Jorge Lemann – der reichste Mann Brasiliens mit Wohnsitz in der Schweiz – ist seit letzter Woche ein bisschen ärmer geworden. Was an einem Bilanzskandal liegt, in dem Lemann eine wichtige Rolle spielt. Die für den Wahlschweizer unangenehme Geschichte spitzt sich jetzt zu: Denn dem Milliardär wird eine Mitschuld an einem Betrug angelastet.

Doch der Reihe nach: Vergangene Woche gab der brasilianische Detailhändler Americanas bekannt, dass er auf Ungereimtheiten in der Bilanz gestossen sei. Die Gewinne waren aufgebläht worden, die Schulden als zu bescheiden ausgewiesen. Americanas-Chef Sergio Rial gab zugleich seinen Rücktritt bekannt.

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Absturz an der Börse

Die Ankündigung sorgte für einen Crash der Aktie an der Börse – die Titel verloren über drei Viertel ihres Werts. Und darunter litt besonders das Portefeuille von Lemann, denn ihm und den anderen Partnern seiner Beteiligungsgesellschaft 3G Capital gehören 31 Prozent der Americanas-Aktien.

Zu den Gläubigern von Americanas gehört die Grossbank Banco BTG Pactual, und das Institut von Chef André Esteves beschuldigt 3G der Beteiligung am «grössten Betrug an den brasilianischen Kapitalmärkten». So ist es in einer Klage formuliert, mit der sich nun ein Gericht befassen muss.

Als «Halbgötter» gefeiert

Die drei reichsten Männer Brasiliens – Lemann und seine 3G-Partner – seien in der Öffentlichkeit als eine Art Halbgötter des «guten» globalen Kapitalismus gesalbt worden. Dabei stünden sie, schreibt BTG in der Klageschrift, als Hauptaktionäre in der Verantwortung für dieses Milliardenloch in der Buchhaltung. «3G übt seit 40 Jahren die Aufsicht aus. Und doch sollen es nun die Gläubiger sein, welche diesen buchhalterischen Schlamassel ausbaden müssen.»

Dass ausgerechnet André Esteves’ Bank nun Lemann attackiert, ist interessant. Noch 2012 hatte Esteves Lemann in einem Interview als «Mentor» bezeichnet. Esteves und Lemann teilen überdies eine Gemeinsamkeit: den Bezug zur Schweiz. Esteves war früher Banker für die UBS und kaufte der Schweizer Grossbank auch die Bank Pactual ab.

Eine Macht im Detailhandel

Americanas wurde 1929 gegründet und ist eines der ältesten und bekanntesten Detailhandelsunternehmen in Brasilien. Sein Niedergang könnte die grösste Volkswirtschaft Südamerikas in Mitleidenschaft ziehen: Das Unternehmen hat etwa 3600 Geschäfte in mehr als 900 Städten, über 5000 Lieferanten und 40’000 Mitarbeitende. 

Auch der Ruf der drei 3G-Milliardäre könnte leiden. Das Trio kontrollierte Americanas jahrzehntelang bis zu einer Umstrukturierung im Jahr 2021, bei der sie verwässert wurden. Sicupira und Lemanns Sohn, Paulo Alberto, sitzen im Verwaltungsrat von Americanas und vertreten die Aktionäre. Der Präsident des Unternehmens, Eduardo Saggioro Garcia, ist ein Partner von Americanas. Lemann gehört seit Jahren zu den reichsten Schweizern (er ist Doppelbürger). Der Milliardär, der am Zürichsee residiert, ist vor allem für seine Beteiligungen am Biergiganten AB Inbev bekannt.

(mbü/bloomberg)