenden Angriff auf Tesla.

Die letzte grosse Bastion von Tesla bleibt der Vorsprung bei der Softwareentwicklung des hauseigenen Betriebssystems, welches die neue Auto-Generation steuert. Da VW-Konzernchef Diess feststellte, dass der Antrieb «künftig kein Differenzierungsmerkmal mehr sein werde», legt VW auch bei der Entwicklung der VW.OS Software den Turbo ein.

Mit dem Zusammentragen der gesamten IT-Infrastruktur-Kapazitäten unter dem Dach der Organisation «Car.Software» ist auch hier die Richtung vorgegeben. «Car.Software» wird somit aus dem Stehgreif «zum zweitgrössten Softwareunternehmen Europas» so Diess.

Zu guter Letzt wird Tesla mit der breiten Produktpalette aus dem Volkswagenkonzern mit Marken wie VW, Porsche, Audi und Seat ebenfalls kaum mithalten können. Der Frontalangriff auf Tesla ist somit komplett.

Der «Power Day» verleiht dem Aktienkurs Flügel

Der Volkswagenkonzern scheint sich nach den Jahren rund um den Diesel-Skandal ein neues, grünes Image aufbauen zu wollen. Dass Investoren dem Volkswagen-Chef dies zutrauen, zeigt die fulminante Reaktion am Aktienmarkt.

Seit der Ankündigung der Massnahmen schossen die Stammaktien um 30 Prozent nach oben, während Tesla Aktien um bis zu 4 Prozent nachgaben. Wie hoch die Bewertungslücke jedoch weiterhin ist, zeigt ein Blick auf die Marktkapitalisierung.

Mit horrenden 650 Milliarden Dollar liegt Teslas Marktwert weiterhin um ein Vielfaches über den 145 Milliarden Dollar von Volkswagen. Und dies obwohl Teslas Umsatz lediglich 12 Prozent von jenem von Volkswagen ausmacht.

Sollte man von einer Angleichung der Bewertungen ausgehen und die Risiken reduzieren wollen, könnte eine eingehende Analyse eines Spread-Trades der beiden Unternehmen interessant erscheinen.