Ohne zu zögern, gebraucht Gianni Lutz das Adjektiv «hässlich», wenn er auf das Design von M-Budget zu sprechen kommt. «Eine ästhetische oder stilvolle Verpackung, das wollten wir genau nicht», erzählt der 41-jährige Vater der Erfolgsmarke. Was nur einen Hauch von Eleganz versprühte (zum Beispiel ein Entwurf in karminroter Farbe) oder gar trendy hätte wirken können (schwarze und weisse Streifen), fand bei Lutz keine Gnade. Stattdessen setzte er als damaliger Projektleiter auf ein Design, das sämtlichen Vorstellungen von gutem Geschmack widersprach. «Wir alle, am meisten aber der Grafiker, mussten über den eigenen Schatten springen.»

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Die Verpackung habe zu hitzigen Diskussionen geführt, bestätigt der Schöpfer des M-Budget-Logos, Kurt Lips von der Agentur Külling Identity. «Einige Kollegen haben zunächst abschätzig die Nase gerümpft.» Kein Wunder: Nicht einmal eine ordentliche Satzschrift wählte Lips, womit er bereits eine der Grundregeln seines Metiers verletzte. Das handgeschriebene Wort «Budget» pflanzte er schräg über das orange «M». Hinzu kam eine grün-weisse Tapete mit dem Migros-Schriftzug. Fertig war die Verpackung, die heute bereits 250 verschiedene Produkte ziert. Ihr Umsatz soll in diesem Jahr stolze 380 Millionen Franken erreichen.

Einst als hässliches Entlein konzipiert, ist M-Budget inzwischen die erfolgreichste Markenlancierung der letzten zehn Jahre. Was heute so wunderbar den Zeitgeist trifft, stand bei der Lancierung indes völlig quer in der Landschaft. Nicht zufällig hatte Gianni Lutz der Marke das unkonventionelle Design verpasst. Die Migros-Manager steckten nämlich in einem Dilemma: Sie mussten verhindern, dass die neue Billiglinie das bestehende Sortiment zu stark kannibalisieren würde. «Diverse Marketing-Koryphäen warnten mich, das Konzept werde scheitern», schmunzelt Lutz, der noch immer bei der Migros, mittlerweile als Bereichsleiter, arbeitet. Anlass zur Skepsis gab auch das Beispiel der französischen Carrefour, bei der eine ähnliche Strategie zum Flop wurde. Zum Zeitpunkt der Lancierung war ausserdem nicht Sparsamkeit angesagt, sondern Lifestyle und Hedonismus.

Dass die Migros ihre Billiglinie – gegen alle Unkenrufe – auf den Markt brachte, verlangte folglich eine gehörige Portion Mut. Zumal der Grossverteiler praktisch keine Werbung für M-Budget betreiben wollte. Eine rare Ausnahme waren neun Fernsehspots, die – konsequent war man auch hier – möglichst billig wirken sollten und deren Produktion gerade mal 160 000 Franken kostete. Auf Aktionsangebote wurde gar gänzlich verzichtet.

Das unspektakuläre Schattendasein, das M-Budget eigentlich zugedacht war, hielt allerdings nicht lange an. Im Oktober 2003 entschied Jörg Brun, Leiter Marketing Food, das Sortiment um 33 Artikel zu erweitern. Aus seiner Sicht war das der Tipping Point, an dem der plötzliche Aufstieg zur Kultmarke einsetzte: «Ich spürte, wie die Angestellten an der Front gespannt auf die neuen Produkte warteten. Es entfachte sich eine regelrechte Euphorie für die Marke.» Am grössten war diese Begeisterung, so stellte Brun fest, unter den Jugendlichen. Deshalb fokussierte er das Marketing bei M-Budget – ein Novum für die Migros – explizit auf die Zielgruppe der 18- bis 25-Jährigen.

Zum Renner haben sich insbesondere die M-Budget-Partys entwickelt, die regelmässig in der ganzen Schweiz stattfinden. Bis jetzt war jeder Anlass ausverkauft. Bei der jüngsten Party in Luzern feierten weit über 4000 Personen mit, gut 1000 Jugendliche mussten aus Platzgründen abgewiesen werden. Auch Migros-Manager Brun mischte sich an diesem Abend unter die tanzenden Teenager. «Die Stimmung war fantastisch», schwärmt er, «eine junge Frau hat sich mit Henna sogar ein M-Budget-Tattoo auf den Hals gemalt.» Solche Partys eignen sich fürs Trendscouting, erzählt Brun. Er werde jeweils überhäuft mit kreativen Ideen, wie das Sortiment erweitert werden könnte. So geschehen mit dem kürzlich lancierten Energy-Drink von M-Budget: Während Red Bull

2.10 Franken pro Dose verlangt, kostet das Pendant der Migros 1.20 Franken. Das neue Getränk von M-Budget stiess auf eine so überwältigende Nachfrage, dass bereits nach einer Woche Produktionsengpässe entstanden. Budgetiert war ursprünglich ein Jahresumsatz von gut einer Million Dosen. Stattdessen könnten es nun über zehn Millionen werden – mehr, als Red Bull in den Migros-Regalen verkauft.

Innovative Wege beschritt Brun auch mit der Lancierung von so genannten Limited Editions: Vom M-Budget-Velo zum Beispiel gingen nur 777 Stück in den Handel, beim Snowboard war nach 444 Exemplaren Schluss. «Es ist verrückt», erzählt der Marketing-Chef über seine eigenen Eindrücke von der Skipiste, «das M-Budget-Snowboard war umringt von Teenagern, während die teuren Designer-Bretter kaum Blicke auf sich zogen.» Diese enorme Anziehungskraft der Marke manifestiert sich auch im jüngsten BrandAsset Valuator: Am stärksten zugelegt haben die Werte bei den Imagedimensionen «charmant», «stylish» und «trendy», daneben aber auch in der Beurteilung der Zuverlässigkeit.

Geholfen hat M-Budget zusätzlich die unübertroffene Marktmacht der Migros: 72 Prozent der Konsumenten kaufen mindestens einmal wöchentlich beim Grossverteiler ein. Zudem besitzt der Konzern langjährige Erfahrung mit Eigenmarken, entsprechend flexibel kann er auf Trends reagieren. Noch ist das Umsatzpotenzial der Marke längst nicht ausgeschöpft: In den kommenden zwölf Monaten will Jörg Brun 100 neue Artikel einführen. Mittelfristig plant er, das Sortiment auf 500 Produkte zu verdoppeln und den Umsatz auf 700 Millionen Franken auszuweiten.

An Einfällen für weitere Innovationen mangle es ihm nicht, freut sich der M-Budget-Verantwortliche. Allein seit Anfang Jahr habe er 25 Diplomarbeiten zum Thema erhalten. Auch aus dem Kreis der 80 000 Mitarbeiter komme eine Flut von Ideen. Die Migros solle doch eine M-Budget-Skistation eröffnen, lautet eine davon. Bereits konkreter ist das Projekt einer M-Budget-Tageskarte auf dem Schweizer Bahnnetz. Man sei dabei, eine solche Kooperation mit den SBB zu prüfen, sagt Brun dazu.