Die Freude war gross. Erst als dritte Person überhaupt gewann Nemo (24) am Samstagabend für die Schweiz den Eurovisoon Song Contest - nach Lys Assia und Céline Dion.

Besonders gross war die Freude wohl auch bei den Tourismusorganisationen der Schweizer Grossstädte. Denn der nächsten Austragungsstadt und der dortigen Region winken Mehreinnahmen im zweistelligen Millionenbereich. Das Herkunftsland des Siegers oder der Siegerin richtet traditionellerweise den nächsten ESC aus – als möglichen Veranstaltungsort kommen Basel, Bern, Genf und Zürich infrage.

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Zuerst die finanziell schlechte Nachricht: Mit dem Sieg kommt ein grosser Ausgabenblock auf die Schweiz zu – wobei die Höhe stark variiert. Kopenhagen gab 2014 fast 50 Millionen Franken für den ESC aus. Aserbaidschans Hauptstadt Baku hatte zwei Jahre zuvor mit bis zu 69 Millionen Franken richtig geklotzt. Bescheidener war Malmö bei der Austragung 2013 mit rund 14 Millionen Franken.

Grossbritannien wendete letztes Jahr eine Summe auf, die zwischen diesen Extremwerten liegt. Konkret waren es umgerechnet rund 30 Millionen Franken. Die BBC budgetierte für die letztjährige Produktion zwischen 8 und 19,5 Millionen Franken. Die Stadt Liverpool steuerte etwas mehr als 4,5 Millionen Franken bei, zusätzliche 10 Millionen Franken genehmigte die britische Regierung.

Nemo singt anlässlich der Feier zum 50-Jahres-ESC-Sieg von Abba in der Schwedischen Botschaft in Bern (im April 2024).

Nemo singt anlässlich der Feier zum 50-Jahres-ESC-Sieg von Abba in der Schwedischen Botschaft in Bern (im April 2024).

Quelle: Keystone

Die gute Nachricht: Unter dem Strich lohnt sich eine ESC-Austragung für die jeweilige Stadt. Liverpool beispielsweise profitierte letztes Jahr von einer ökonomischen Wertschöpfung in der Höhe von 62 Millionen Franken, wie eine Studie der Universität Liverpool ausweist. Die von den Wissenschaftlern ermittelten Mehreinnahmen aus dem ESC garantieren der Stadt im Nordwesten Englands ein Jahr lang fast 600 Vollzeitstellen.

Die Kassen der Liverpooler Tourismusbranche klingeln lassen haben die gut 300'000 zusätzlichen Besucher, die nur wegen des Events angereist waren. Die lokalen Hotels vermeldeten 175'000 gebuchte Zimmer. Das gibt einen schönen Batzen für die Privatwirtschaft.

ESC ist laut Studie nachhaltig für die Austragungsstadt

Die Stadt Wien, die als ein guter Vergleichswert für eine mögliche Schweizer Stadt als Austragungsort dient, machte 2015 durch den Eurovision Song Contest ein Plus von 27,8 Millionen Franken. Gut 400 Vollzeitstellen sind durch den Musikwettbewerb entstanden. Ein Wert zwischen jenen für Liverpool und Wien wäre selbst für den Wirtschaftsstandort Zürich ein Gewinn. Die grösste Stadt der Schweiz weist etwas über 5000 Arbeitslose aus, 500 Neujobs wären also knapp 10 Prozent davon.

Zudem dürfte der ESC einen touristisch langanhaltenden Effekt haben. Laut der Studie aus Liverpool würden zwei Drittel der befragten ESC-Besucher nochmals in die Stadt reisen. Ein Mega-Boost für den Tourismus.

Ich welcher Stadt könnte die Schweiz den ESC stemmen?

Was die Infrastruktur betrifft, dürfte eine ESC-Austragung in der Schweiz kein Problem sein. Mehrere Hallen kommen dafür infrage. Wichtig sind angrenzende Messehallen zur Unterbringung der Künstlergarderoben und des Pressezentrums. Hinzu kommen Hotelkapazitäten für die Unterbringung der Mitarbeiter, Delegationen und der Tausenden von Fans. Auch die Anbindung an einen internationalen Flughafen ist wichtig.

Bringt Nemo den nächsten ESC in die Schweiz?

Nemo bringt den nächsten ESC in die Schweiz

Quelle: Keystone

Yves Schifferle (48), SRF-Bereichsleiter Show bei SRF, brachte in einem Artikel von «SRF» im Frühling die Städte Basel, Bern, Genf und Zürich ins Spiel. Viele sehen dabei Zürich als Favorit für eine Austragung. «Natürlich sind wir sehr interessiert daran, diesen Anlass bei uns im Hallenstadion durchzuführen», sagte auch Philipp Musshafen, CEO der Veranstaltungshalle, gegenüber Blick im Frühling.

Bern, Basel und auch Genf könnten für Zürich in die Bresche springen

Die Bevölkerung der Stadt Bern reagiert zuletzt mehrheitlich ablehnend auf Anlässe, die einen kommerziellen und unterhaltenden Aspekt beinhalten. Widerstände wären vorprogrammiert, was auch die Behörden skeptisch stimmt. Das zeigte sich zuletzt beim E-Prix 2019, zumal dieser einen finanziellen Scherbenhaufen hinterliess. Als Location käme wohl nur die Postfinance-Arena infrage. Weil aber die Halle wochenlang zur Verfügung stehen müsste, könnte der Eishockeybetrieb je nach Abschneiden des SCB zum Knackpunkt werden.

Die neue Festhalle auf dem Bernexpo-Gelände gleich nebenan wird voraussichtlich zur Frühjahrsmesse BEA Ende April/Anfang Mai 2025 eröffnet und es wäre wagemutig, sie gleich ohne Erfahrungswerte mit einem solchen Anlass einzuweihen.

Basel und Genf würden beiden über Locations – St. Jakobshalle respektive Palexpo – und internationale Flughäfen verfügen, beide Städte wären aber wegen der peripheren Lage im Vergleich zu Zürich wohl eher zweite Wahl.

Einfluss auf Halbierungs-Initiative?

Klar ist auch: Für die SRG kommt der ESC in der Schweiz zu einem suboptimalen Zeitpunkt. Die Kosten für eine Austragung, wie hoch sie auch immer ausfallen wird, sind Wasser auf die Mühlen der Halbierungs-Initiative-Befürworter, die wohl bald lautstark fragen werden, ob die SRG wirklich so viel Geld für einen solchen Unterhaltungsanlass ausgeben soll und was das mit dem Service public genau zu tun habe.

Der ESC dürfte den Wahlkampf also wenigstens zu einem kleinen Teil mitbeeinflussen und die SRG wird sich genau überlegen, wie sie eine Austragung gut und sinnvoll kommunizieren wird. Die finanziellen Vergangenheitswerte machen aber klar: Eine ESC-Austragung dürfte sich wirtschaftlich für die Austragungsstadt lohnen.

Nach dem ESC ist vor dem ESC. 

 

Dieser Artikel wurde ursprünglich vor dem ESC-Finale publiziert und wurde aufdatiert, als Nemo den Wetttbwerb am Samstagabend gewann. 

Michael Hotz
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