Ist die Kultur wirklich globalisiert? Tyler Cowens Antwort in «Weltmarkt der Kulturen» ist ein dezidiertes Jein. 96 Prozent der in Indien gehörten Musik werden auch dort produziert; in Ägypten sind es 81 und in Brasilien 73 Prozent. Selbst in Ghana speisen sich 71 Prozent des Musikgeschäfts aus dem Binnenmarkt. Die Niederlande mit rund 15 Millionen Einwohnern bestücken ihre Bestsellerlisten hauptsächlich mit Büchern einheimischer Autoren. In den meisten Ländern Europas sind regelmässig höchstens zwei oder drei US-Autoren in den Bestsellerlisten zu finden. Und selbst im Nachbarland Kanada stammt nur die Hälfte der meistgelesenen Bücher aus den USA.

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Einzig beim Film haben sich die Amerikaner global durchgesetzt, wenn auch häufig mit europäischen Autoren und Regisseuren und hauptsächlich mit Actionfilmen, deren Bildsprache in allen Kulturen verstanden wird. Die amerikanische Dominanz hindert die Inder nicht daran, eine auch quantitativ beachtenswerte eigene Filmproduktion zu betreiben (Bollywood); Hongkong, China, Iran und Taiwan haben erstklassige Filme hervorgebracht. Und selbst die europäische Filmindustrie hat auf den kommerziellen Weg der Tugend zurückgefunden.

Dennoch: Die Kultur findet in globalisierten Märkten statt. Das hat zwei durchaus para- doxe Folgen. Einerseits ergibt sich daraus ein globalisiertes Mainstreaming. Die Ästhetik wird austauschbar. Pessimisten meinen, so finde eine globale Nivellierung nach unten statt. Andererseits fördern gerade die globalen Vertriebskanäle die Entstehung von Nischenmärkten. Dank der internationalen Vernetzung sind die potenziellen Märkte dieser Nischen global und damit hinreichend gross, um für Kulturproduzenten interessant zu sein. Ein Buch, das in der Schweiz vielleicht bloss 50 Leser fände, stösst weltweit womöglich bei 1000 Menschen auf Interesse – und diese 1000 haben dank der globalen Vernetzung auch die Chance, von dem Werk zu erfahren. Gleiches gilt für avantgardistische Musik und für die bildende Kunst.

Für Tyler Cowen bedroht also die globale Verflechtung der Märkte keineswegs die kulturelle Vielfalt in den Weltregionen. Eher im Gegenteil: Die Wahlmöglichkeiten des Einzelnen nehmen zu, indem er Zugang zu bisher fremden Kulturen finden kann. Kulturelle Nischenproduktionen haben so die Chance, weltweit ein hinreichend grosses Publikum zu finden. Das fördert die Vielfalt.

Tyler Cowen: Weltmarkt der Kulturen
Murmann Verlag, Hamburg, 217 Seiten, Fr. 43.80